goethe


Freund Heins Erscheinungen


Berthold Schwarz

Aus welcher Wolke quillt dir ein Feuerstrohm,
ist deiner Tempel Rauchaltar, heilig Rom,
ein Aetna worden? Welche hellen
Flammen beleuchten geweihte Zellen?
   
Jenseits der Alpen, von dem Teutonier,
über Gebürge strahlet der Blitz daher,
gleich einem Nordlicht, glänzt hinüber
zu dem Gestade der fernen Tiber.
   
Der Donnerwagen, vormals ein Eigenthum
des Erderschüttrers, immer der Stolz und Ruhm
des Aethers, rollt in Klostergängen,
zwischen andächtigen Mönchsgesängen.
   
Die Völker staunen ein neues Wunder an:
wer ist der Heilge, der des Propheten Bahn,
mit kühnem Flug, so unverdrossen
folgt, auf beflügelten Feuerrossen?
   
Im grauen Nebel, mitten durch Rauch und Dampf,
schwingt er sich aufwärts, kämpft nicht des Todeskampf,
und seines Leibes irdne Habe
raubt der elektrische Strahl dem Grabe.
   
Dennoch umglänzt kein Heilgenschein feyerlich
den Aufgefahrnen, rüstet kein Pilger sich
zur Wallfarth ihm; auch Litaneyen
ehren ihn nicht, oder Tempelweihen.
   
Der Himmel zürnet, daß ihm ein Sterblicher
den Donner raubet, mißgönnt dem Märtyrer
der neuen Schöpfung, daß die Krone
ihn im Triumphe der Auffahrt lohne.
   
Ists Heldenglaube und nicht Vermessenheit,
was dir zum raschen Sphärenflug Schwingen leiht,
du Hingerükter, warum deken
ängstlich dein Angesicht bleiche Schreken?
   
Kein Wagstük bleibet Sterblichen unversucht,
bis an die Sterne reicht ihre Spähungssucht,
und ringet, auf verlegten Wegen,
dunkler Verborgenheit kühn entgegen.
   
Aus tiefem Abgrund fördert sie Erz und Stahl,
der Blutdurst feilet bald den Gewinn zur Quaal
der Menschen, schleiffet Schwerdt und Lanze,
spiegelt Verderben im Waffenglanze.
   
Des Rufes Tuba macht nun den neuen Fund
banger Zerstöhrung würgenden Siegern kund,
und Donner brüllen aus Geschossen,
furchtbar den Schaaren der Kampfgenossen.
   
Der Geist der Rache kerkert, mit Höllenwiz,
zum Untergang der Brüder, den Feuerbliz
in Erz, und gattet Todespfeile,
mit dem gewaltsamen Donnerkeile.
   
Ein schmaler Eingang führt nur ins Lebensthal,
zum Ausgang öffnen Pforten sich ohne Zahl:
des Todes Söldner und Vertraute
drängt sich voran, durch die selbsterbaute.
   
Der Myriaden trauriger Opferzug
folget ihm, die sein rollender Donner schlug;
noch immer wandelt die Kohorte
zahlloser Schatten durch Bertholds Pforte.
   
Die friedliche Wohnung, wo in der Abgeschiedenheit vom Geräusche der Welt, sittliche Einfalt, wie Layensage glaubt, neben strenger Tugend hauset, deren gedeihliche Frucht der Welt zum stillen Segen reifet, war die erste Pflegerin des unglüklichen Zunders der Verheerung, der von den Flammen der Hölle entzündet, ein Fluch der Erde worden ist.
   
Die verschwiegne Klosterzelle, verrieth der Mordlust das traurige Geheimniß, zu Vollendung menschlichen Elendes, Feuerregen auf Städte fallen zu lassen; Vesten und Bollwerk durch sulphurische Dämpfe zu zertrümmern, und die zerstöhrende Hand des Sensenträgers noch mit einer Schleuder zu bewaffnen, deren Wurfbley die grosse Erndte mehret.
   
Warum verschmähtest du das Gebot der Regel des heiligen Franziskus, die dich lehrete, in den Feyerstunden der Metten und des Chorgesanges, deinen Kontemplationsgeist zum Himmel zu erheben, in abgezogner Stille Engelgesang zu belauschen oder zu träumen, und im ekstatischen Taumel selger Visionen zu gewarten? Oder warum theiltest du nicht die geheiligte Unthätigkeit des klösterlichen Berufs, nach dem Beyspiel feister Konsorten, zwischen scheinbares Fasten und Kasteyen, und gemächliche Leibespflege?
   
Welcher unselige Drang riß dich hinweg von der Beschauung seliger Ideale, zu der vorwizigen Prüfung verborgner Wirkungen der Natur, und knüpfte eine dem Himmel geweihte Seele, durch das Band des Instinkts, so fest an die Beschauung der Körperwelt?
   
Unbedachtsamer Klausner, du wähntest nicht, daß dein Forschungsgeist über einem Basiliskeneye brütete, als du schlaffende Kräfte wirksamer Bestandtheile, unter dem Getöse des Mörsers aufwektest, und durch verwegne Mischung den Kampf der Elemente erregtest!
   
Du wußtest nicht, daß deine kühne Hand Todesköder zubereitete, den der Laurer in weiter Ferne witterte, und auf luftigen Spinnewebenfittichen herzueilte, das Meisterstük der Mordkunst zu prüfen, und den Künstler mit der verdienten Prämie zu belohnen.
   
Ungesehen trat er in die von Kohlenstaub geschwärzte Werkstatt, und sprach tükisch lächelnd mit unhörbaren Worten: Dank dir, Bruder Langrok, daß du mir versöhnt hast die geschorne Brüderschaft zu Salerno, die mich weiland mit dem Bann schlug. (x) Aus der frommen Halle der Klausur, träufte Balsam des Lebens und Heilkraft dem Siechen, daß er dem Grabe entrann, und Hohn sprach meinem allgewaltigen Würgepfeil; und eine Klosterhalle streuet den Saamen der Verwüstung über die Erde, und zinset mit hundertfältigem Wucher den Raub ihrer Schwester. Wohlan Gesell! laß sehen was deine Kunst vermag!
   
Mit schwerem Stössel und rüstigen Armen zerarbeitete der unbesorgte Mönch seine Masse: da schlich der Schadenfroh heran, beugte sich, und ließ unvermerkt ein Sandkorn in den Mörser fallen, welches unter der seufzenden Keule den Funken sprühete, der den entzündbaren Staub entflammte.
   
Wie Wasserfluthen, die dem hohen Damme
entschwellen, riß, mit fürchterlichem Schlag,
sich eine lichte Schwefel-Flamme,
durch gothische Gewölbe, Balken, Sparren, Dach.
Der feste Grund der mütterlichen Erde
erzitterte; der Mönche laute Schaar
verstummt' im Chor; mit schüchterner Gebehrde
floh selbst, im Meßgewand, der Priester vom Altar.
Frohlokend aber freute seines Raubes
der Würger sich, sprach mit schalkhaftem Hohn:
sieh da, die Wirkung deines mörderischen Staubes!
nimm deinen Dank; gleichwie die Arbeit, so der Lohn.

(x) Die Arzneykunst wurde in den finstern Zeiten bekanntlich nur in den Klöstern ausgeübt, die berühmte salernitanische Schule war ein medizinisch Institut, in einem Kloster.

Das Fach- und Kulturportal der Goethezeit