goethe


Jutta Assel | Georg Jäger

Stimmungsbilder
mit Gedichten Eichendorffs

Eingestellt Juni 2017

Der "Heimatverlag M. Hiemesch" spezialisierte sich um 1920 bis 1922 auf "Kunstblätter" nach Radierungen und "Künstler-Natur-Aufnahmen" im Kupfertiefdruck. In dem 9. Mäppchen der Reihe "Wanderungen durch die heimische Kunst" mit dem Titel "Der Tag hat sich geneigt ..." erschienen sechs Gedichte Eichendorffs und das Volkslied "Wenn ich ein Vöglein wär" nach Radierungen von Johannes Berger. Es handelt sich dabei nicht um Illustrationen der Texte, vielmehr sind Abend- und Nachtstimmungen das verbindende Element. Denn mit Ausnahme der Titelillustration geben die sechs Kunstblätter und die beiden Textillustrationen ausschließlich dieser Stimmung Ausdruck; sie enthalten weder Menschen noch Tiere als Staffagen. Das Goethezeitpokal gibt die Kunstblätter sowie die Gedichte Eichendorffs und das Volkslied wieder und skizziert das Programm des Verlages.

Vorlage:
Der Tag hat sich geneigt ... Sechs Kunstblätter nach Original-Radierungen von Johannes Berger mit illustrierten Gedichten von Jos. Freih. v. Eichendorff und nach einem Volksliede (Wanderungen durch die heimische Kunst, 9. Mappe] Herausgegeben und verlegt vom Heimatverlag M. Hiemesch & Co., Hain im Riesengebirge. Berlin, Leipzig, Stuttgart und Wien [1922]. Höhe 22,5; Breite 16,7 cm.


Wanderungen durch die heimische Kunst
Inhalt der neunten Mappe
:

Es will Abend werden (Waldsee)
Jagdschloß Grunewald (b. Mondschein) *
Schloß Marsbach a. d. Donau *
Hünengrab (auf Rügen)
Mondschein (aus Krems a. D.)
Waldeinsamkeit
Umschlagbild: Abendzauber
Zwei Textillustrationen

* A. d. Kunstverlag A. Roeper Bln.-Friedenau.
Die Übrigen: Kunstverlag A. Scherl. Berlin SW 68

*****

Gedichte und Stimmungsbilder
der neunten Mappe

Die Bilder sind auf lose unnummerierte Blätter gedruckt, die Texte zusammen auf zwei Seiten. Die zwei unten abgebildeten Textillustrationen sind zwischen die Gedichte auf den beiden Textseiten gedruckt.

Mondnacht

Es war, als hätt’ der Himmel
Die Erde still geküßt,
Daß sie im Blütenschimmer
Von ihm nun träumen müßt'.

Die Luft ging durch die Felder,
Die Ähren wogten sacht,
Es rauschten leis’ die Wälder,
So sternklar war die Nacht.

Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus,
Flog durch die stillen Lande,
Als flöge sie nach Haus.


Nachts

Ich wandre durch die stille Nacht,
Da schleicht der Mond so heimlich sacht
Oft aus der dunklen Wolkenhülle,
Und hin und her im Thal
Erwacht die Nachtigall,
Dann wieder alles grau und stille.

O wunderbarer Nachtgesang:
Von fern im Land der Ströme Gang,
Leis Schauern in den dunklen Bäumen
Wirrst die Gedanken mir,
Mein irres Singen hier
Ist wie ein Rufen nur aus Träumen.


Nachtzauber

Hörst du nicht die Quellen gehen
Zwischen Stein und Blumen weit
Nach den stillen Waldesseen,
Wo die Marmorbilder stehen
In der schönen Einsamkeit?
Von den Bergen sacht hernieder,
Weckend die uralten Lieder,
Steigt die wunderbare Nacht,
Und die Gründe glänzen wieder,
Wie du's oft im Traum gedacht.

Kennst die Blume du, entsprossen
In dem mondbeglänzten Grund?
Aus der Knospe, halb erschlossen,
Junge Glieder blühend sprossen,
Weiße Arme, roter Mund,
Und die Nachtigallen schlagen,
Und rings hebt es an zu klagen,
Ach, vor Liebe todeswund,
Von versunknen schönen Tagen –
Komm, o komm zum stillen Grund!


