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Künstler- und Denkerenzyklopädie

Adelbert von Chamisso
(1781 - 1838)

 

 

Kurzbiographie zu Adelbert von Chamisso

Adelbert von Chamisso (*30. Januar 1781 auf Schloss Boncourt bei Châlons-en-Champagne, Frankreich – †21. August 1838 in Berlin), ursprünglich Louis Charles Adélaïde de Chamissot, Sohn des Grafen Louis Marie de Chamissot (†1806), musste, wie viele Adelige, vor den Französischen Revolutionsheeren 1792 mit seinen Eltern aus Frankreich fliehen. Nach Stationen in den Niederlanden und Süddeutschland ließ sich die Familie 1796 in Berlin nieder, wo Chamisso das von Hugenotten 1689 gegründete „Collège Français de Berlin“ besuchte. Im gleichen Jahr wurde er als Page am Königshof bei Luise Friederike von Preußen (1767-1820) angenommen. Von 1798 bis 1807 schlug er eine Offizierslaufbahn im preußischen Heer ein, wo er – knapp zwanzigjährig – zum Lieutenant avancierte. Doch das Kriegshandwerk sollte nicht zu seiner Berufung werden. Während der deutschen Befreiungskriege war es dem gebürtigen Franzosen bei Todesstrafe verboten, gegen die napoleonischen Truppen zu fechten und für den verdienten preußischen Offizier war es schmerzlich, sich antifranzösischen Ressentiments ausgesetzt zu sehen. Der Nachkomme des alten Adelsgeschlechtes der Comtes de Chamissot tauschte das Schwert gegen die Leier ein und besiegelte eine neue Identität als Dichter mit dem Namen „Adelbert von Chamisso“. Seit 1804 gab er den „Musenalmanach“ mit den Freunden des romantischen Dichterkreises „Nordsternbund“ (zu dem Julius Eduard Hitzig, Friedrich de la Motte-Fouqué, Karl August Varnhagen von Ense, Friedrich Wilhelm Neumann, David Ferdinand Koreff, August Ferdinand Bernhardi, Franz Theremin und Heinrich Julius Klaproth zählten) heraus, in dem auch seine ersten Gedichte erschienen. Zwischen 1810 bis 1813 hielt Chamisso sich in Frankreich und in der Schweiz auf, wo er als Gast am Genfer See im Hause Mme. de Staëls (1766-1817) – eine Bekanntschaft, die ihm August Wilhelm Schlegel (1767-1845) während eines Aufenthaltes in Paris vermittelt hatte, sich mit Botanik zu beschäftigen begann. Zurückgekehrt nach Berlin war Chamisso in den Künstlerassemblées und literarischen Salons ein gern gesehener Gast; so im Kreis der Serapionsbrüder um E. T. A. Hoffmann (1776-1822), der mit seiner Erzählung „Die Abenteuer der Silvesternacht“ (1814) eine Replik auf Chamissos „Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte“ (1814) schuf. Dieses Werk der Weltliteratur, das in alle Kultursprachen übersetzt wurde, ermuntert die Literaturwissenschaft ungebrochen zu klugen, originellen, aber auch aberwitzigen Interpretationen. 1815 bis 1818 nahm Chamisso als Titulargelehrter an der Weltumseglung der Rurik-Expedition teil, die von Otto von Kotzebue (1788-1846), Sohn des Dichters August von Kotzebue (1761-1819), geleitet wurde. Chamisso kartografierte große Teile der Küste von Alaska, katalogisierte ihre Flora (nach ihm wurden dort die neu entdeckten Chamisso-Inseln benannt), beschrieb die Lebensgewohnheiten der Eskimos und Aleuten, erforschte im Pazifik Polynesien und Hawaii, wo er mit den Insulanern Goethe-Lieder sang. Die erste Grammatik der hawaiianischen Sprache „Ueber die Hawai’sche Sprache“ (1837) belegt Chamissos Rang auch als sprachwissenschaftlicher Pionier. Mit den aus der Entdeckungs-Expedition gewonnenen Eindrücken und Erkenntnissen „Reise um die Welt“ (1836) schuf der Dichter, Kulturkritiker und Forscher ein Meisterwerk der Reiseliteratur. Nach seiner Rückkehr nach Berlin war Chamisso zunächst als Assistent und später als Leiter des Herbariums am Botanischen Garten in Berlin tätig. Seine Lyrik, der er sich als Naturwissenschaftler weiterhin zuwandte, umfasst ein weites Repertoire an Themen und Stimmungen. Die Variationsskala reicht von humorvoll, ironisch, satirisch, elegant bis volkstümlich; die vielfach vertonte Gedichtsammlung „Frauenliebe und -leben“ (1830) ist besonders Musikliebhabern bekannt. Phantastische Sujets meistert er ebenso wie er politische und soziale Missstände anspricht (z.B. „Der Bettler und sein Hund“, 1831). Formal empfing Chamisso wichtige Anregungen durch die italienische Lyrik. Seine Beherrschung der Terzine („Salas y Gomez“, 1829) – die Strophenform, die Dante eingeführt hat und die von Petrarca und Boccaccio gepflegt wurde – wird allgemein bewundert. Ebenso wie auch andere Dichter Europas ließ sich Chamisso von Alessandro Manzoni (1785-1873) inspirieren („Der Tod Napoleons“, 1828). Trotz dieser Einflüsse hat der Italientopos in Chamissos Dichtung lediglich eine marginale Bedeutung inne. Die antiklerikale Ballade „Vetter Anselmo“ (1832) oder sein Gedicht „Francesco Francias Tod“ (1834) auf den berühmten Renaissance-Maler, Goldschmied und Bildhauer bilden eine Ausnahme. Chamissos Werk hat eine eindringliche Faszination auf Künstler wie Robert Schumann (1810-1856), Ludwig Thoma (1867-1921) oder Ernst-Ludwig Kirchner (1880-1938) ausgeübt.

Yvonne-Patricia Alefeld

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