goethe


Jutta Assel | Georg Jäger

Wilhelm von Kaulbach
Zwölf Bilder zu Schillers Dramen u.a.

Mit zwei Bildbeschreibungen und Figurencharakteristiken von Erwin Förster
aus Kaulbachs »Schiller-Gallerie«

Stand: April 2013

Wilhelm Kaulbach: Selbstporträt.
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Erinnerungen an Wilhelm von Kaulbach und sein Haus mit Briefen und hundertsechzig Abbildungen gesammelt von Josefa Dürck-Kaulbach. München: Delphin-Verlag 1917, nach S.156.

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Gliederung

1. Zwölf Bilder und zwei Bildbeschreibungen
2. Kurzbiographie von Wilhelm von Kaulbach
3. Notiz zu Erwin Förster
4. Rechtlicher Hinweis und Kontaktadresse

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1. Zwölf Bilder
und zwei Bildbeschreibungen

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Wilhelm von Kaulbach. Zwölf Bilder zu Schiller's Dramen u.a. in Ansichtspostkarten. Verlag von K. Ad. Emil Müller in Stuttgart. - Mäppchen mit 12 Motivpostkarten.

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Wilhelm Tell.
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Wilhelm Tell. Von W. von Kaulbach. Verso: Deutsche Künstler-Postkarten Ser. 36, No. 1. Verl.: K. Ad. Emil Müller, Stuttgart. Nicht gelaufen. - Erster Aufzug, Erste Szene.

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"Unter den Linden auf der Heide".
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"Unter den Linden auf der Heide". (Walter v. d. Vogelweide.) Von W. von Kaulbach. Verso: Deutsche Künstler-Postkarten Ser. 36, No. 2. Verl.: K. Ad. Emil Müller, Stuttgart. Nicht gelaufen.

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Die verschwiegene Nachtigall

     Unter der Linden,
An der Haide,
Wo ich mit meinem Trauten saß,
     Da mögt ihr finden,
Wie wir beide
Die Blumen brachen und das Gras.
     Vor dem Wald mit süßem Schall
Tandaradei!
Sang im Thal die Nachtigall.
    
     Ich kam gegangen
Zu der Aue,
Da fand ich meinen Liebsten schon:
     Ich ward empfangen,
Heil'ge Fraue!
Daß ich noch selig bin davon.
     Ob er mir auch Küsse bot?
Tandaradei!
Seht, wie ist mein Mund so roth!
    
     Da ging er machen
Uns ein Bette
Aus süßen Blumen mancherlei,
     Deß wird man lachen
Noch, ich wette,
So Jemand wandelt dort vorbei.
     Bei den Rosen er wohl mag,
Tandaradei!
Merken wo das Haupt mir lag.
    
     Wie ich da ruhte,
Wüßt es Einer,
Behüte Gott, ich schämte mich.
     Wie mich der Gute
Herzte, Keiner
Erfahre das als er und ich.
     Und ein kleines Vögelein,
Tandaradei!
Das wird wohl verschwiegen sei

Gedichte Walthers von der Vogelweide, übersetzt von Karl Simrock und erläutert von Karl Simrock und Wilh. Wackernagel. Erster Teil. Berlin: Vereinsbuchhandlung 1833, S.4f. (Digitalisierung durch Google)

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Maria Stuarts Abschied.
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Maria Stuarts Abschied. Von W. von Kaulbach. Verso: Deutsche Künstler-Postkarten Ser. 36, No. 3. Verl.: K. Ad. Emil Müller, Stuttgart. Nicht gelaufen. - Fünfter Aufzug, Neunter Auftritt.

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 Goethes Muse.
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Goethes Muse. Von W. von Kaulbach. Verso: Deutsche Künstler-Postkarten Ser. 36, No. 4. Verl.: K. Ad. Emil Müller, Stuttgart. Nicht gelaufen.

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Wallensteins letzte Stunden.
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Wallensteins letzte Stunden. Von W. von Kaulbach. Verso: Deutsche Künstler-Postkarten Ser. 36, No. 5. Verl.: K. Ad. Emil Müller, Stuttgart. Nicht gelaufen. - Wallensteins Tod. Fünfter Aufzug, Fünfter Auftritt.

