Das "Freiligrath-Haus" in Soest erhielt diesen Namen, weil Freiligrath hier bei seinem Onkel von 1825 bis 1832 das kaufmännische Gewerbe erlernte. Oben links: Soest. Freiligrath-Haus. Adressseite, Signet: Hermann Lorch Kunstanstalt Dortmund, in Palette eingeschrieben. Nr. 35763. Nicht gelaufen. ***** Nach dem Tod des Vaters nahm Freiligrath 1832 eine Kontoristenstelle in Amsterdam an; 1837 wurde er Buchhalter in Barmen. Er verkehrte mit zahlreichen rheinischen Schriftstellern (u.a. Karl Immermann, Gottfried Kinkel, Simrock, Matzerath, Wolfgang Müller). Einer Aufforderung Cottas folgend veröffentlichte er 1838 eine erste Sammlung seiner Gedichte; der außergewöhnliche Erfolg veranlasste ihn, 1839 seine Barmer Stelle zu kündigen und als freier Schriftsteller zu leben. Er zog nach Unkel / Rhein und führte ein 'Künstlerleben'. In dieser Zeit begann er sich vermehrt aktuell-politischen Themen zuzuwenden, ab 1844 trat er literarisch für die Opposition ein. Er verzichtete auf die Pension des Königs und auf eine mögliche Anstellung am Hof von Weimar; da er sich in Deutschland nicht mehr sicher fühlte, emigrierte er nach Ostende und Brüssel, wo er mit Karl Marx Bekanntschaft schloss. 1845 siedelte er in die Schweiz über und nahm in Rapperswil und Zürich mit anderen deutschen Emigranten Kontakt auf. Aus finanziellen Gründen nahm er wieder eine kaufmännische Stellung an - als Korrespondent in London. 1848 kehrte er nach Deutschland zurück; wegen des offenen Appells zum Umsturz wurde er verhaftet, aber bald wieder freigesprochen und auf Einladung von Marx in die Redaktion der »Neuen Rheinischen Zeitung« in Köln aufgenommen. Nach dem Verbot des kommunistischen Blattes 1849 und nach wechselnden Aufenthalten in Köln und Düsseldorf, steckbrieflich gesucht wegen neuer Gedichtbände, ging er 1851 wieder als kaufmännischer Angestellter nach London; 1856 wurde er dort Filialleiter der Schweizer Generalbank. 1865 wurde die Bankfiliale geschlossen, Freiligrath war wieder stellungslos. 1867 riefen seine deutschen Freunde in der »Gartenlaube« zu einer Dotation auf, die fast 60.000 Taler einbrachte; dies ermöglichte ihm, nach Deutschland zurückzukehren (inzwischen war eine allgemeine Amnestie für politische Vergehen erlassen worden) und sich hier ganz der Dichtung zu widmen. Er ließ sich in Stuttgart nieder, 1874 zog er nach Cannstatt, wo er verstarb. Quelle: ***** 2. Ferdinand Freiligrath
|
Ob Armut euer Los auch sei, hebt hoch die Stirn, trotz alledem! Geht kühn dem feigen Knecht vorbei; wagt's arm zu sein, trotz alledem! Trotz alledem und alledem, trotz niederm Plack und alledem, der Rang ist das Gepräge nur, der Mann das Gold trotz alledem! Und sitzt ihr auch beim kargen Mahl in Zwilch und Lein und alledem, gönnt Schurken Samt und Goldpokal – ein Mann ist Mann trotz alledem! Trotz alledem und alledem, trotz Prunk und Pracht und alledem! Der brave Mann, wie dürftig auch, ist König doch trotz alledem! Heißt »Gnäd'ger Herr« das Bürschchen dort, man sieht's am Stolz und alledem; doch lenkt auch Hunderte sein Wort, 's ist nur ein Tropf trotz alledem! Trotz alledem und alledem, trotz Band und Stern und alledem! Der Mann von unabhängigem Sinn sieht zu, und lacht zu alledem! Ein Fürst macht Ritter, wenn er spricht, mit Sporn und Schild und alledem: den braven Mann kreiert er nicht, der steht zu hoch trotz alledem: Trotz alledem und alledem! Trotz Würdenschnack und alledem – Des innern Wertes stolz Gefühl Läuft doch den Rang ab alledem! Drum jeder fleh, daß es gescheh, wie es geschieht trotz alledem, daß Wert und Kern, so nah wie fern, den Sieg erringt trotz alledem! Trotz alledem und alledem, es kommt dazu trotz alledem, daß rings der Mensch die Bruderhand dem Menschen reicht trotz alledem! |
---|
*****
Die Freiheit! Das Recht!
