goethe


Friedrich Bodenstedt:
Album deutscher Kunst und Dichtung.
Auswahl aus einem Prachtwerk der Gründerzeit

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Goethe: An den Mond

Füllest wieder Busch und Thal
Still mit Nebelglanz,
Lösest endlich auch einmal
Meine Seele ganz;
  Rausche, Fluß, das Thal entlang,
  Ohne Rast und Ruh,
  Rausche, flüstre meinem Sang
  Melodien zu!
  
Breitest über mein Gefild
Lindernd deinen Blick,
Wie des Freundes Auge mild
Ueber mein Geschick.
  Wenn du in der Winternacht
  Wüthend überschwillst,
  Oder um die Frühlingspracht
  Junger Knospen quillst.
  
Jeden Nachklang fühlt mein Herz
Froh- und trüber Zeit,
Wandle zwischen Freud' und Schmerz
In der Einsamkeit.
  Selig, wer sich vor der Welt
  Ohne Haß verschließt,
  Einen Freund am Busen hält
  Und mit dem genießt,
  
Fließe, fließe, lieber Fluß!
Nimmer werd' ich froh;
So verrauschte Scherz und Kuß,
Und die Treue so.
  Was, von Menschen nicht gewußt,
  Oder nicht bedacht,
  Durch das Labyrinth der Brust
  Wandelt in der Nacht.
  
Ich besaß es doch einmal,
Was so köstlich ist!
Daß man doch zu seiner Qual
Nimmer es vergißt!

 

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