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Jutta Assel | Georg Jäger

Franz Graf Pocci
Weihnachtslieder

Weihnachten 2016

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Eingestellt: November 2016

 

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Franz Graf Pocci (1807-1876) war unter drei bayerischen Königen in verschiedenen Stellungen (Oberzeremonienmeister, Hofmusikintendant , Oberstkämmerer) in München tätig. Dem altbayerisch-katholischen Milieu zugehörig, war er in der Gesellschaft wie auch in der Künstlerschaft bestens vernetzt. Pocci war als Dichter, Graphiker und Komponist multimedial tätig. Bekannt wurde er durch volkstümliche, oft humoristische und karikierende Illustrationen, Kinder- und Volkslieder, als Autor und Förderer des Puppenspiels ("Kasperl-Graf") sowie durch seine Mitarbeit an den "Fliegenden Blättern" und den "Münchener Bilderbogen" ("Carricaturen-Raffael"). Das Goethezeitportal publiziert den Zyklus von 13 religiösen, von ihm gedichteten, mit Illustrationen und Randzeichnungen geschmückten Weihnachtsliedern, die 1845 erstmals erschienen. Beigefügt sind Notizen zu Leben und Werk Poccis sowie Literaturangaben und Weblinks.

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Oben: Geschichten und Lieder mit Bildern von Franz Pocci. III. Band. [München : Literarisch-artistische Anstalt, 1845] 92 S. Titel. - "Bilder und Text sind auf Stein graviert" (Holland, S. 11)
Unten: Dass., Zwischentitel

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Gliederung

1. Weihnachtslieder mit Bildern
2. Notizen zu Franz Graf Pocci
3. Literaturhinweise, Weblinks
4. Rechtlicher Hinweis und Kontaktanschrift

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1. Weihnachtslieder mit Bildern

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Wie einst erklang aus Engels Munde
In heiliger Nacht die frohe Kunde,
Das "In Excelsis Gloria,
Den Menschen Fried' auf Erden da," -
So tönt der ersten Botschaft Wort
Seit jener Zeit noch fort und fort,
Und wird verhallen nimmermehr, -
So lang erglänzt der Sterne Heer,
So lang noch leuchtet der Sonne Pracht
Ist heilige Freunde in dieser Nacht;
Und wie die Hirten das erstemal
Lobpreisend knieten in Bethlehems Thal,
So werfet euch Alle - Groß und Klein -
Andächtig nieder im Weihnachtsschein,
Und seid, da naht die Gnadenzeit,
In demuthsvollem Sinn bereit,
Weil auf sich eure Sünden nahm
Ein Kindlein, das vom Himmel kam!

*****

Von Osten strahlt ein Stern herein
Mit wunderbarem hellem Schein,
Es naht, es naht ein himmlisch Licht,
Das sich in tausend Strahlen bricht!
Ihr Sternlein auf dem dunkeln Blau,
Die all' ihr schmückt des Himmels Bau,
Zieht euch zurück vor diesem Schein,
Ihr werdet alle winzig klein!
Verdunklet Sonnenlicht und Mond,
Die ihr so stolz am Himmel thront!
Es nahet heilig leuchtend fern
Vom Osten her der Weihnachtsstern!

x

Es glänzt der Stern in stiller Nacht,
Das Heil hat er zu uns gebracht.
Ihr Engel alle seid bereit,
Das Jesukindlein rufet euch,
Versammelt euch im Himmelreich:
Ihr Engel alle, groß und klein
Mit silberweißen Flügelein
Schwebt auf der Erde ein und aus,
Durchflieget nun ein jedes Haus
Und meldet mir dann ganz geschwind,
Wo gute, fromme Kinder sind.

*****

Die Englein schweben wohlbestellt
Hinaus nun in die ganze Welt.
Hört rauschen ihr die Flügel nicht,
Da sie erfüllen ihre Pflicht.
Christkindlein sprach ein einzig Wort,
Drum eilen sie von Ort zu Ort,
Sie suchen alle Kinder auf,
Erforschen ihres Lebens Lauf,
Sie gucken durch die Fensterlein,
Wo nur ein Kindlein möge seyn,
Und freuen ob der Frommen sich,
Bei Bösen weinend bitterlich.

*****

Das Jesuskindlein wieder spricht,
Umstrahlt vom gold'nen Himmelslicht:
Ihr Englein alle, groß und klein,
Mit silberweißen Flügelein,
Die wieder heimgekehret hier,
Nennt nun die guten Kinder mir,
Die Kinder, die gehorsam sind,
Die folgen, wenn man ruft geschwind,
Die beten, lernen gerne thun -
Die Frommen alle zeigt mir nun.
Und da die Engel nun genannt,
Was sie geschaut von Land zu Land -
Ihr Kindlein all' besinnet euch,
Ob man euch nannt' im Himmelreich!-

*****

Nun schwebt, ihr Engel, in den Wald,
Wo Tannen steh'n im Schnee so kalt,
Die Tannen, die immer dunkelgrün,
Mag sich der Winter noch so müh'n;
Fällt Bäumlein, bringet sie zur Stadt,
Daß jedes Kind das Seine hat.
Die Eltern steh'n um den Baum umher,
Und zieren ihn mit Lichtlein sehr,
Christkindlein schickt der Gaben viel
Zu ernstem Brauch, zu leichtem Spiel;
Ihr Englein helft mit zarter Hand
Zu schmücken den Baum mit Allerhand.

