Links: Arndt als Professor in Greifswald. Zeitgenössisches Gemälde. Patrioten in Wort und Tat. Lehrer und Schüler, Professoren und Studenten im Befreiungskrieg. Ausgewählt, eingeleitet und erläutert von Helmut König. Berlin: Volk und Wissen 1963, nach S. 32. Rechts: [Ernst Moritz Arndt, Ausschnitt ohne faksimilierte Signatur.] Verso: Julius Roeting: Ernst Moritz Arndt (Kunstwart-Postkarte Nr. 93) Verlag von Georg D. W. Callwey in München. Nicht gelaufen. — — — — —
Ernst Moritz Arndt, deutscher Patriot, wurde 26. Dezember 1769 in Schoritz auf der Insel Rügen geboren, die noch schwedisch war, und starb 29. Januar 1860 in Bonn. Sein noch als Leibeigner geborner Vater, damals Inspektor auf einem Gute des Grafen Malte-Putbus, ließ ihn die gelehrte Schule zu Stralsund besuchen. Seit 1789 studierte er zuerst in Greifswald, dann in Jena, neben der Theologie mit Vorliebe Geschichte, Erd- und Völkerkunde, Sprachen und Naturwissenschaften. Nachdem er eine Zeit lang in der Heimat als Kandidat und Hauslehrer zugebracht hatte, machte er 1798-99 eine größere Reise nach Österreich, Oberitalien, Frankreich und zurück durch Belgien und einen Teil von Norddeutschland, die er in den "Reisen durch einen Teil Deutschlands, Ungarns, Italiens und Frankreichs" (Leipzig 1804, 4 Bde.) beschrieb, nachdem er schon 1800 eine Schrift "Über die Freiheit der alten Republiken" herausgegeben hatte. Nach seiner Rückkehr habilitierte sich Arndt Ostern 1800 in Greifswald als Privatdozent der Geschichte und Philologie, verheiratete sich mit der Tochter des Professors Quistorp, die ihm aber bald wieder durch den Tod entrissen ward, und erhielt, nachdem er sich ein Jahr (1803/1804) in Schweden aufgehalten, 1805 eine außerordentliche Professur. Die 1803 erschienene "Geschichte der Leibeigenschaft in Pommern und Rügen" zog ihm zwar Klagen mehrerer adliger Gutsbesitzer zu, bestimmte aber den König von Schweden. 1806 die Leibeigenschaft und die Patrimonialgerichte in Vorpommern aufzuheben. Aus derselben Zeit datiert das Schriftchen "Germanien und Europa" (1803), worin Arndt die von Frankreich drohenden Gefahren beleuchtete. Andre Schriften aus diesen Jahren handeln über die Sprache und die Erziehung. Unter dem Druck der politischen Verhältnisse gab er 1806 den ersten Teil seines großen Werkes: "Geist der Zeit" (6. Aufl. des Ganzen Altona 1877) heraus, der die kommenden Ereignisse prophetisch voraus verkündete und das deutsche Volk zum Kampf gegen Napoleon aufrief. Arndt selbst arbeitete damals in der schwedischen Kanzlei zu Stralsund. In jener Zeit hatte er mit einem schwedischen Offizier, der geringschätzig von Deutschland gesprochen, einen Zweikampf, in dem er schwer verwundet wurde. Nach der Schlacht bei Jena floh er nach Schweden und fand dort eine Anstellung, die ihm Zeit ließ, den zweiten Teil des Werkes "Geist der Zeit" auszuarbeiten, der 1809 in London erschien und im feurigsten patriotischen Schwung auf die Wege hinwies, auf denen allein Deutschland aus der Erniedrigung erlöst werden könne. Der Sturz seines geliebten Königs Gustav IV. bewog ihn 1802, nach Deutschland zurückzukehren und sich nach Berlin zu begeben. In dem patriotischen Kreise des Buchhändlers Reimer empfing er hier mannigfache Anregung, doch lebte er, da er von Napoleon geächtet war, nicht ohne Gefahr. 