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Italienerin.
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Italienerin. Von W. von Kaulbach. Verso: Deutsche Künstler-Postkarten Ser. 36, No. 6. Verl.: K. Ad. Emil Müller, Stuttgart. Nicht gelaufen.

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Die Jungfrau von Orleans.
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Die Jungfrau von Orleans. Von W. von Kaulbach. Verso: Deutsche Künstler-Postkarten Ser. 36, No. 7. Verl.: K. Ad. Emil Müller, Stuttgart. Nicht gelaufen.

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Beschreibung des Bildes und Charakteristik der Figuren
von Erwin Förster in Kaulbachs »Schiller-Gallerie«

Mädchen, welche im Kampfe für ihr Vaterland vorauseilten oder wenigstens mit den Waffen in der Hand daran teil nahmen, hat es in jedem Lande und zu jeder Zeit gegeben. Tirols und Spaniens Töchter wussten wie ihre Männer die Büchsen auf den Feind zu richten, Eleonore Prohaska fiel im Lützowschen Korps, und im Riesenkampf der Nordstaaten Amerikas traten Frauen in die Reihen der Soldaten, um der Schwarzen Sklavenjoch mit brechen zu helfen; aber von allen ist keine mit dem Schimmer romantischer Ritterlichkeit umgeben, in welchem uns Jeanne d'Arc selbst beim Lesen der nüchternsten Geschichte erscheint; und dennoch währte es lange Zeit, bis die Poesie ihr den Kranz wohlverdienter Unsterblichkeit reichte. Frankreich überließ es einem Engländer, die gefürchtete Feindin seines Volkes zu besingen, ja einer der größten französischen Dichter entblödete sich nicht, Johannas kühne Heldentat mit feilem Witze zu verspotten; erst einem Deutschen, unserm Schiller, war es vorbehalten, in einem herrlichen Gedichte die Begeisterung diesseits und jenseits des Rheins wieder zu erwecken für die Jungfrau von Orleans.

Seitdem hat auch die bildende Kunst ihr manches Denkmal gesetzt; aber fast alle zeigen uns Johanna auf dem Gipfel ihres Glücks oder vergegenwärtigen uns das schauerliche Ende, welches Fanatismus, Hass und blinder Aberglaube ihr bereiteten; anders Kaulbach, welcher uns durch den Anfang ihrer Heldenlaufbahn den Schlüssel zu der rätselhaften Erscheinung gibt, wie eine junge, friedliche Hirtin, die fern vom Getöse der Schlachten erwuchs, deren Dorf nicht widerhallte vom Klirren der Waffen durchziehender Kriegsvölker, sich an die Spitze der entmutigten Truppen stellen konnte, ja in dem Augenblicke, als alles ohne Rettung verloren schien, sie zum Siege führte und die entfallene Krone dem Könige wieder eroberte.

Sie selbst gab sich nur für das willenlose Werkzeug des Himmels aus, und in diesem Sinne fassten Künstler und Dichter sie auf. Nur der Befehl des Höchsten konnte dem schwachen Mädchen den Arm mit männlicher Kraft stählen, er allein drückte statt des Hirtenstabes ihr das zweischneidige Schwert in die Hand und vermochte es, dass Johanna, dem stillen Glücke des Weibes entsagend, Mitleid aus dem Busen und aus dem Herzen die Liebe verbannte. Dreimal musste die Gebenedeite im Gewande der Hirtin unter der heiligen Eiche zu Dom Remi erscheinen und, als Johanna, noch immer an der eigenen Kraft zweifelnd, zögerte, sich als die hohe Himmelskönigin ihr offenbaren und die Fahne reichen, welche sie dem Siege vorantragen sollte.

Noch dämmert es und nur im Osten verkündet ein leichter Schein den nahenden Morgen; trotz der väterlichen Warnung hat Johanna die Nacht unter dem Lieblingsbaume zugebracht; da umgibt sie himmlisches Licht und auf goldener Wolke schwebt Maria hernieder und gürtet sie mit den Waffen gegen die Feinde des ältesten Thrones der Christenheit. In stummer Verzückung kniet Johanna vor ihr und empfängt anbetend den Segen, den ihr das Christuskind spendet.

