goethe


Jutta Assel | Georg Jäger

Die Geschichte des Reineke Fuchs
für Kinder bearbeitet.

Illustriert von Eduard Ille


"Wenn heut' man List und Falschheit schilt, / Ist Reineke, der Fuchs, ihr Bild." Das Epos vom schlauen Fuchs, das ins Mittelalter zurück reicht, wurde in der Goethezeit und im 19. Jahrhundert mehrfach bearbeitet, darunter mit großem Erfolg auch von Goethe. Im Münchner Verlag von Braun & Schneider, einem führenden Verlag besonders für populäre Druckgraphik, erschien eine Bearbeitung für Kinder 1872/73  in drei "Münchener Bilderbogen" sowie in Zweitverwertung als "Münchener Bilderbuch", illustriert von Eduard Ille und illuminiert durch die verlagseigene Kolorierungswerkstatt. Das Bilderbuch wird hier vollständig wiedergegeben. Eduard Ille (1823-1900) war ein führender Mitarbeiter der "Münchener Bilderbogen", von denen er von 1850 bis 1897 71 Nummern illustriert hat, und der "Fliegenden Blätter". Zum Vergleich wird verlinkt mit den gezeichneten Vorlagen einer 1826 publizierten Bilderfolge von Johann Heinrich Ramberg, einem populären Buchillustrator der Goethezeit.

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Gliederung

1. Die Geschichte des Reineke Fuchs für Kinder bearbeitet.
Bilder und Verse
2. Notizen zu Eduard Ille
3. Weblinks und Literaturhinweise
4
. Rechtlicher Hinweis und Kontaktanschrift

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1. Die Geschichte des Reineke Fuchs
für Kinder bearbeitet. Bilder und Verse

Vorlage:
Die Geschichte des Reineke Fuchs für Kinder bearbeitet.
(Münchener Bilderbücher, Nr. 33)
München. Braun & Schneider [1876]
Mit kolorierten Holzschnitten von Eduard Ille.
Das letzte, 18. Bild signiert und datiert: E. Ille 1873.



Thierkönig Nobel gibt ein Fest,
Zu dem er Alles laden läßt,
Was geht, was läuft, was fliegt, was kriecht,
Nur Reineke, den Frevler, nicht.

Denn über ihn schmäht Wolf und Bär
Und Hund und Hase viel und schwer;
Zuletzt klagt Henning noch, der Hahn,
Des Mordes seiner Frau ihn an.

Um Reineke, den argen Wicht,
Darob zu ziehen vor's Gericht,
Wird Braun, der Bär, als Bot' hinaus
Gesandt zum Fuchsbau Malpertaus.

"Gegrüßt seid, edler Oheim, mir!"
Spricht Reineke, "o bleibt heut' hier,
Daß ich, in Mangel bess'rer Gab',
Mit frischem Honig doch Euch lab'!"


"In dieses Baumstrunk's Spalt verwahrt,
Gibt's Honig ganz besond'rer Art, ─
Steckt nur den Kopf recht tief hinein!"
Mahnt Reineke. Der Bär geht ein;

Fest steckt er bald mit Schnauz' und Tatz' –
Er heult und kann nicht mehr vom Platz.
Viel' Bauern kommen bald heran,
Da wird dem Bär viel Leid's gethan.


Geprügelt und mit Trauerblick
Hinkt Braun, der Bär, nach Hof zurück,
Und Hinz, den Kater, schickt man aus
Als Boten jetzt nach Malpertaus.

"Freund Hinz, o seid gegrüßet mir",
Spricht Reineke, "bleibt heut' doch hier;
Beut auch nicht viel mein armes Haus,
Schaff' ich Euch doch manch' fette Maus!"


"Hier, in des Pfarrherrn's Speichergrund
Gibt's Mäuse fett und kugelrund;
Schlüpft nur durch's Mauerloch hinein!"
Spricht Reineke, und Hinz geht ein.

Da hängt er schon ─ o Mißgeschick –
Fest an der Marderschlinge Strick,
Und heult. Das Hausgesind' naht schnell
Und gerbt dem Kater Hinz das Fell.

 

 


Geprügelt und mit Trauerblick
Schleicht Kater Hinz nach Hof zurück.
"Herr König!" spricht Grimmbart, der Dachs,
"Was Keiner machen konnt' ─ Ich mach's!"

Und quatscht als Bot' nach Malpertaus.
Herrn Reineke ruft schon vor'm Haus:
"Oheim, mit Euch geh', meiner Treu,
Ich gern nach Hof, in Buß' und Reu'!"