Die Nachtigallen

Möcht' wissen, was sie schlagen
So schön bei der Nacht,
's ist in der Welt ja doch niemand,
Der mit ihnen wacht.

Und die Wolken, die reisen,
Und das Land ist so blaß,
Und die Nacht wandelt leise
Durch den Wald übers Gras.

Nacht, Wolken, wohin sie gehen,
Ich weiß es recht gut,
Liegt ein Grund hinter den Höhen,
Wo meine Liebste jetzt ruht.

Zieht der Einsiedel sein Glöcklein,
Sie höret es nicht,
Es fallen ihr die Löcklein
Übers ganze Gesicht.

Und daß sie niemand erschrecket,
Der liebe Gott hat sie hier
Ganz mit Mondschein bedecket,
Da träumt sie von mir.


Abendständchen

Schlafe Liebchen, weil's auf Erden
Nun so still und seltsam wird!
Oben gehn die goldnen Herden,
Für uns alle wacht der Hirt.

In der Ferne ziehn Gewitter;
Einsam auf dem Schifflein schwank,
Greif' ich draußen in die Zither,
Weil mir gar so schwül und bang.

Schlingend sich an Bäum' und Zweigen,
In dein stilles Kämmerlein
Wie auf goldnen Leitern steigen
Diese Töne aus und ein.

Und ein wunderschöner Knabe
Schifft hoch über Tal und Kluft,
Rührt mit seinem goldnen Stabe
Säuselnd in der lauen Luft.

Und in wunderbaren Weisen
Singt er ein uraltes Lied,
Das in linden Zauberkreisen
Hinter seinem Schifflein zieht.

Ach, den süßen Klang verführet
Weit der buhlerische Wind,
Und durch Schloß und Wand ihn spüret
Träumend jedes schöne Kind.


Die Nacht

Wie schön, hier zu verträumen
Die Nacht im stillen Wald,
Wenn in den dunklen Bäumen
Das alte Märchen hallt.

Die Berg' im Mondesschimmer
Wie in Gedanken stehn,
Und durch verworrne Trümmer
Die Quellen klagend gehn.

Denn müd' ging auf den Matten
Die Schönheit nun zur Ruh,
Es deckt mit kühlen Schatten
Die Nacht das Liebchen zu.

Das ist das irre Klagen
In stiller Waldespracht,
Die Nachtigallen schlagen
Von ihr die ganze Nacht.

Die Stern' gehn auf und nieder –
Wann kommst du, Morgenwind,
Und hebst die Schatten wieder
Von dem verträumten Kind?

Schon rührt sich's in den Bäumen,
Die Lerche weckt sie bald –
So will ich treu verträumen
Die Nacht im stillen Wald.

 

 

Wenn ich ein Vöglein wär
(Nach einem Volksliede.)

Wenn ich ein Vöglein wär
Und auch zwei Flüglein hätt,
Flög ich zu dir;
Weils aber nicht kann sein,
Bleib ich allhier.

Es vergeht kein Stund in der Nacht,
Da nicht mein Herz erwacht!
Und an dich gedenkt,
Daß du mir viel tausendmal
Dein Herz geschenkt.

Bin ich gleich weit von dir,
Bin ich doch im Schlaf bei dir,
Und red mit dir;
Wenn ich erwachen tu,
Bin ich allein.

*****

Notizen zu Autor, Illustrator und Verlag

Eichendorff, Josef, Freiherr von, Dichter, geb. 10. März 1788 auf Lubowitz bei Ratibor, nahm an den Feldzügen 1813-15 teil, trat 1816 in preuß. Staatsdienste, seit 1831 Regierungsrat in Berlin, lebte, seit 1854 pensioniert, in Neisse, gest. das. 26. Nov. 1857; letzter und talentvollster Dichter der romantischen Schule, am bedeutendsten als Novellist (»Aus dem Leben eines Taugenichts«, 1826) und als Lyriker (»Gedichte«, 1837). (Brockhaus' Kleines Konversationslexikon, 5. Aufl. 1911)

Gedichte Eichendorffs verwendete der Verlag auch in folgender Publikation:
* O Täler weit, o Höhen ..... 6 stimmungsvolle Künstler-Natur-Aufnahmen in feinstem Kupfer-Tiefdruck mit 2 Geleitgedichten von Josef Freiherr von Eichendorff (Wanderungen und Streifzüge durch die Heimat, Mappe 4) Hrsg. und verlegt vom Heimatverlag M. Hiemesch & Co., Berlin-Steglitz o.J. Bei den Gedichten handelt es sich um "Wem Gott will rechte Gunst erweisen" und "O Täler weit, o Höhen".