Welch' wunderbare Milde liegt auf dem Antlitz der Heiligen, mit welch' liebender Teilnahme blickt sie auf die Jungfrau, die ihrem Dienste sich weiht, und dagegen Johanna! wie strahlt aus ihrem Blicke die Begeisterung für die hohe Sache, zu der sie berufen; und doch finden wir in der ganzen Stellung die Demut wieder, mit der sie alles Lob von sich wies. Aber durch das leichte Gewand erkennen wir auch die herrliche Gestalt, welche den Hass Lionels in Liebe verwandelte und den unerbittlichsten Feind im englischen Lager, den Herzog von Burgund, durch die Gewalt ihrer Rede dem Könige versöhnt wieder zuführte, dass er gestand:

O, sie kann mit mir schalten, wie sie will,
Mein Herz ist weiches Wachs in ihrer Hand.

Schiller-Gallerie. Nach Original-Kartons von Wilhelm von Kaulbach, C. Jäger, A. Müller, Ch. Pixis, R. Beyschlag, W. Lindenschmit. Mit erläuterndem Text von E[rwin] Förster. München: F. Bruckmann A.-G. o.J. Die Ausschnitte sind der Reproduktion in diesem Werk entnommen.

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Romeo und Julia.
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Romeo und Julia. Von W. von Kaulbach. Verso: Deutsche Künstler-Postkarten Ser. 36, No. 8. Verl.: K. Ad. Emil Müller, Stuttgart. Nicht gelaufen. - Shakespeare: Romeo und Julia. Akt V, Szene III.

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Don Carlos.
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Don Carlos. Von W. von Kaulbach. Verso: Deutsche Künstler-Postkarten Ser. 36, No. 9. Verl.: K. Ad. Emil Müller, Stuttgart. Nicht gelaufen. -Fünfter Akt, Vierter Auftritt.

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Hermann und Marie Kaulbach.
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Hermann und Marie Kaulbach. Von W. von Kaulbach. Verso: Deutsche Künstler-Postkarten Ser. 36, No. 10. Verl.: K. Ad. Emil Müller, Stuttgart. Nicht gelaufen.

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Maria Stuart und Elisabeth von England.
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Maria Stuart und Elisabeth von England. Von W. von Kaulbach. Verso: Deutsche Künstler-Postkarten Ser. 36, No. 11. Verl.: K. Ad. Emil Müller, Stuttgart. Nicht gelaufen.

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Beschreibung des Bildes und Charakteristik der Figuren
von Erwin Förster in Kaulbachs »Schiller-Gallerie«

Elisabeth wird immer als Englands größte Königin gelten, denn sie war es, welche die englische Nationalkirche stiftete und dadurch ihr Reich vor einem blutigen Religionskampfe bewahrte; sie nahm die dem Scheiterhaufen Entronnenen aus Frankreich und Holland schützend auf und legte dadurch den Grund zur Größe und zum hohen Ruhme der englischen Industrie; aus den Trümmern der spanischen Armada hob sich Britanniens meerbeherrschende Flotte und unter ihrer Regierung entstanden die ersten englischen Kolonien in Amerika. - Wenn wir den mächtigen Geist bewundern, welcher so Großes schaffte, so müssen wir uns doch oft abwenden von den Mitteln, die Elisabeth gebrauchte, und gestehen: Sie hatte nur die männlichen Tugenden der Herrscher, aber von ihrem Geschlechte fast nur die Fehler geerbt.

Eines solchen Weibes Seele dramatisch schön zu schildern und zu zeigen, wie in ihr Hoheit, Kraft und Liebe zu ihrem Volke neben Hass, Rachgierde und kleinlicher Eifersucht wohnten, war eine Aufgabe, welche nur Geister wie Schiller lösen konnten; aber kaum kleiner ist jene des Künstlers, welcher das Bild dieses rätselhaften Weibes uns geben will, und sie konnte wohl niemand besser bewältigen als Wilhelm von Kaulbach.