"Ist das die Buße, das die Reu',
Die du mir heut' gelobt auf's Neu?!"
Was that dir denn der bied're Hahn,
Daß du ihn störst auf seiner Bahn?"

So zürnt der Dachs, der Fuchs doch sagt:
"Oheim, seid nur nicht gleich verzagt, –
Es macht ein Schwälblein, ─ wie man spricht, ─
Ja lang noch keinen Sommer nicht!"


Als sie am Hof nun angelangt,
Hat's Reineke doch schier gebangt,
Denn Hinz, der Kater, Braun, der Bär,
Und Häslein Lampe klagen schwer

Ihn an, und Meister Isegrimm,
Der Wolf, malt sein Vergeh'n so schlimm,
Daß Reineke, trotz Grimmbart's Fleh'n,
Verurtheilt wird, zum Tod' zu geh'n.



Schon streift der Strang ihm das Genick,
Da seufzt er noch mit feuchtem Blick:
"Herr König und Frau Königin!
Ich sterb', doch Euch bringt's nicht Gewinn,

Denn unbekannt bleibt Euch der Platz
Von dem für Euch vergrab'nen Schatz ─ " ─
"Ein Schatz!?" brummt König Nobel, ─ "steig'
Herab und dann den Schatz uns zeig'!"


Und Reineke gewinnt das Spiel.
Von einem Schatz weiß lang' und viel
Zu lügen er, den Braun, der Bär,
Und Isegrimm, der Wolf, gar sehr

Begehret hätten, so daß jetzt
Die Beiden man in Kerker setzt, ─
Indeß mit Lampe und Bellin,
Dem Schafbock, er gen Rom darf zieh'n.


Daß Weib und Kinder er noch schau',
Zieht er nach Malpertaus nun schlau.
Dem Lampe dort, dem armen Tropf,
Beißt schnell vom Rumpfe er den Kopf.

Und gibt im Täschlein, wohl vernäht,
Ihn dem Bellin, der draußen steht,
Ihn bittend, daß dieß wicht'ge Stück
Er bring' in Königs Hand zurück.


Nichts Arges ahnend, bringt Bellin
Das Täschlein vor den König hin.
Der Biber Buchert, schriftgewandt,
Nimmt würdiglich es gleich zur Hand,

Das wicht'ge Document zur Stell'
Dem König vorzulesen schnell.
Ha! ─ Lampes Kopf !! ─ Bellin verzagt',
Und stirbt, des Hochverraths verklagt.


Jetzt ist's um Reineke gescheh'n;
Als Bot' muß Grimmbart wieder geh'n
Nach Malpertaus, den argen Wicht
Auf's Neu' zu ziehen vor's Gericht.

Wem Einmal freche List gelang,
Dem wird vor'm Zweitenmal nicht bang;
Ob Allen bangt, keck folgt der Schuft
Dem Rufe, der zum Tod ihn ruft.


Da steht er jetzt vor dem Gericht,
Das ihm gerechtes Urtheil spricht,
Wolf, Bär, Kanin, Rab', Katz und Hund
Verdammen ihn aus Einem Mund.

Und Reineke beginnt zu fleh'n;
"Laßt einen Zweikampf mich besteh'n
Mit Isegrimm, dem Wolf!" allein
Der König spricht ein zürnend: "Nein!"


Im Dienst der Frau Königin war
Damals ein Affen-Schwesternpaar,
Frau Lugmaul und Frau Riechgenau,
Des Kammeraffen Märten's Frau,

Mit Reineke ganz nah verwandt.
Dieß Paar bringt's listig bald zu Stand,
Daß König Nobel sich als Fest
Den Zweikampf jetzt gefallen läßt.


Als Sieger ihn im Kampf zu schau'n,
Wird Reineke dann von den Frau'n,
Geschoren halb, geölt sodann,
Daß ihn der Wolf nicht fassen kann,

Und noch manch' and're weise Lehr'
Ihm zugeraunt auf sein Begehr.
Sind Fuchs und Affe wider ihn,
Muß wohl ein Wolf den Kürzern zieh'n.


Und so geschah's. Beendet ist
Der Zweikampf schon durch Trug und List.
Des Fuchses Ruthe, staubgepicht,
Raubt Isegrimm das Augenlicht,

Der, wund an Kopf und Leib und Fuß,
Auf Gnad' sich ihm ergeben muß.
Das Volk, nur vom Erfolg erbaut,
Preist Reineken als Sieger laut.


Auch seine Feinde rings im Bund
Lobpreisen jetzt aus Einem Mund
Den kecken Wicht, den allesammt
Sie jüngst zum Tode noch verdammt.

