goethe


Jutta Assel | Georg Jäger

Heidenröslein.
Lieder von Liebeslust und Frühlingsfreud'

 

Theodor Winkler:
Der Kuß

O wer den Kuß erfunden,
Der Liebe süßen Kuß,
Der hat es tief empfunden,
Mit schmerzlichem Verdruß,
Daß, um der Lieb' Entzücken
Ihr Hoffen, ihren Harm,
Ihr Sehnen auszudrücken,
Die Sprache viel zu arm.
 
Wie schaute der verlegen
In Liebchens Angesicht,
Als für des Herzens Regen
Er fand die Worte nicht!
Da half, sein Leid ermessend,
Ein guter Genius:
Und Lipp' auf Lippe pressend
Erfand er so den Kuß.
 
Als sich das zugetragen,
Da gab's noch kein Patent;
Drum konnt's ein jeder wagen,
Und nimmer nimmt's ein End:
Wo sich zwei Herzen finden,
Gibt's Wort-Verlegenheit,
Und drum in Küssen künden
Sich beide Lust und Leid.

 

Winkler, Karl Gottfried Theodor, unter dem Pseudonym Theodor Hell bekannter Schriftsteller, geb. 1775 zu Waldenburg im Schönburgschen, gest. 1856 in Dresden. Seit 1796 in Dresden, wo er verschiedene Stellungen am Archiv, an der Akademie der Künste und am Theater bekleidete und seit 1841 Vizedirektor des Hoftheaters war. Neben Dichtungen vor allem Übersetzungen und Bearbeitungen französischer Dramen und Opern. Redigierte 1817–43 die "Abendzeitung", das belletristische Hauptorgan der Restaurationszeit.

(Nach dem Artikel in Meyers Großem Konversations-Lexikon, 6. Aufl. 1905-09; Bd. 20, S. 674. Digitale Bibliothek 100, S. 211917.)

[Ferdinand] Riewel (geb. 1829) sc[ulpsit]. X[ylographische] A[nstalt] v[on] Gaber. August Gaber (1823-1894), "schnitt viel für illustrierte Werke nach Ludwig Richter, der ihn als seinen besten Holzschneider schätzte." Heiratete 1852 seine Schülerin Aimé Richter, Tochter Ludwig Richters.

 

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