*****

Vergeßt die Krippe ja mir nicht
Und oben den Stern mit hellem Licht,
Und diesem sei ein Zettel nah,
Drauf: "in Excelsis gloria".
Joseph, Maria und das Kind
Stellt nun darunter nur geschwind,
Vergeßt nicht Ochs und Eselein,
Die in dem Stalle müßen seyn.

*****

O Freudenzeit, o Gnadenzeit,
Die aller Kinder Herz erfreut!
Es harren die Kleinen vor der Thür
Und wagen's nicht zu schau'n herfür,
Ihr Herzlein klopft vor Bangigkeit,
Und schlägt und bebt vor Freudigkeit,
Du liebes Christkind nahe dich,
Will sein so fromm, beschenke mich!

*****

So stunden auch wohl in erster Nacht -
Da Engel ihnen die Kunde gebracht -
Die Hirten mit Flöten und Pfeifenschall
Erwartungsvoll an Bethlehems Stall;
Und harrten fromm auf das Heil der Welt -
Nachdem sie verlaßen Heerden u. Feld -
Bis ihnen die Pforte ward aufgethan
Und betend eintrat Mann für Mann!
Da sanken denn vor dem Kinde hin
Die ersten Beglückten in schlichtem Sinn,
Die armen Hirten, die glückliche Schaar
Sie brachten die erste Huldigung dar!
Warum nicht die Großen, die Reichen zuvor?
Warum sich der Herr wohl die Hirten erkohr?!

*****

So tretet, ihr Kinder mit dankbarem Sinn
Auch heute zur Weihnachtskrippe hin!
Hebt hoch auf die kleinen Händelein
Beim hundertfachen Kerzenschein
Singt: in Excelsis gloria,
Das göttliche Kind ist wieder da!

*****

Im Winter, wo draußen Alles todt,
Und die Natur erstarrt in Noth,
Wo kaum ein armselig Körnelein
Der Vogel findet zum Futter sein,
Wo Hirsch und Reh so müd und matt
Im Walde kaum noch Aesung hat, -
Im Winter, wo manches arme Kind
Muß betteln und doch nichts gewinnt, -
Da steht ihr And'ren in seligem Traum
Am reichgeschmückten Weihnachtsbaum.
Es blendet euch schier der Kerzen Schein,
Es winken der Aepfel Rothwängelein,
Die goldenen Nüsse schwanken am Ast,
Den droht zu brechen der Gaben Last.
D'rum dankt ohn' Ende dem heiligen Christ
Daß heut' er auch wieder gekommen ist!

*****

Ihr armen Kindlein auf freiem Feld,
Niemand hat wohl euch einen Baum bestellt!
Ihr steht so verlassen armselig da -
Und doch ist auch euch das Christkind nah!
Es blicket vom Himmel auf euch herab
Und sendet den Segen als schönste Gab'!
Der Segen ja strahlt in das Herz hinein
Dem Lichte gleich von dem Weihnachtsschein!
Blicket auf zu dem Himmel und seid getröst't,
Denn es hat ja der Heiland auch euch erlöst,
Für euch bracht er seine Wunden dar
Und starb für euch am Kreuze gar!
Seht wie das Kindlein euch zu sich winkt,
Und wie der Stern hold niederblinkt!
Was frommt aller Reichthum an Gut u. Gold,
Kömmt nicht der Segen von Oben hold,
Ist nicht das Herz an Demuth reich
Und sehnsuchtsvoll nach dem Himmelreich!

*****

Nun sind es Achtzehnhundert Jahr
Dazu noch Vierundvierzig gar,
daß von dem Himmell gestiegen ist
Der liebe Heiland Jesu Christ.
Und alle Jahr' in heller Nacht
Wird's heilige Kind uns wiedergebracht,
Und alle Jahre zur selben Frist
Beschenkt ein Kind euch - Jesu Christ!
O zög' es auch immer in euer Herz,
Und säh't ihr immer auch himmelwärts,
Und bliebet Alle von Sünden rein, -
Wie freudig müßt' euer Leben sein!

So strebt denn Alle nach diesem Ziel,
Erfreuet euch an dem Kinderspiel,
Wie auch das Christkind gespielet hat,
Die Welt erbaut in Wort und That!
Ihr Kinder seid wie das Christuskind,
Ihr Großen seid wie die Kinder sind!

*****

2. Notizen zu Franz Graf Pocci

Entnommen aus Aloys Dreyer, Franz Pocci der Dichter, Künstler und Kinderfreund. München, Leipzig: Georg Müller 1907.