Sei's drum! Lug währt nur kurze Zeit,
Doch Wahrheit währt in Ewigkeit:
Wenn heut' man List und Falschheit schilt,
Ist Reineke, der Fuchs, ihr Bild.


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2. Notizen zu Eduard Ille

"Reineke Fuchs", illustriert von Ille, erschien in drei "Münchener Bilderbogen" (25. Buch 1872/73, Nr. 598-600) sowie als Nro 33 der "Münchener Bilderbücher" (Eichler).

Eduard Ille (1823-1900), Münchner Maler und Illustrator, "arbeitete als Schüler Schwinds in dessen Atelier; war beteiligt an der Ausmalung von Schloss Neuschwanstein; führender Mitarbeiter der 'Münchener Bilderbogen' und der 'Fliegenden Blätter' " (Ries, S. 614) Von 1850 bis 1897 hat Ille 71 "Münchener Bilderbogen" illustriert (Eichler). Eine Liste der Illustrationen bei Ries.

Siehe im Goethezeitportal auch die Dokumentation zum "Münchener Bilderbogen" Nr. 69, illustriert von Eduard Ille: "Das bucklichte Männlein". URL:
http://www.goethezeitportal.de/index.php?id=6452

Literaturhinweise zu Eduard Ille:
* Eintrag "Eduard Ille" in wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Eduard_Ille
* Eintrag "Eduard Ille" im Literaturportal Bayern.
https://www.literaturportal-bayern.de/
* Hans Ries: Illustration und Illustratoren des Kinder- und Jugendbuchs im deutschsprachigen Raum 1871-1914. Osnabrück: Wenner 1992. ISBN 3-87898-329-8
* Ulrike Eichler: Münchener Bilderbogen (Oberbayerisches Archiv, Bd. 99) München: Verlag des Historischen Vereins von Oberbayern (Stadtarchiv München) 1974.
* Gunter E. Grimm: „Niflunga-Saga“. Zu einem Gemälde von Eduard Ille. Online im Goethezeitportal.
http://www.goethezeitportal.de/fileadmin/PDF/wissen/projekte-pool/rezeption_nibelungen/niflunga-saga-von-eduard-ille.pdf

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3. Weblinks und Literaturhinweise
zu Reineke Fuchs


Das Epos vom schlauen Fuchs Reineke reicht bis ins Mittelalter zurück. Der Fuchs wird wegen seiner Bosheiten, Streiche und Übeltaten vor dem König der Tiere, dem Löwen, angeklagt, rettet sich aber immer wieder durch Tricks und Lügengeschichten. Am Ende wird er vom Volk und sogar von seinen Anklägern hoch gepriesen. (Maierhofer) 1794 hat Goethe die heute bekannteste Bearbeitung des Epos geschaffen.

Zu "Reineke Fuchs" und seinen Bearbeitungen siehe:
* https://de.wikipedia.org/wiki/Reineke_Fuchs
* https://de.wikipedia.org/wiki/Reineke_Fuchs_(Goethe)

* Alfred Czech: Reineke-Fuchs-Illustrationen im 19. Jahrhundert. München: tuduv 1993. ISBN 3-88073-440-2

* Waltraud Maierhofer: Die Reineke-Fuchs-Radierungen von Johann Heinrich Ramberg. Siehe als PDF-Datei:
http://www.goethezeitportal.de/fileadmin/PDF/db/wiss/bildende_kunst/maierhofer_reineke_fuchs.pdf

Bitte beachten Sie: Wegen der Datenmenge kann sich das Laden der kommentierten Bildseiten verzögern.

"Der Hannoveraner Hofmaler Johann Heinrich Ramberg hat 1826 im Selbstverlag eine eigene Bilderfolge Reineke Fuchs publiziert, 30 Radierungen und ein Titelblatt. Die gezeichneten Vorlagen dazu werden im Goethezeitportal wiedergegeben."

Zu Ramberg siehe:
* Literatur ─Bilder. Johann Heinrich Ramberg als Buchillustrator der Goethezeit. Hrsg. von Alexander Košenina. Hannover: Wehrhahn Verlag 2013. ISBN 978-3-86525-339-2 - Darin Tanja van Hoorn über Rambergs Reineke-Fuchs-Zyklus, S. 371f.

Eine Seite des Goethezeitportals zu Goethes Epos "Reineke Fuchs" ist in Vorbereitung.

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4. Rechtlicher Hinweis und Kontaktanschrift

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Prof. Dr. Georg Jäger
Ludwig-Maximilians-Universität München
Institut für Deutsche Philologie
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E-Mail: georg.jaeger07@googlemail.com


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