Jutta Assel und Georg Jäger: »Goethe-Motive auf Postkarten« - Mignon-Serien Folge III. Eine Art-déco Mignon-Fotoserie. Versuch einer Beschreibung
Die Bromsilber-Abzüge zu diese Serie von "Mignon"-Fotopostkarten aus den späten 1920er Jahren wurden als sog. "Kilometerfotografien" auf zyklamtonig gefärbtem Papier industriell hergestellt. Sie wurden mittels Schablonen sowie von Hand koloriert, wobei bei gleichbleibender Kulisse, Requisit und Kostüm des "Mignon"-Modells Farbe und Musterung des letzteren stark variieren. Dadurch geht der einheitliche Rollencharakter dieser berühmten literarischen Gestalt aus Goethes "Wilhelm Meister" verloren, d.h. die Serie löst sich in unterschiedlich gefärbte Einzeldarstellungen auf. Hierauf zielt auch das sehr schlichte, fantasielose Atelierarrangement des fotografierenden "Regisseurs" der Szenenfolge: Als Hintergrund wählte er eine beliebige gemalte Naturkulisse mit Bäumen und Wasser aus dem Atelier-Fundus, davor stellte er als Requisit ein Stück der beliebten Atelier-Balustrade, umrankt mit Kunstblumen, sowie einige Blüten, die zu Füßen des Modells liegen. Der "Mignon"-Darstellerin wurde nur äußerst wenig Bewegungsspielraum zugestanden - wahrscheinlich der hierdurch schneller (und damit billiger) zu bedienenden "festen" Kamera auf dem Stativ und der gleichfalls statischen Beleuchtungskörper wegen. Das Modell posiert quasi als lebendes Standbild, es bewegt sich sanft auf der Stelle, dreht Kopf und Oberkörper, blickt träumerisch-wehmütig, variiert seine Beinstellung - immer auf stilvolle Wirkung bedacht. Goethes Fantasiegestalt, das zauberhafte wilde Kind Mignon, das von Zigeunern aufgezogen, koboldhaft beweglich, von südländischem Temperament ist, kann als Gegentyp dieser zeittypisch puppenhaft geschminkten, statischen Art-déco-Schönen mit Bubikopf unter dem Tuch statt dunkler Mähne und gepflegt zigeunerischem Hüfttuch-Outfit gesehen werden.
Zur Mignon-Serie Folge III
Zur Mignon-Serie Folge II
Zur Mignon-Serie Folge I
Zur Mignon-Serie: Reta Walter als Mignon