Reinhard Wittmann gewidmet,
dem Freund und Kollegen
Stand: November 2005
Vorlage:
Oden von Klopstock. Zürch im August 1750. Reprint 1947. Art.Institut Orell Füssli A.-G., Zürich.
Nachwort: Am 30. Juli 1750, acht Tage nachdem Bodmer den von ihm eingeladenen Klopstockin seine väterlichen Arme geschlossen hatte, veranstalteten einige junge Zürcher zu Ehren des bewunderten Messiassängers eine vergnügliche Fahrt auf dem Zürichsee. Diese Begebenheiten begeisterten den jungendlichen Dichter zu den beiden Oden, die im August 1750 zu Zürich, bei Conrad Orell & Co., im Druck erschienen. – In Erinnerung daran sei dieser Faksimiledruck, bei Anlaß der Vergnügungsfahrt der Schweizerischen Bibliophilen-Gesellschaft auf dem besungenen Zürichsee an ihrer Jahrestagung in Zürich, 1947, ihren Teilnehmern [...] gewidmet.
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Inhalt
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Die Seefahrt der 18 jungen Leute fand am 30. Juli 1750 statt. Klopstock berichtet darüber in seinem Brief vom 1. August 1750 an Johann ChristophSchmidt (zit. nach G. Sauder, siehe unten, S. 229):
Wir fuhren Morgens um fünf Uhr auf einem der größten Schiffe des Sees aus. Der See ist unvergleichlich eben, hat grünlich helles Wasser, beide Gestadebestehen aus hohen Weingebirgen, die mit Landgütern und Lusthäusern ganzvoll besäet sind. Wo sich der See wendet, sieht man eine lange Reihe Alpen gegen sich, die recht in den Himmel hineingränzen. Ich habe noch niemals eine so durchgehend schöne Aussicht gesehen.
Nachdem wir eine Stunde gefahren waren, frühstückten wir auf einem Landgute dicht an dem See. Hier breitete sich die Gesellschaft weiter aus und lernte sich völlig kennen. D. Hirzels Frau, jung, mit vielsagenden blauen Augen, die Hallers Doris unvergleichlich wehmüthig singt, war die Herrin der Gesellschaft ...
Die faksimilierte Ausgabe enthält den Erstdruck der Ode "Der Zürchersee". Mit dem Naturerlebnis verbindet sie die Evokation eines Gruppengefühls von Befreundeten und Gleichgesinnten einer jungen Generation. Das Schemader Dritten asklepiadeischen Ode, dem das Gedicht folgt, hat Klopstock dem Text später vorangestellt.
"Die 19 Strophen unterliegen einer stimmig gegliederten Ordnung: Die erste bis dritte bilden die Exposition mit einem Lob der Landschaft und der Freude, die sie spendet; die folgenden vier Strophen (bis zur siebenten) nehmen einzelne Ansichten der Landschaft in den Blick und folgen damit auch Stationen der Bootsfahrt [...]. Die achte bis zwölfte Strophe beschreiben Liebe und Weingenuß als Quellen der immer wieder besungenen Freude; mit der dreizehnten Strophe setzt das Schlußthema ein, die Reflexion über die Unsterblichkeit, die ihrerseits in den verbleibenden Strophen auf die bisherigen Leitmotive – Freundschaft, Liebe, Poesie – zurückbezogen wird." (Peter-André Alt: Aufklärung. Lehrbuch Germanistik. Stuttgart, Weimar: J.B. Metzler 1996, S.156)
Zur Entstehung und Analyse des Gedichts vgl. Gerhard Sauder:Die "Freude" der "Freundschaft": Klopstocks Ode Der Zürchersee. In: Gedichte und Interpretationen, Bd. 2: Aufklärung und Sturm und Drang. Hg. von Karl Richter. (Universal-Bibliothek Nr. 7891) Stuttgart:Reclam 1983, S. 228-239, mit Literaturhinweisen.
Ode an Herrn Bodmer
3. Strophe. Addison: Joseph Addison, engl. Dichter, Gelehrter und Staatsmann, geb. 1672 zu Milston in Wiltshire, gest. 1719 in Holland House. Bedeutenden Anteil nahm er an dem von seinem Jugendfreund R. Steele herausgegebenen "Tatler" ("Der Plauderer"), der ersten moralischen Wochenschrift, noch mehr an dem "Spectator", den er hauptsächlich schrieb. (Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Aufl. 1905-09; Bd. 1, S. 98; Digitale Bibliothek 100), S. 1496.)
4. Strophe Rowe, Britanniens / Unschuldsvollste Bewonerinn. Später geändert in: "Singer, der Lebenden / Und der Toten Vereinerin". Elizabeth Rowe, geb. Singer (1674-1738), war bekannt durch ihre Briefe "Friendship in death".