Aber der Meister verstand es auch, uns zugleich die rein menschliche Seite zu zeigen und wählte dazu den Moment, in welchem ihr unglückliches Opfer Maria Stuart, nachdem es vergeblich sich bemüht hatte, der Feindin Herz zu rühren, aufspringt und in ohnmächtigem Zorne ausruft:

      Der Britten edelherzig Volk
      Hat eine list'ge Gauklerin betrogen!

Eine solche Sprache hat Elisabeth noch nicht gehört, noch tönte in ihren Ohren Leicesters heuchlerisches Lob:

      Nie warst du, nie zu einem Sieg der Schönheit
      Gerüsteter als eben jetzt -

und siegesbewusst war sie in den Park gekommen und ward von einem wehrlosen Weibe verspottet! Da presst sie die Rechte auf das Herz, dem die kurze aber unverhoffte Niederlage ein Dolchstoß ist, greift Rache suchend in die dornige Staude und knickt eine Rose, ehe sie erblüht, da achtet sie im Sturme der Leidenschaft der eigenen Schmerzen so wenig, als sie sich um ihren Lieblingsfalken kümmert, der, von ihrer Hand herabgeglitten, ängstlich am Boden flattert.

Und wie steht Maria vor ihr! Das ist kein demütig flehendes, sondern das unschuldig verurteilte Weib, in dem wieder die Erinnerung an die eigene Majestät wach wird, und welches sagen darf:

      Regierte Recht, so läget ihr vor mir
      Im Staube jetzt, denn ich bin euer König!

Dies spricht aus dem flammenden Auge; darum deutet sie auf sich und erhebt abwehrend ihre Linke über Elisabeth. Jetzt hat der alte Groll seine Fesseln gesprengt und im Triumphe über den Gegner spottet er der eignen Gefahr und macht Maria taub für der alten Amme treuen Rat, welche in namenloser Angst sie zurückhalten möchte, blind für des ehrlichen Shrewsbury Winke, dessen Hoffnung an der Heftigkeit von Schottlands entthronter Königin scheitert.

Besser, klarer konnte der Gegensatz sprachloser Wut auf der einen und der Ausbruch langverhaltenen Hasses auf der andern Seite nicht gegeben werden, als es hier von Kaulbach geschah; aber während wir in Elisabeth das Bild beleidigten Stolzes und Vergeltung schnaubenden Grimmes sehen, und der edle Zorn Mariens ergreift und Hannas Treue rührt, fühlen wir ganz die vernichtende Erbärmlichkeit, in der Lord Dudley, Graf von Leicester, vor der Gefangenen steht. Er, der mit den Herzen zweier Fürstinnen buhlte, und die Schönheit verriet, um die Macht nicht zu verlieren, wagt, wie der Knabe, der auf bösem Wege ertappt wurde, sein Auge nicht zu erheben.

Diese bewegte Handlung, durch welche uns der furchtbare Augenblick, in dem ein Mensch seine sicherste und letzte Hoffnung untergehen sieht, mit seinem ganzen Schrecken vor die Seele tritt, wird von dem dunkeln, ernsten Park umrahmt; das feste Schloss zu Fotheringhay ragt über die Wipfel der alten Bäume empor, und vollendet so die erhabene Ruhe und Einfachkeit, welche der Prüfstein wahrer Kunstwerke ist.


Schiller-Gallerie. Nach Original-Kartons von Wilhelm von Kaulbach, C. Jäger, A. Müller, Ch. Pixis, R. Beyschlag, W. Lindenschmit. Mit erläuterndem Text von E[rwin] Förster. München: F. Bruckmann A.-G. o.J. Die Ausschnitte sind der Reproduktion in diesem Werk entnommen.

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Faust und Helena.
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Faust und Helena. Von W. von Kaulbach. Verso: Deutsche Künstler-Postkarten Ser. 36, No. 12. Verl.: K. Ad. Emil Müller, Stuttgart. Nicht gelaufen. - Goethe: Faust. Der Tragödie Zweiter Teil. Dritter Akt. Schattiger Hain. - Im Bild zu sehen sind Faust und Helena in der Laube, ihr Sohn Euphorion als Allegorie der Poesie sowie der die Szene beobachtende Phorkyas-Mephisto.