***

Pocci, Franz, Graf, Zeichner, Dichter und Musiker, geb. 7. März 1805 in München, gest. daselbst 7. Mai 1876, Sohn des aus Italien nach München gekommenen bayrischen Generals Grafen Fabricius P., widmete sich in Landshut und München juristischen Studien, beschäftigte sich daneben auch, besonders seit er 1830 die Sinekure eines königlichen Zeremonienmeisters erhalten hatte, mit Zeichnen und trat mit mannigfachen Beweisen eines glücklichen Talents hervor. König Ludwig I. und den damaligen Kronprinzen Maximilian begleitete er auf mehreren Reisen nach Italien. Seit 1847 war er als Hofmusikintendant tätig, bis er 1864 zum Oberstkämmerer ernannt wurde.

Außer mehreren kleinen Singspielen für Privattheater komponierte er eine Oper: »Der Alchimist«, Sonaten, Gesangstücke etc. Als Dichter trat er zuerst mit »Dichtungen« (Schaffhausen 1843), köstlichen »Jägerliedern« (Landshut 1843; 2. Aufl., Leipzig 1854) und »Studentenliedern« (Landshut 1845) auf; am bekanntesten aber ward er durch seine zahlreichen und trefflichen literarisch-artistischen Produkte für die Kinderwelt. Wir erinnern an: »Rosengärtlein«, Gebetbuch (3. Aufl., Regensburg 1868), »Allerneuestes Spruchbüchlein«, »Lustiges Bilderbuch«, »Was du willst«, »Lustige Gesellschaft« u. a. Außerdem veröffentlichte er »Dramatische Spiele« (2. Aufl., Münch. 1883); »Neues Kasperltheater« (Stuttgart 1855); »Lustiges Komödienbüchlein« (München 1859 bis 1877, 6 Bde.; neue Ausg. 1893) u. a.; die Volksdramen: »Gevatter Tod« (1855), »Der Karfunkel«, nach Hebel (1860), und »Der wahre Hort, oder die Venediger Goldsucher« (1861); ferner: »Der Landsknecht« (1861); »Totentänze in Bildern und Sprüchen« (12 Blätter, 1862); »Namenbilder« (1865); »Herbstblätter« (1867); mit Reding: »Altes und Neues« (Stuttgart 1855, 2 Bde.) u. a. Auch lieferte er Radierungen zu Grimms »Deutschen Volksmärchen«, Illustrationen zu Kobells »Schnadahüpfln«, Gülls »Kinderheimat in Liedern« u. a.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon. Sechste Auflage 1905–1909 (Digitale Bibliothek; 100) Berlin: Directmedia 2003, S. 154.467 f.

Die "Geschichten und Lieder mit Bildern" (3 Bde, 1841-1845), deren drittem Band die hier wiedergegebenen Weihnachtslieder entstammen, sind eine Fortsetzung des "Festkalender in Bildern und Liedern, geistlich und weltlich," der von Franz Pocci, Guido Görres "und ihren Freunden" herausgegeben und "von den Kindern mit großer Begeisterung aufgenommen" (Moisy, S. 107) wurde. "Entscheidend für Poccis Weg als Zeichner und Jugendschriftsteller wurde die Zusammenarbeit mit Guido Görres beim 1833 erstmals erschienenen 'Festkalender', der ersten illustrierten Jugendzeitschrift mit Bildern" (Moisy, S. 106).

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3. Literaturhinweise und Weblinks

Literaturhinweise:
* Franz Graf von Pocci: Die gesamte Druckgraphik. Hrsg. von Marianne Bernhard. Vorwort von Eugen Roth. München: Rogner & Bernhard 1974. Hier S. 176-179. ISBN 3-8077-0022-6
* Hyazinth Holland: Franz Graf Pocci, ein Dichter- und Künstlerleben (Bayrische Bibliothek; 3) Bamberg: Buchner 1890. Hier S. 11f.
* Aloys Dreyer: Franz Pocci der Dichter, Künstler und Kinderfreund. München, Leipzig: Georg Müller 1907. Über "Geschichten und Lieder in Bildern" S. 82 ff.
* Hans Ries: Illustration und Illustratoren des Kinder- und Jugendbuchs im deutschsprachigen Raum 1871-1914. Osnabrück: Wenner 1992, S. 782-784. ISBN 3-87898-329-8
* Sigrid von Moisy: Franz Graf Pocci (1807-1876). Schriftsteller, Zeichner, Komponist unter drei Königen. München: Allitera 2007. Hier Nr. 157. ISBN 978-3-86520-265-9
* Verzeichnis der Werke Franz von Poccis 1821-2006. Hrsg von Gisela Tegeler (Franz von Pocci, Werkausgabe, Abt. X, Bd. 1) München: Allitera 2007. Hier Nr. 188. ISBN 978-3-86520-400-4

Weblinks:
* Projekt Gutenberg-DE
http://gutenberg.spiegel.de/autor/franz-graf-von-pocci-464
* Wikisource (Liste der Digitalisate)
https://de.wikisource.org/wiki/Franz_von_Pocci
* Neue Deutsche Biographie
http://www.deutsche-biographie.de/sfz96457.html
* Literaturportal Bayern
https://www.literaturportal-bayern.de/autorenlexikon?task=lpbauthor.default&pnd=118595245
* Franz Graf von Pocci Gesellschaft
http://www.grafpocci-gesellschaft.de/

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