(St. Goar, Dezember 1843)
O, glaubt nicht, sie ruhe fortan bei den Toten, o, glaubt nicht, sie meide fortan dies Geschlecht, weil mutigen Sprechern das Wort man verboten und Nichtdelatoren verweigert das Recht! Nein, ob ins Exil auch die Eidfesten schritten; ob, müde der Willkür, die endlos sie litten, sich andre im Kerker die Adern zerschnitten – doch lebt noch die Freiheit, und mit ihr das Recht! – Die Freiheit! Das Recht! Nicht mach uns die einzelne Schlappe verlegen! Die fördert die Siege des Ganzen erst recht; die wirkt, daß wir doppelt uns rühren und regen, noch lauter es rufen: die Freiheit! das Recht! Denn ewig sind eins diese heiligen Zweie! Sie halten zusammen in Trutz und in Treue; wo das Recht ist, da wohnen von selber schon Freie, und immer, wo Freie sind, waltet das Recht! – Die Freiheit! Das Recht! Und auch das sei ein Trost uns: nie flogen, wie heuer, die freudigen zwei von Gefecht zu Gefecht! Nie flutete voller ihr Odem und freier, durch die Seele selbst brausend dem niedrigsten Knecht! Sie machen die Runde der Welt und der Lande, sie wecken und werben von Strande zu Strande, schon sprengten sie kühn des Leibeigenen Bande, und sagten zu denen des Negers: Zerbrecht! – Die Freiheit! Das Recht! Ja, ihr Banner entflattert und weht allerorten, daß die Unbill gesühnt sei, die Schande gerächt! Ja, und siegen sie hier nicht, so siegen sie dorten, und am Ende doch siegen sie gründlich und echt! O Gott, welch ein Kranz wird sie glorreich dann zieren! All' die Läuber, die Völker im Fahnentuch führen! Die Olive des Griechen, das Kleeblatt des Iren, und vor allem germanisches Eichengeflecht! – Die Freiheit! das Recht! Wohl ruhn dann schon manche, die jetzo noch leiden – doch ihr Schlummer ist süß, und ihr Ruhn ist gerecht! Und licht an den Gräbern stehen die beiden, die wir ihnen auch danken – die Freiheit! das Recht! Unterdes hebt die Gläser! Ihr Wohl, die da stritten! Die da stritten, und mutig ins Elend drum schritten! Die das Recht uns verfochten, und Unrecht drum litten! Hoch ewig das Recht – und die Freiheit durchs Recht! – Die Freiheit durchs Recht! |
---|
*****
Oben: Gruss vom Rhein. Assmannshausen, "Dichter- u. Künstlerheim zur Krone" mit Freiligrathbüste. Adressseite: Signet: Kleeblatt mit C vd B. Carl v. d. Boogaart, Wiesbaden. No. 1185. Nicht gelaufen. Adressseite ungeteilt.
Unten: Assmannshausen a. Rhein. "Hotel Krone". Adressseite: F. & K., E. Rhein. Kunstdruckerei Fischer & Krämer G.m.b.H. Eltville. Filiale Brüssel. Gelaufen. Poststempel unleserlich.
*****
Freiligrath-Büste im Gasthof "Zur Krone"
Die von Cauer geschaffene Freiligrathbüste im Mansardengiebel der Krone wurde am 19. Mai 1894, dem Gedenktag der Volledung des "Bekenntnisses" in der Krone, geweiht. Emil Rittershaus hielt die Weihrede in Versen. Quelle: Die Krone am Rhein, ca. 1933, S.10-18.
Foto: Jörg Nunnenmacher.