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2. Kurzbiographie von Wilhelm von Kaulbach

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Wilhelm Kaulbach. Zeichnung von Carl Vogel von Vogelstein (18. Mai 1842). In: Julius Thaeter, der Kupferstecher großer deutscher Künstler. Aus Thaeters Nachlaß bearbeitet von Karl Josef Friedrich. Leipzig u. Hamburg: Gustav Schloeßmann 1942, S. 165.

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Kaulbach, Wilhelm von, Maler, geboren 15. Oktober 1804 in Arolsen, gestorben 7. April 1874 in München an der Cholera, erhielt von seinem Vater, einem Goldschmied und Kupferstecher, den ersten Unterricht im Zeichnen und besuchte seit 1821 die Kunstakademie in Düsseldorf, wo sich besonders Cornelius und Mosler seiner Ausbildung annahmen. Als Cornelius 1825 nach München gegangen war, folgte ihm Kaulbach, nachdem er wegen Mißhandlung eines Mitschülers von der Akademie verwiesen worden war.

Im nächsten Jahre malte er im Stil des Cornelius das Deckengemälde: Apollon unter den Musen im großen Saal des Odeons und in den Arkaden des königlichen Hofgartens die symbolischen Figuren der vier Hauptflüsse Bayerns und die Gestalt der Bavaria. Die bald darauf von ihm gemalten 16 Wandbilder zur Fabel von Amor und Psyche im Palast des Herzogs Max in München zeichnen sich durch einfachen, antikisierenden Stil aus.

Eine Vermittelung zwischen der Grundrichtung seines Wesens und dem strengen Stil seiner Schule fand er in den Wandbildern im Königsbau, wo im Thronsaal der Königin zwölf Darstellungen aus Klopstocks »Hermannsschlacht« und »Hermanns Tod« nebst vier solchen aus Klopstocks Oden, im anstoßenden Salon acht Wandgemälde aus Wielands »Musarion« und »Grazien« nach Kaulbachs Zeichnungen von Förster und im Schlafsaal der Königin 36 Wand- und Deckengemälde nach Goethes Dichtungen von Kaulbach selbst ausgeführt sind.

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Wilhelm von Kaulbach: Das »Narrenhaus«

Erinnerungen an Wilhelm von Kaulbach und sein Haus mit Briefen und hundertsechzig Abbildungen gesammelt von Josefa Dürck-Kaulbach. München: Delphin-Verlag 1917, nach S.104.

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Kaulbach hatte sich inzwischen auch dem Studium Hogarths zugewendet, und eine Reihe von Zeichnungen zu Schillers »Verbrecher aus verlorner Ehre« und zu Goethes »Faust« waren die Frucht dieses Studiums. Sein Hauptwerk aus dieser Zeit ist das von Merz gestochene Narrenhaus, dessen erste Idee auf die Düsseldorfer Zeit zurückgeht, wo er in der Kapelle des Irrenhauses einige Engelsfiguren malte und dabei auch Studien nach den Irren machte.

Noch während dieser letztern Arbeit beschäftigte den Künstler eine großartige Komposition, die 1834 vollendete Hunnenschlacht, welche die Sage von dem Kampf zwischen den Geistern der gefallenen Hunnen und Römer vor den Toren Roms darstellt. Die Darstellung ist voll Charakter und Lebendigkeit. Eine nach den ersten Entwürfen in Sepiaton ausgeführte Ölwiederholung größern Maßstabes kam in die Sammlung des Grafen von Raczynski zu Berlin [...] und ist von Thäter und Jacoby gestochen worden. [...]

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Wilhelm von Kaulbach: Die Hunnenschlacht.
Stich von Julius Thaeter

Julius Thaeter, der Kupferstecher großer deutscher Künstler. Aus Thaeters Nachlaß bearbeitet von Karl Josef Friedrich. Leipzig u. Hamburg: Gustav Schloeßmann 1942, S. 167.