Berger, Johannes, Radierer in Berlin, geb. daselbst am 30.10.1886, "Schüler der Akad. in Dresden und Berlin und des Prof. Hans Meyer in Berlin. Von seinen Radierungen seien genannt: Ruine Falkenstein, Stein an der Donau, Die Kesselschmiede, ferner eine Anzahl hübscher Exlibris." (Thieme / Becker) Todesdatum nicht ermittelt.

Der Heimatverlag M. Hiemesch & Co. in Hain im Riesengebirge, mit Ortsangaben Berlin, Kronstadt (Braşov) u.a., spezialisierte sich um 1920 bis 1922, seiner Firmenbezeichnung "Heimatverlag" gemäß, auf Heimatliteratur, darunter einen "Heimatkunst-Kalender", die Schriftenreihe "Kleine Heimatbüchlein," zehn Mäppchen "Streifzüge durch die Natur" und neun Mäppchen "Wanderungen durch die heimische Kunst". Letztere kombinieren lose "Kunstblätter" nach Bildern bzw. "Künstler-Natur-Aufnahmen" "in feinstem Kupfertiefdruck" mit ausgewählten Gedichten (siehe oben). Es handelt sich dabei nicht um Illustrationen der abgedruckten Texte - eine zuordnende Nummerierung der Abbildungen fehlt -, vielmehr sind die "Stimmungen" das verbindende Element. So werden in der hier wiedergegebenen 9. Mappe unter dem Titel "Der Tag hat sich geneigt ..." sechs Gedichte Eichendorffs und das Volkslied "Wenn ich ein Vöglein wär" auf Abend- und Nachtstimmungen mit Mondlicht bezogen, wie sie in den Kunstblättern evoziert werden. Mit Ausnahme der Titelillustration geben die sechs Kunstblätter und zwei Textillustrationen ausschließlich dieser Stimmung Ausdruck; sie enthalten weder Menschen noch Tiere als Staffagen. Der 'satte' malerische Ton der "Kunstblätter", der wesentlich zu diesem Ausdruck beiträgt, wird durch den Kupfertiefdruck auf saugfähigem Papier erreicht. Dabei handelt es sich um den Druck von Platten mit vertieft gestochenen oder geätzten Darstellungen auf der Kupferdruckpresse.

Die Rechte zur Verwertung der Bilder kaufte der Heimatverlag bei Kunstverlagen.

Werbeliste der Wanderungen durch die heimische Kunst
Mappe I bis VIII

I."Kinderleben" Bilder von Ludw. Richter 
m. Textteil von Otto Ernst.
II. "Sonderbare Käuze", Bilder von K. Spitzweg
m. Texttheil von Rud. Presber.
III. "Zieh hinaus im Morgengrau'n, Bilder von M. v. Schwind 
m. Texttheil von E. Geibel u.A.
IV. "Kennst Du das Land ...?" Bilder von A. Feuerbach
m. Texttheil von J. W. v. Goethe
V. Meisterbilder. Bilder von Albrecht Dürer
mit Schaffensbild des Meisters.
VI. "Geh' aus, mein Herz und suche Freud". Bilder von Hans Thoma 
mit Lebensbild des Meisters.
VII. Von Leuten, die glücklich ihre Wege geh'n.
Bilder und illustrierte Gedichte von Hans Dieter.
VIII. Am träumenden See. Bodenseebilder von Hans Dieter, 
mit passenden illustr. Gedichten.

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Prof. Dr. Georg Jäger
Ludwig-Maximilians-Universität München
Institut für Deutsche Philologie
Schellingstr. 3
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E-Mail: georg.jaeger07@googlemail.com

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