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Moritz Retzsch
Schillers Pegasus im Joche in Umrissen

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Stand: März 2016

 

    • Schiller's Pegasus im Joche nebst Andeutungen zu den Umrissen von Moriz Retzsch. Stuttgart und Tübingen, Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung. 1833. Breite der Umrisse: 29,7 cm; Höhe: 22 cm.

 

Die Mappe enthält zwei Broschüren. Titelei, Text des Gedichtes "Pegasus im Joche" sowie "Andeutungen zu den Umrissen zu Schiller's Pegasus im Joche" umfassen sieben Seiten. Den Druck besorgte die Offizin der J. G. Cotta'schen Buchhandlung in Stuttgart. Die gehefteten 11 Umrisse mit der "Apotheose" als Vorblatt bilden die zweite Broschüre. – Im folgenden wird jeder Umriss auf eigener Seite mit der "Andeutung" und dem Bezugstext der Illustration wiedergegeben.

Das Gedicht erschien erstmals im Musenalmanach 1796 unter dem Titel "Pegasus in der Dienstbarkeit". Pegasus ist das Ross der Musen, auf dem die Dichter sich in Begeisterung emporschwingen. Der Pegasus wurde unter die Sterne versetzt.

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Gliederung

 

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 1. Umrisse mit Andeutungen

 

 


2. Text von Schillers "Pegasus im Joche"

Pegasus im Joche

Auf einen Pferdemarkt – vielleicht zu Haymarket,
Wo andre Dinge noch in Ware sich verwandeln,
Bracht einst ein hungriger Poet
Der Musen Roß, es zu verhandeln.

Hell wieherte der Hippogryph
Und bäumte sich in prächtiger Parade;
Erstaunt blieb jeder stehn und rief:
"Das edle, königliche Tier! Nur schade,
Daß seinen schlanken Wuchs ein häßlich Flügelpaar
Entstellt! Den schönsten Postzug würd es zieren.
Die Rasse, sagen sie, sei rar,
Doch wer wird durch die Luft kutschieren?
Und keiner will sein Geld verlieren."
Ein Pachter endlich faßte Mut.
"Die Flügel zwar", spricht er, "die schaffen keinen Nutzen,
Doch die kann man ja binden oder stutzen,
Dann ist das Pferd zum Ziehen immer gut.
Ein zwanzig Pfund, die will ich wohl dran wagen."
Der Täuscher, hochvergnügt, die Ware loszuschlagen,
Schlägt hurtig ein. "Ein Mann, ein Wort!"
Und Hans trabt frisch mit seiner Beute fort.
Das edle Tier wird eingespannt.
Doch fühlt es kaum die ungewohnte Bürde,
So rennt es fort mit wilder Flugbegierde
Und wirft, von edelm Grimm entbrannt,
Den Karren um an eines Abgrunds Rand.
"Schon gut", denkt Hans. "Allein darf ich dem tollen Tiere
Kein Fuhrwerk mehr vertraun. Erfahrung macht schon klug.
Doch morgen fahr ich Passagiere,
Da stell ich es als Vorspann in den Zug.
Die muntre Krabbe soll zwei Pferde mir ersparen,
Der Koller gibt sich mit den Jahren."
Der Anfang ging ganz gut. Das leichtbeschwingte Pferd
Belebt der Klepper Schritt, und pfeilschnell fliegt der Wagen.
Doch was geschieht? Den Blick den Wolken zugekehrt,
Und ungewohnt, den Grund mit festem Huf zu schlagen,
Verläßt es bald der Räder sichre Spur,
Und treu der stärkeren Natur,
Durchrennt es Sumpf und Moor, geackert Feld und Hecken;
Der gleiche Taumel faßt das ganze Postgespann,
Kein Rufen hilft, kein Zügel hält es an,
Bis endlich, zu der Wandrer Schrecken,
Der Wagen, wohlgerüttelt und zerschellt,
Auf eines Berges steilem Gipfel hält. 
"Das geht nicht zu mit rechten Dingen",
Spricht Hans mit sehr bedenklichem Gesicht.
"So wird es nimmermehr gelingen;
Laß sehn, ob wir den Tollwurm nicht
Durch magre Kost und Arbeit zwingen."
Die Probe wird gemacht. Bald ist das schöne Tier,
Eh noch drei Tage hingeschwunden,
Zum Schatten abgezehrt. "Ich habs, ich habs gefunden!"
Ruft Hans. "Jetzt frisch, und spannt es mir
Gleich vor den Pflug mit meinem stärksten Stier."
Gesagt, getan. In lächerlichem Zuge
Erblickt man Ochs und Flügelpferd am Pfluge.
Unwillig steigt der Greif und strengt die letzte Macht
Der Sehnen an, den alten Flug zu nehmen.
Umsonst, der Nachbar schreitet mit Bedacht,
Und Phöbus' stolzes Roß muß sich dem Stier bequemen,
Bis nun, vom langen Widerstand verzehrt,
Von Gram gebeugt das edle Götterpferd
Zu Boden stürzt und sich im Staube windet.
"Verwünschtes Tier!" bricht endlich Hansens Grimm
Laut scheltend aus, indem die Hiebe flogen.
"So bist du denn zum Ackern selbst zu schlimm?
Mich hat ein Schelm mit dir betrogen."
Indem er noch in seines Zornes Wut
Die Peitsche schwingt, kommt flink und wohlgemut
Ein lustiger Gesell die Straße hergezogen.
Die Zither klingt in seiner leichten Hand,
Und durch den blonden Schmuck der Haare
Schlingt zierlich sich ein goldnes Band.
"Wohin, Freund, mit dem wunderlichen Paare?"
Ruft er den Baur von weitem an.
"Der Vogel und der Ochs an einem Seile,
Ich bitte dich, welch ein Gespann!
Willst du auf eine kleine Weile
Dein Pferd zur Probe mir vertraun,
Gib acht, du sollst dein Wunder schaun!"

