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Clemens Brentano:
Die Chronik des fahrenden Schülers

Historistisches Buchdesign
mit Illustrationen von Eduard von Steinle


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Da waren sie [Medard von Landau und Hans Eckstein] willig und erzählten wie ihre Eltern schon in Feindschaft gelebt hätten, eines gemeinschaftlichen Werkes wegen, und sei der Zorn leider mit ihnen in's Grab gegangen; und nun wären auch sie lang unfreund gewesen und hätten sich zu schaden gesucht. Medard sehe des Ecksteins Schwester nicht ungern, habe sich aber Gewalt angethan und auf sie geschimpft; da habe ihm Hans vorgeworfen, daß er von ungerechtem Gute lebe, denn sein Vater habe den seinen betrogen; darauf seien sie so im Zorn erblindet, daß sie sich zugesagt, vorgestern im Blobsheimer Wald, wo sie Holz fällen sollten, gegeneinander zu stehn und ritterlich mit ihren Äxten auf Tod und Leben zu fechten, hätten sich auch aufgesucht, seien aber nicht gleich aufeinander gestoßen und dadurch noch erbitterter geworden.

Als sie so weit gesprochen, wollte ihre Rede nicht mehr recht fort und schauten sie mich an. Da dies Herr Veltlin merkte, bat er mich weiter zu sprechen, und ich erzählte also: "Als ich im Blobsheimer Wald, wo er sich endet, unter einer Eiche lag, zu ruhen und zu beten, und darüber entschlafen war, erweckte mich ein heftiges Reden, worüber ich erschrocken auffuhr. Da erblickte ich zwei Männer mit geschürzten Aermeln, Jeglicher eine Axt in der Rechten, zornig sich einander gegenüberstehend. Ich sprang zwischen sie und suchte sie mit freundlichen Worten auseinander zu bringen, nicht ohne große Gefahr meines Lebens; denn sie waren gar zornig, und wie ich mir so alle Mühe gab und Pauli Worte anführte: >Die Sonne soll nicht untergehen über Euren Zorn<, da hat Gott meine Worte gesegnet und ihnen eine große Gewalt gegeben; auch hörten wir die Abendglocke von Eschau gar friedlich läuten; da sprach ich ihnen zu, darauf zu hören, und flehte sie an, das Friedensglöcklein zu ehren und sich zu verzeihen um des Herrn Jesus willen, der uns Allen verzeihen möchte. Der Friede kam nun über sie; sie boten sich die Hände und wollte mir Medard von Landau ein Stück Geld geben; ich nahms aber nicht und bat ihn, es den Armen zu geben; denn ich fühlte mich gar reich zur Stunde und hatte doch keinen Heller." – Da fuhr Hans fort: "Dieser Sühne zum Gedächtniß hat Medard sich verlobt, den Glockenstuhl [am Straßburger Münster] zu machen, und ich will ihm getreulich helfen zum ewigen Gedächtniß des Friedens, der mit den Glocken über uns gekommen ist." Da fiel Medardus ein: "Eckstein, sprich recht, deine Schwester Anna hat uns dazu beredet; da ich sie um Verzeihung meiner Schmährede bat, und versprach dabei, wenn die Glocke zum erstenmale läute, wolle sie mir die Hand am Altar geben."


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