1810 konnte er zwar nach dem Friedensschluss zwischen Frankreich und Schweden sein altes Amt in Greifswald wieder antreten, aber schon im Januar 1812 begab er sich wieder nach Berlin, Breslau, Prag und knüpfte überall mit den hervorragendsten preußischen Patrioten enge Beziehungen an. Er war, erfüllt von der Vorstellung, dass Preußen seinen politischen und patriotischen Forderungen gerecht werden könne, ganz Preuße geworden. Stein berief ihn zur Förderung seiner auf die Befreiung Deutschlands gerichteten Pläne zu sich nach Petersburg, und mit ihm kehrte Arndt nach der Niederlage Napoleons nach Deutschland zurück. Jetzt begann erst eigentlich seine durchgreifende Wirksamkeit. In zündenden Worten, in immer neuen Gedichten, Flugschriften und Ausrufen aller Art rief er das Volk zu den Waffen. Unermesslich ist der Einfluss, den er auf die Befreiung Deutschlands gewann durch: "Was bedeutet Landwehr und Landsturm?", den "Deutschen Volkskatechismus", "Über Entstehung und Bestimmung der deutschen Legion", "Grundlinien einer deutschen Kriegsordnung" und die Schrift "Der Rhein, Deutschlands Strom, aber nicht Deutschlands Grenze", "Über Volkshass und über den Gebrauch einer fremden Sprache" (1813), "Über das Verhältnis Englands und Frankreichs zu Europa" (1813), "Noch ein Wort über die Franzosen und über uns" (1814). In dem Schriftchen "Das preußische Volk und Heer" (1813) schildert er mit beredten Worten, wie Preußen aus tiefstem Sturz wieder auferstanden sei durch zwei Mittel, welche die Staatsleiter mit wahrer Umsicht angewendet: "den Geist freizulassen und das Volk kriegsgeübt zu machen". Seine schönen Kriegs- und Vaterlandslieder, erschienen in zwei Sammlungen: "Lieder für Deutsche" (1813) und "Kriegs- und Wehrlieder" (1815), fachten die Begeisterung mächtig an. Sie gingen später in die vollständigeren Ausgaben seiner "Gedichte" (zuerst Frankfurt 1818, 2 Bde.; Ausgabe letzter Hand, Berlin 1860; 2. Aufl. 1865; Auswahl 1889) über. Noch 1813 veröffentlichte er einen dritten Teil seines Werkes "Geist der Zeit", worin er die Grundzüge eines neuen, zeitgemäßen Verfassungszustandes in Deutschland gab, die er weiter ausführte in der Schrift "Über künftige ständische Verfassungen in Deutschland" (1814). Der Vertretung des Bauernstandes widmete er eine besondere Schrift (1815). Während die deutschen Heere auf französischem Boden kämpften, ließ er Flugblatt auf Flugblatt ausgehen, so: "über Sitte, Mode und Kleidertracht", "Entwurf einer deutschen Gesellschaft", "Blicke aus der Zeit in die Zeit", "Über die Feier der Leipziger Schlacht", sämtlich von 1814, dann "Friedrich August von Sachsen", "Die rheinische Mark und die deutschen Bundesfestungen", beide von 1815. Seine publizistische Tätigkeit konzentrierte er in der Zeitschrift "Der Wächter", die er 1815-16 zu Köln herausgab. 1817 veröffentlichte er seine "Märchen und Jugenderinnerungen" und den 4. Teil vom "Geist der Zeit". 1818 wurde er Professor der Geschichte an der neu begründeten Universität zu Bonn, nachdem er 1817 die Schwester Schleiermachers, Nanna (gest. 16. Okt. 1869), als zweite Gattin heimgeführt hatte. Seine akademische Wirksamkeit war indessen von kurzer Dauer. Nach Beginn der Demagogenverfolgungen infolge von Kotzebues Ermordung wurden wegen des vierten Bandes des "Geistes der Zeit" und wegen Privatäußerungen im September 1819 Arndts Papiere in Beschlag genommen, er selbst im November 1820 von seinem Amt suspendiert und im Februar 1821 die Kriminaluntersuchung wegen demagogischer Umtriebe gegen ihn eröffnet. Sie hatte kein Resultat: Arndts Forderung einer Ehrenerklärung wurde nicht erfüllt, er ward aber auch nicht für schuldig erklärt, sein Gehalt ihm gelassen, die Erlaubnis, an der Universität Vorlesungen zu halten, jedoch nicht wieder erteilt. Eine Schilderung des Prozesses gab Arndt später selbst in dem "Notgedrungenen Bericht aus meinem Leben, aus und mit Urkunden der demagogischen und antidemagogischen Umtriebe" (Leipzig 1847, 2 Bde.). In den folgenden Jahren schrieb er: "Nebenstunden, Beschreibung und Geschichte der Shetländischen Inseln und Orkaden" (Leipzig 1826); "Christliches und Türkisches" (Stuttgart 1828); "Die Frage über die Niederlande" (Leipzig 1831); "Belgien und was daran hängt" (das. 1834); "Leben G. Aßmanns" (Berlin 1834); "Schwedische Geschichten unter Gustav III. und Gustav