Inschrift: Zum Andenken an den Freiheitsdichter Ferdinand Freiligrath, der in diesem Hause im Mai 1844 sein politisches Glaubensbekenntnis vollendete.
Zu Assmannshausen und der "Krone" siehe die Seite im Goethezeitportal:
http://www.goethezeitportal.de/index.php?id=6907
*****
Vorläufig zum Schluss
(Aßmannshausen, Mai 1844)
Zu Aßmannshausen in der Kron, wo mancher Durst'ge schon gezecht, da macht ich gegen eine Kron dies Büchlein für den Druck zurecht! Ich schrieb es ab bei Rebenschein, Weinlaub ums Haus und saft'ge Reiser; drum, wollt ihr rechte Täufer sein, tauft's: Vierundvierz'ger Aßmannshäuser! |
---|
"Das Büchlein schlug ein wie eine Bombe. Die Auflage von 8000 Exemplaren war trotz der Verbote noch im selben Jahre vergriffen, obschon z.B. im Großherzogtum Hessen jeder Buchhändler, der sich erwischen ließ, ein Exemplar verkauft zu haben, mit zehn Gulden bestraft wurde. Der Dichter selbst schrieb darüber am 9. November 1844 an Wilh. Ganzhorn aus Brüssel: "Ich bin mit dem Erfolge des Buches und dessen, was daran hängt, vollkommen zufrieden: die reaktionäre Presse schreit sich heiser dagegen, die Regierungen verbieten es, Preußen will mich bei etwaiger Rückkehr fangen und mir wegen Majestätsbeleidigung den Prozeß machen lassen - aber die ehrlichen Leute drücken mir die Hand, die Bestellungen auf das Buch (trotz der Verbote!) können kaum befriedigt werden, und in meiner Brust ist eine Ruhe und eine Heiterkeit eingezogen, wie ich sie früher in dieser Weise nicht kannte." (Hölscher: Das Buch vom Rhein, S. 244.; über die Zensur siehe Roessler / Hufnagel: 1844er Assmannshäuser, S. 160 ff.)
*****
Oben: Zu Aßmannshausen in der "Kron" [Gedicht wie oben]. Mai 1844. Ferd. Freiligrath. Gruss aus dem Dichter- und Künstlerheim zur Krone. Adressseite: Wilh. Fülle, G.m.b.H., Barmen. No. 33858-59. Stempel: Joseph Hufnagel. Weingutbesitzer. Assmannshausen a.Rh. Nicht gelaufen.
Mitte: Assmannshausen a. Rhein. Gruss aus dem Dichter- und Künstlerheim zur "Krone". Assmannshausen. Freiligrathzimmer. Adressseite: W. Fülle G.m.b.H., Barmen. Nr. 47102/103. Gelaufen. Poststempel unleserlich.
Unten: Assmannshausen a. Rhein. Gasthof Krone, Freiligrathzimmer. Adressseite: Wilh. Fülle, Barmen. Nr. 53660/61. Nicht gelaufen.
*****
Vom Niederwalde kam in's Thal Der Duft des Laubs geflossen; Es war der Strom vom Mondenstrahl Mit Silber übergossen. Nicht zog vorbei mehr auf der Fluth Der Dampfer Schaar mit Brausen ─ In solcher Stunde zecht sich gut Mit Wein von Aßmannshausen! Hei, wie man doch den Becher schwang Mit funkelndem Rubine! Des edlen Weines Spender sang Ein Lied zur Mandoline. Wir saßen an des Rheines Bord In heit'rer Tafelrunde, Doch fand auch Raum ein ernstes Wort In jener trauten Stunde. Wir sprachen von der alten Zeit, Da hier geweilt ein Sänger, Der eintrat in des Tages Streit, Ein Stürmer und ein Dränger, Der Wort gelieh'n der Männer Zorn, Zum Volkstribun erlesen, Und der auch stets in Schrot und Korn Ein deutscher Mann gewesen! Sein Wohl! Und als das Hoch erklang, Da fing in grünen Blättern Die Nachtigall am Bergeshang, Hell an ihr Lied zu schmettern, Und aus den Wellen tönte sacht Ein Flüstern, Murmeln, Brausen ─ Das war in einer schönen Nacht Beim Wein zu Aßmannshausen. |
---|
Quelle:
Am Rhein und beim Wein. Gedichte von Emil Rittershaus. Leipzig: Ernst Keil's Nachfolger 1884, S. 61f.