Der Hippogryph wird ausgespannt,
Und lächelnd schwingt sich ihm der Jüngling auf den Rücken.
Kaum fühlt das Tier des Meisters sichre Hand,
So knirscht es in des Zügels Band
Und steigt, und Blitze sprühn aus den beseelten Blicken,
Nicht mehr das vorge Wesen, königlich,
Ein Geist, ein Gott, erhebt es sich,
Entrollt mit einemmal in Sturmes Wehen
Der Schwingen Pracht, schießt brausend himmelan,
Und eh der Blick ihm folgen kann,
Entschwebt es zu den blauen Höhen.

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3. Kurzbiographie von Moritz Retzsch

Brustbild Moritz Retzsch, gezeichnet von Cäcilie Brandt, Steindruck von August Kneisel, um 1830

Brustbild Moritz Retzsch, gezeichnet von Cäcilie Brandt, Steindruck von August Kneisel, um 1830

Retzsch, Moritz, Zeichner u. Maler, geb. 1779 zu Dresden, seit 1822 Professor der Kunstakademie daselbst, machte sich bald bekannt durch Porträte, romantische (Genovefa, Undine, Erlkönig etc.), u. mythologische Darstellungen, am meisten aber durch seine Umrisse zu großen Dichterwerken, zu Göthes Faust, 26 Blätter, 1812, 2. Aufl. 1834, zu Schillers und Shakspeares Werken. (Herders Conversations-Lexikon, 1. Auflage 1854-1857; Bd. 4, S. 713; Digitale Bibliothek 133, S. 33988.)

Retzsch, Moritz, Zeichner, Maler und Radierer, geb. 9. Dez. 1779 in Dresden, gest. daselbst 11. Juni 1857, besuchte seit 1798 die Akademie seiner Vaterstadt, wurde 1816 Mitglied und 1824 Professor an der Akademie. Er ist besonders durch seine einstmals sehr überschätzten Umrißradierungen zu Goethes "Faust" (26 Blätter; Stuttg. 1828, vermehrte Aufl. 1834–36; neue Ausg. 1884), Schillers "Kampf mit dem Drachen", "Lied von der Glocke" und "Gang nach dem Eisenhammer", eine "Galerie zu Shakespeares dramatischen Werken" (Leipz. 1827–46) und "Umrisse zu Bürgers Balladen" (1840) bekannt geworden. (Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Aufl. 1905-1909; Bd. 16, S. 835; Digitale Bibliothek 100, S. 164540.)


Jutta Assel und Georg Jäger, im Mai 2006

 

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