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Im Winter 1837/38 schuf Kaulbach eine zweite große heroische Komposition, die Zerstörung Jerusalems durch Titus. Auch in diesem Bild ist eine ungewöhnliche Gedankenfülle entwickelt, aber es herrscht darin nicht jene Frische und Unmittelbarkeit, mit der Kaulbach den rein poetischen Stoff der Hunnenschlacht ergriffen hatte, die den Höhepunkt seines Schaffens bezeichnet. Nachdem Kaulbach 1839 in Italien Farbenstudien gemacht, begann er das Gemälde in Öl auszuführen. 1846 vollendet, kam es in die Neue Pinakothek zu München (gestochen von Merz und Eichens).

Von den sonstigen Gemälden und Entwürfen Kaulbachs aus jenen Jahren sind zu nennen: die Befreiung des heiligen Grabes durch die Kreuzfahrer, Christus in der Vorhölle und Anakreon mit seiner Geliebten. Das Hauptwerk dieser Epoche sind die Illustrationen zu Goethes »Reineke Fuchs«, die, von Rahl und Schleich gestochen, seit 1846 (Holzschnittausgabe 1863) erschienen. Unter der dem Franzosen Grandville nachgeahmten Maske von Tieren machte er darin die sozialen, politischen und kirchlichen Verkehrtheiten seiner Zeit zum Gegenstand ätzender Satire. Von da an datiert denn auch der Haß der Ultramontanen, der ihn noch über das Grab hinaus verfolgte.

Hieran schlossen sich seine Kompositionen für die Außenseite der Neuen Pinakothek, welche die Entwickelung der neuern Kunstgeschichte seit dem Wiederaufblühen der Kunst zu Anfang des 19. Jahrhunderts darstellen. Kaulbach gab nach seiner reflektierenden Art diesen Darstellungen, in denen er selbst mitspielt, eine von seinen Schöpfungen fast unzertrennliche Beimischung von Satire, die bei Cornelius, Schnorr u. a. große Mißstimmung erregte.

Nachdem Kaulbach 1847 Direktor der Münchener Kunstakademie geworden war, ging er nach Berlin, um die Ausmalung des Treppenhauses im Neuen Museum daselbst zu beginnen. Der umfangreiche, in stereochromischer Manier ausgeführte Bilderzyklus besteht aus sechs großen kulturgeschichtlichen Darstellungen, einer vierfachen Reihe von Zwischen- und Nebenbildern und einem das Ganze krönenden Fries, einer arabeskenartig verschlungenen Zusammenstellung von Kinder- und Tierfiguren, worin der Künstler das Streben und Ringen des menschlichen Geistes, das sich in jenen großen historischen Tatsachen offenbart, in humoristisch-satirischer Weise widerspiegelt. Die sechs großen Bilder stellen die Zerstörung des babylonischen Turmes, die Blüte Griechenlands, die Zerstörung Jerusalems, die Hunnenschlacht (diese beiden nur Wiederholungen früherer Kompositionen), das Zeitalter der Kreuzzüge und das der Reformation dar. Die Zwischen- und Nebenbilder sind: 1) Isis. Venus, Italien und Deutschland; 2) Moses, Solon, Karl d. Gr. und Friedrich d. Gr.; 3) Sage, Geschichte, Poesie und Wissenschaft; 4) Architektur, Plastik, Malerei und graphische Kunst. Trotz des großen Aufwandes an Gedanken und Darstellungskraft fehlt es dem ganzen Zyklus doch an einem logischen Zusammenhang; auch eignet sich diese Art geschichtsphilosophischer Symbolik überhaupt wenig für malerische Darstellung.

1859 entstand sein Wandgemälde im Germanischen Museum zu Nürnberg: Kaiser Otto III. in der Gruft Karls d. Gr. Außerdem schuf Kaulbach viele Bildnisse in ganzer und halber Figur in Öl sowie Kreide- und Kohlezeichnungen. Auch komponierte er eine Reihe von Illustrationen zu Shakespeare und Goethe, die unter dem Titel: »Shakespeare-Galerie« und »Goethe-Galerie« als Kupferstichwerke erschienen; sie geben jedoch trotz mancher feinen Züge die Charaktere der beiden großen Dichter nur in sehr oberflächlicher Weise wieder. An sie schlossen sich ähnliche Illustrationen zu Schillers Dramen und zu Richard Wagners Tondichtungen für König Ludwig II. von Bayern.

