Emanuel von Geibel: Lieb' und LeidWie flüchtig rinnt die Stunde, Da in verschwieg'ner Glut Sich neiget Mund zu Munde, Und Herz am Herzen ruht! Der Mond hört auf zu scheinen, Kühl geht des Morgens Hauch – Kurz Lachen, langes Weinen, Das ist der Liebe Brauch. Und doch, wiewohl sie Leiden Allzeit zum Lohne gibt, Nie mag von Liebe scheiden, Wer einmal recht geliebt. Er trägt die heißen Schmerzen Viel lieber in der Brust, Als daß er nie im Herzen Von solchem Glück gewußt. |
Geibel, Emanuel von, Lyriker und Dramatiker, geb. 1815 in Lübeck, gest. 1884 ebenda. Studium in Bonn und Berlin, wo er in der "Literarischen Mittwochs-Gesellschaft" die Bekanntschaft mehrerer Dichter machte. 1838 erhielt er die Stelle eines Hauslehrers und verbrachte die folgenden zwei Jahre in Griechenland. 1852 folgte Geibel einem Ruf König Maximilian II. von Bayern auf eine hochdotierte Ehrenprofessur für deutsche Literatur und Poetik und wurde zu einer zentralen Gestalt des kgl. "Symposiums" sowie des Dichterkreises "Das Krokodil" in München. Nach dem Tod Maximilians II. 1864 löste sich der Münchner Kreis auf; Geibel kehrte schließlich nach Lübeck zurück. Er war der erfolgreichste Lyriker seiner Zeit (Gedichte, 1840, 100. Aufl. 1884); er verfaßte u.a. die Verse Der Mai ist gekommen oder Wenn sich zwei Herzen scheiden; seine Lyrik wurde in annähernd 3600 Kompositionen vertont. (Nach dem Artikel in der Deutschen Biographischen Enzyklopädie, CD-ROM-Edition.) |