*****
Literaturhinweise
* Das Rheintal von Bingen und Rüdesheim bis Koblenz. Eine europäische Kulturlandschaft. 2 Bde. Hrsg. vom Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz. Mainz: Philipp von Zabern 2001. ISBN 3-8053-2753-6. Darin: Abschied von der Romantik - Ferdinand Freiligrath am Mittelrhein, S. 385-386. Assmannshausen, S. 809.
* Georg Hölscher: Das Buch vom Rhein. 2. Aufl. Köln: Hoursch & Bechstedt 1925. Hier S. 243f.
* Die Krone am Rhein. Ein Dichter- u. Künstlerheim zu Aßmannshausen. Ein Gedenkbuch [Aßmannshausen: Gasthaus "Zur Krone" ca. [1933].
* Die "Krone" von Assmannshausen. Bearbeitet von Sofie Charlotte Bauer. Mainz: Philipp von Zabern [1981]. ISBN 3-8053-0545-1
* Hans Dieter Schreeb: Die Krone am Rhein. Geschichte und Geschichten eines weltberühmten Hotels. 2. Aufl. Innsbruck: Edition Koch 2008. ISBN 978-3-85445-503-5
* Freiligraths Werke in einem Band. Ausgewählt und eingeleitet von Werner Ilberg (Bibliothek deutscher Klassiker) Berlin und Weimar: Aufbau-Verlag 1967. - Nach dieser Ausgabe werden die Gedichte zitiert.
* Moriz Carriere: Eintrag "Freiligrath" in der ADB (Bd. 7, 1878, S. 343-347)
https://de.wikisource.org/wiki/ADB:Freiligrath,_Ferdinand
* Kurt Roessler, Irene Hufnagel: 1844er Assmannshäuser. Kommentarband zu "Ein Glaubensbekenntniß. Zeitgedichte" von Ferdinand Freiligrath. Mainz: Philipp von Zabern 1994. ISBN 3-8053-1687-9
Weblinks:
* Eintrag "Assmannshausen" in Wikipedia
https://de.wikipedia.org/wiki/Assmannshausen
* Eintrag "Freiligrath" in Wikipedia
https://de.wikipedia.org/wiki/Ferdinand_Freiligrath
* Ansgar S. Klein: Ferdinand Freiligrath, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen am 15.01.2020 unter:
http://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/ferdinand-freiligrath/DE-2086/lido/57c6bf3887a909.06971757
*****
Alle Bildvorlagen entstammen, sofern nicht anders vermerkt, einer privaten Sammlung. Soweit es Rechte des Goethezeitportals betrifft, gilt: Die private Nutzung und die nichtkommerzielle Nutzung zu bildenden, künstlerischen, kulturellen und wissenschaftlichen Zwecken ist gestattet, sofern Quelle (Goethezeitportal) und URL (http://www.goethezeitportal.de/index.php?id=6932) angegeben werden. Die kommerzielle Nutzung oder die Nutzung im Zusammenhang kommerzieller Zwecke (z.B. zur Illustration oder Werbung) ist nur mit ausdrücklicher schriftlicher Genehmigung der Verfasser gestattet.
Dem Goethezeitportal ist kein Urheberrechtsinhaber bekannt; ggf. bitten wir um Nachricht.
Für urheberrechtlich geschützte Bilder oder Texte, die Wikipedia entnommen sind, gilt abweichend von obiger Regelung die Creative Commons-Lizenz:
http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de
Kontaktanschrift:
Prof. Dr. Georg Jäger
Ludwig-Maximilians-Universität München
Institut für Deutsche Philologie
Schellingstr. 3
80799 München
E-Mail: georg.jaeger07@googlemail.com
*****
Das Fach- und Kulturportal der Goethezeit | Copyright © 2002-2024 Goethezeitportal :: KunstundKultur.org - Ihr Portal für Wissenschafts- und Kulturmarketing |