Aus dieser Zeit stammt auch eine große Kohlezeichnung, die Ermordung Cäsars, ausgezeichnet durch Abrundung der Komposition und Schärfe der Individualisierung. Dieser folgte ein Gemälde für das Maximilianeum in München, die Schlacht bei Salamis, das nach Inhalt und Form nur eine schwache, phrasenhafte Nachahmung früherer Kompositionen und auch nicht frei von Spekulation auf Sinnenreiz ist. [...] Von gleichem Wert ist die Komposition des Nero mit seinem Hofstaat, in der Kaulbach den Gedanken des moralischen Sieges des Christentums, der neuen über die alte Welt, zum Ausdruck brachte. Nebenbei zeichnete Kaulbach vier Blätter zu einem Totentanzzyklus und 1869 sein liebliches Tandaradei nach Walter von der Vogelweide.

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Politische Karrikatur 1849.
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Erinnerungen an Wilhelm von Kaulbach und sein Haus mit Briefen und hundertsechzig Abbildungen gesammelt von Josefa Dürck-Kaulbach. München: Delphin-Verlag 1917, S. 286. Kaulbach an seine Frau Josephine, August 1849: "Von Politik schreibe ich Dir nichts, das ist mir ein gar verhaßtes Kapitel." Ebd. - König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen lehnte 1849 die Würde eines Kaisers der Deutschen ab, zu der ihn die Deutsche Nationalversammlung gewählt hatte. Die Karikatur zeigt einen in der Sonne zerbröckelnden Schneemann als König, dem vom deutschen Michel die Kaiserwürde (Reichsapfel = Kugel mit Kreuz) angetragen wird.

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Damals machte Kaulbach auch seiner Erbitterung über die Heiligsprechung des Ketzerrichters Arbues in einer mit Kohle an die Wand seines Ateliers gezeichneten Komposition Luft, die er später in Öl auf Leinwand übertragen ließ, wobei er jedoch nicht über die Karikatur hinauskam. Auch sein heiliger deutscher Michel erhob sich nicht über den Wert flüchtiger Tendenzmalerei.

Meyers Großes Konversations-Lexikon. Sechste Auflage 1905-1909 (Digitale Bibliothek; 100) Berlin: Directmedia 2003, S. 100.058 - 100.063. Redigiert, Absätze eingefügt.

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Das Atelier Wilhelm Kaulbachs.

In: Erinnerungen an Wilhelm von Kaulbach und sein Haus mit Briefen und hundertsechzig Abbildungen gesammelt von Josefa Dürck-Kaulbach. München: Delphin-Verlag 1917, nach S.80.

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3. Notiz zu Erwin Förster

In der von uns verwendeten Ausgabe von Kaulbachs "Schiller-Gallerie" wird als Autor des erläuternden Textes "E. Förster" genannt. Das Goethezeitportal hat diesen Text irrtümlich dem Kunstschriftsteller und Maler Ernst Förster (1800-1885) zugeordnet. In mindestens einer Ausgabe und in Anzeigen der "Schiller-Galerie" nennt Friedrich Bruckmann's Verlag den vollen Namen: "Erwin Förster". Auf den Fehler hat uns Dr. Bernhard Stalla mit Mail vom 12. April 2013 hingewiesen. Biographische Angaben zu "Erwin Förster" konnte er nicht recherchieren. Wir bedanken uns für die Korrektur.

Über die zahlreichen Ausgaben der "Schiller-Gallerie" mit Text von Erwin Förster orientiert die folgende Anzeige von Friedrich Bruckmann's Verlag:

Wilhelm von Kaulbach, Schiller-Gallerie, Verlagsanzeige

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Anzeige in: München. Seine Kunstschätze und Sehenswürdigkeiten. Hrsg. von H. A. Berlepsch. München & Berlin, Friedrich Bruckmann's Verlag 1870 (Digitalisierung durch Google).

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4. Rechtlicher Hinweis und Kontaktadresse

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Kontaktanschrift:

Prof. Dr. Georg Jäger
Ludwig-Maximilians-Universität München
Institut für Deutsche Philologie
Schellingstr. 3
80799 München

E-Mail: georg.jaeger07@googlemail.com

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