IV. Adolf" (Leipzig 1839); "Erinnerungen aus dem äußern Leben" (3. Aufl., das. 1842). Ein tiefer Schmerz traf ihn 1834 durch den Verlust seines Sohnes Wilibald, eines blühenden Knaben von 9 Jahren, der in den Fluten des Rheins ertrank. Es war einer der ersten Regierungsakte Friedrich Wilhelms IV., Arndt wieder in sein Amt einzusetzen und ihm seine Briefe und Papiere zurückgeben zu lassen. Die Universität wählte Arndt 1841 zum Rektor. Es erschienen nun: "Versuch in vergleichenden Völkergeschichten" (2. Aufl., Leipzig 1844); "Schriften für und an seine lieben Deutschen" (das. 1845-55, 4 Bde.), eine Sammlung seiner kleinen politischen Schriften; "Rhein- und Ahrwanderungen" (Bonn 1846). 1848 ward Arndt von dem 15. rheinpreußischen Wahlbezirk in die deutsche Nationalversammlung gewählt und hier durch feierliche Huldigung der ganzen Versammlung begrüßt. Doch beschränkte sich seine Beteiligung an den Verhandlungen auf kurze, aber kräftige Reden im Sinne der konstitutionell-erbkaiserlichen Partei; er war auch Mitglied der großen Deputation, die dem König von Preußen die deutsche Kaiserkrone anbieten sollte. Am 30. Mai 1849 trat er mit der Gagernschen Partei aus der Versammlung aus und zog sich wieder in die Stille seines akademischen Lebens zurück. Aber den Glauben an eine bessere Zukunft Deutschlands verlor er nicht; dieser Glaube leuchtete aus seinen "Blättern der Erinnerung, meistens um und aus der Paulskirche in Frankfurt" (Leipzig 1849), der letzten größeren poetischen Gabe von ihm, sowie aus seinem "Mahnruf an alle deutschen Gauen in betreff der schleswig-holsteinischen Sache" (1854), dem Büchlein "Pro populo germanico" (Berlin 1854), der anmutigen "Blütenlese aus Altem und Neuem" (Leipzig 1857) und der Schrift "Meine Wanderungen und Wandelungen mit dem Reichsfreiherrn H. K. Fr. vom Stein" (Berlin 1858, 3. Aufl. 1870). Wegen einer angeblich den General Wrede und das bayrische Militär beleidigenden Stelle in letzterem Werk ward Arndt vor das Schwurgericht in Zweibrücken geladen und, da er nicht erschien, in contumaciam zu Gefängnisstrafe verurteilt. Noch völlig rüstig, feierte er unter allgemeiner Teilnahme 1859 seinen 90. Geburtstag. Arndt war kein Genie, kein großer Dichter und Gelehrter, auch kein großer Staatsmann, aber voll Begeisterung für die erhabensten Interessen der Menschheit und voll edelster Hingebung für die Sache des Volkes, ein mannhafter Charakter, der noch als Greis den Idealen seiner Jugend mit Jünglingsfeuer anhing. Wie er durch seine Schriften und Lieder die Befreiung Deutschlands von der Fremdherrschaft höchst wirksam unterstützt hatte, so suchte er in der Zeit der Reaktion das Verlangen und Streben des Volkes nach dem großen Ziel der nationalen Einheit furchtlos und mit Feuereifer aufrecht zu erhalten, "wie ein altes gutes deutsches Gewissen" die Verzagenden stärkend, die Schwankenden in der Treue befestigend, die Feinde des Rechten und Guten mit der Wucht seines heiligen Zornes niederschmetternd. Daher blieb er, obgleich die Zeit viele seiner Ansichten überflügelt hatte, gleichsam das Banner, um das auch die jüngeren Generationen der Vaterlandsfreunde sich scharten. Sein Inneres und Äußeres spiegelte in seltener Reinheit die Eigenschaften, die den deutschen Mann zieren: eine feste, energische Gestalt, ein reiches, poetisch gestimmtes Gemüt, sittlichen Ernst und Strenge, heiße Liebe zu Freiheit und Vaterland. Meyers Großes Konversations-Lexikon. 6. Aufl. 1905-1909 (Digitale Bibliothek; 100) Berlin: Directmedia 2003, S. 9.652-9.661. Redigiert, gekürzt, Absätze eingefügt. — — — — —
Patrioten in Wort und Tat. Lehrer und Schüler, Professoren und Studenten im Befreiungskrieg. Ausgewählt, eingeleitet und erläutert von Helmut König. Berlin: Volk und Wissen 1963, nach S. 32.
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