Von der Fahrt auf der Zürcher-See
3. Strophe: "der fühlenden Sch...inn gleich". Später korrigiertin "der fühlenden Fanny gleich". Als Fanny ging Klopstocks Kusine MariaSophia Schmidt in sein Werk ein.
4. Strophe. Uto: Ütliberg, Gipfel des Albis bei Zürich.
6. Strophe (>Literaturstrophe<). Hallers Doris: Gemeint ist die Ode "Doris" von Albrecht von Haller, Botaniker, Anatom, Physiolog,Arzt und Dichter, geb. 1708 in Bern, gest. daselbst 1777. — Hirzels Daphne: Hans Kaspar Hirzel, philosophischer Schriftsteller, geb.1725 in Zürich, gest. 1803, war Oberstadtarzt und Mitglied des Großen Rats in Zürich, bereiste Deutschland und lernte in Berlin die damaligen Koryphäen der deutschen Literatur und in Leipzig Klopstock kennen. War mit Ewald von Kleist befreundet. Die in der Ode besungene Fahrt wurde von Hirzel initiiert.(Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Aufl. 1905-09; Bd. 9, S. 375;Digitale Bibliothek 100, S. 85317.) Auf der Fahrt trug Hirzels Frau Hallers Ode "Doris" vor. —Kleist: Ewald Christian von Kleist, Dichter, geb. 1715 auf dem väterlichen Gut Zeblin unweit Köslin in Pommern, gest. 1759 in Frankfurt a. O. Gleim weckte Kleists dichterische Begabung. Aus dem beschreibenden Gedicht "Der Frühling", 1749 für Freunde erstmals gedruckt, rezitierte Klopstock auf der Fahrt. — Gleim: Johann Wilhelm Ludwig Gleim, Dichter, geb.1719 zu Ermsleben im Halberstädtischen, gest. 1803 in Halberstadt. Protektor der Dichterjugend ("Vater Gleim"), Mittelpunkt eines Freundschaftskultes. — Hagedorn: Friedrich von Hagedorn, Dichter, geb. 1708 in Hamburg, gest. daselbst 1754. "Seine gesellschaftlichen und dichterischen Talente zogen einen durch Bildung und Heiterkeit ausgezeichneten Kreis von Freunden in seine Nähe, und so wurde er in Hamburg in allem, was zur Kunst und Poesie in Beziehung stand, der Förderer des guten Geschmacks." (Meyers Großes Konversations-Lexikon, wie oben, Bd. 8, S. 611; Digitale Bibliothek 100, S. 78217.) Hagedorns Lyrik wurde richtungsweisend durch leichten Ton und gesellige Empfindung. Aus seinen Oden rezitierte Klopstock auf der Fahrt.
7. Strophe. "die Insel": Halbinsel Au.
4. Biographische Daten zu Bodmer und Klopstock
Johann Jakob Bodmer, Historiker und Schriftsteller, geb. Greifensee (bei Zürich) 1698, gest. Gut Schönenberg (bei Zürich) 1783. Bodmer war 1725-75 Professor der schweizerischen Geschichte in Zürich, seit 1737 ebenda Mitglied des Großen Rats. Gegenüber J.C. Gottsched trat er zusammen mit J.J. Breitinger für die Berechtigung der Fantasie als poetische Grundkraft ein. Bodmer war auch der erste bedeutende Wiederentdecker der mittelalterlichen Dichtung. (Daten nach: Der Brockhaus.multimedial. 2005)
Friedrich Gottlieb Klopstock, Dichter, geb. Quedlinburg 1724, gest. Hamburg 1803. Nach pietistischer Erziehung im Elternhaus besuchte Klopstock das Gymnasium Quedlinburg und die Fürstenschule Schulpforta (1739-45). Danach studierte er Theologie in Jena (1745/46) und Leipzig (1746-48), wo er sich dem Kreis um die "Bremer Beiträge" anschloss. Darin erschienen 1748 die ersten drei Gesänge des biblischen Hexameterepos "Der Messias". 1748-50 war er Hauslehrer in Langensalza; seine Liebe zur Cousine Maria Sophia Schmidt, die als "Fanny" in sein Werk einging, blieb unerfüllt. 1750 lud ihn J.J. Bodmer nach Zürich ein, jedoch kühlte "die poetisch-pathetische Freundschaft" (Gerhard Sauder) schon nach wenigen Tagen ab. Auf Einladung des Reformers und Ministers J.H.E. Graf von Bernstorff ging Klopstock 1751 nach Kopenhagen, wo ihm der König eine Lebensrente gewährte. Klopstock wurde dort zum Mittelpunkt eines deutsch-dänischen Dichter- und Aufklärerkreises. 1759-63 Aufenthalte in Halberstadt, Braunschweig und Quedlinburg, 1764-70 war Klopstock wieder in Dänemark, danach lebte er in Hamburg. (Daten nach: Der Brockhaus. multimedial. 2005).
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