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Intermedialität und Synästhesie in der Literatur der Romantik

„Romantisches“ Bewusstsein – das (früh-)romantische Konzept

Der von dem Kantschüler Johann Gottlieb Fichte (1762-1814) seit 1794 an der Universität von Jena gelehrte subjektive Idealismus beeinflusste Vertreter der Frühromantik wie etwa August Wilhelm und Friedrich Schlegel oder Novalis. Fichtes Idee von der „Unabhängigkeit des Bewusstseins“ stieß bei ihnen auf großes Interesse. Ausgehend vom allgemeinen Bewusstsein machte Fichte in seiner „Wissenschaftslehre“ (1794-1795) das „absolute Ich“ zum Bestimmenden allen Seins. Demnach setzt das Ich zum einen sich selbst und zum anderen das Nicht-Ich, wodurch, in gegenseitiger Beschränkung von Ich und Nicht-Ich, die Welt als Erscheinung entsteht. Diese beruht also nicht auf dem äußeren Ding an sich, sondern wird durch das Ich in Prozessen der Konstruktion und Interpretation geschaffen, „durch die sich selbst setzende und beschränkende Einbildungskraft.“ (Rothmann 1985, S. 135)

Aus Fichtes Anschauung ergeben sich folglich zwei für die Romantiker wesentliche Punkte: die Unabhängigkeit des Bewusstseins, das heißt die selbsttätige Konstruktion der Erscheinung der Welt, und die Unabdingbarkeit einer regen Einbildungskraft als „Motor“ des Bewusstseins.

Die in Jena ansässigen Frühromantiker postulierten nun die Überlegenheit des Geistes, der Phantasie, gegenüber der Wirklichkeit und huldigen der poetischen Schöpferkraft, die das gesamte Leben prägen sollte.

Friedrich Schlegel beschrieb 1798 im 116. Athenäum-Fragment die (früh-)romantische Programmatik:

Die romantische Poesie ist eine progressive Universalpoesie. Ihre Bestimmung ist nicht bloß, alle getrennten Gattungen der Poesie wieder zu vereinigen und die Poesie mit der Philosophie und Rhetorik in Berührung zu setzen. Sie will und soll auch Poesie und Prosa, Genialität und Kritik, Kunstpoesie und Naturpoesie bald mischen, bald verschmelzen, die Poesie lebendig und gesellig und das Leben und die Gesellschaft poetisch machen, den Witz poetisieren, und die Formen der Kunst mit gediegenem Bildungsstoff jeder Art anfüllen und sättigen, und durch die Schwingungen des Humors beseelt. Sie umfasst alles, was nur poetisch ist, vom größten wieder mehre Systeme in sich enthaltenden Systeme der Kunst, bis zu dem Seufzer, dem Kuss, den das dichtende Kind aushaucht in kunstlosem Gesang.

 

Novalis formuliert in seinen „Fragmenten“ (1799-1800):

Die Welt muss romantisiert werden. So findet man den ur[sprünglichen] Sinn wieder. Romantisieren ist nichts anderes als eine qualit[ative] Potenzierung. Das niedre Selbst wird mit einem bessern Selbst in dieser Operation identifiziert. [...] Indem ich dem Gemeinen einen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehn, dem Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein gebe, so romantisiere ich es – Umgekehrt ist die Operation für das Höhere, Unbekannte, Mystische, Unendliche – [...] es bekommt einen geläufigen Ausdruck. Romantische Philosophie. Lingua romana. Wechselerhöhung und Erniedrigung.

(zu den Ausführungen vgl. Rothmann 1985, S. 135f)

 

Die Romantiker fordern eine allumfassende und progressive, also immer im werden begriffene Universalpoesie, die Überschreitung der Grenzen, die Erweiterung des Bewusstseins. Die universale Poesie soll Vermittlerin sein zwischen Außenwelt und Bewusstsein und „hebt die Grenzen auf zwischen Glauben und Wissen, Wissen und Kunst, Kunst und Religion. Sie betont die Wechselbeziehungen aller Künste und strebt das Gesamtkunstwerk an. Das bedeutet im Großen die von Schlegel geforderte Vermischung aller Gattungen und im Kleinen die Synästhesie.“ (Rothmann 1985, S. 137)

Literarisch umgesetzt wird diese Programmatik beispielsweise in Wilhelm Heinrich Wackenroders „Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders“ (1796).

Zur Musik in der Romantik

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Natalia Igl: „Romantisches“ Bewusstsein – das (früh-)romantische Konzept. 27.01.2003.

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