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Jutta Assel | Georg Jäger

Der wunderbare Leuchter
Märchen von Hermann Becker

Illustriert von August Beck

Optimiert für Firefox
Stand: Juni 2015

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Gliederung

1. Der wunderbare Leuchter
Märchen von Hermann Becker
Mit Illustration von August Beck

2. Titelillustration mit Märchen- und Sagenmotiven
3. Kurzbiographie von Hermann Becker
4. Kurzbiographie von August Beck
5. Rechtlicher Hinweis und Kontaktanschrift

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1. Der wunderbare Leuchter
Märchen von Hermann Becker

 

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Der wunderbare Leuchter (Märchen von H. Becker) A. Beck inv.
Lith. Inst. v. Arnz & Co. in Düsseldorf. Höhe 20,5; Breite 15 cm.

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Es war einmal ein armer Schreiber, dem ging es gar kümmerlich. Wenn er den ganzen Tag und manchmal wohl auch noch die halbe Nacht dazu geschrieben hatte, bis es ihm vor den Augen flimmerte und ihm die Finger steif waren, so hatte er kaum so viel verdient, dass er die nötigsten Lebensbedürfnisse anschaffen konnte, aber schlimmer noch war es, dass er häufig nicht einmal Gelegenheit fand, auf so mühsame Weise sein Brot zu verdienen, und müßig gehen musste, weil niemand seine Arbeit verlangte. Denn damals war gerade Krieg im Lande und Schwerter und Spieße wurden mehr gebraucht als die friedliche Schreibfeder.

An solchen Tagen der Muße konnte er sich dann freilich ausruhen und erholen; die vom langen Sitzen steifen Glieder beim Spazierengehen wieder gelenkig schlenkern, die müden Augen am Grün der Bäume erfrischen und sich an der frischen Luft erlaben.

Aber mit knurrendem Magen und leeren Taschen ist das Spazierengehen nicht auf Lange belustigend und die schönste Frühlingsluft ist ohne andere Zutaten eine sehr magere Kost.

So kann es denn leicht geschehen, dass unser armer Schreiber sein trauriges Los mit dem anderer glücklicher Leute verglich und wünschte, könntest du es doch so gut haben wie dieser oder jener, der doch wohl, so dachte er bei sich, nicht mehr wert ist, wie du.

Besonders beneidete er die Soldaten, wenn er sie so lustig dahin ziehen sah mit klingendem Spiel und rasselnden Trommeln, die Hüte keck aufs Ohr gesetzt und wallende Federn darauf; dann schien er sich mit seinem abgetragenen Rock und seinem zerknickten Filzhut doch gar erbärmlich und eine traurige Figur.

Freilich mit so einem gemeinen Fußknecht, der die schwere Muskete tragen und durch den Kot waten, und oft Hunger und Kummer dulden und sein Leben in die Schanze schlagen muss, hätte er wohl nicht bald getauscht, denn die Sicherheit vor Schuss und Hieb ist auch etwas wert und Fechten ist gefährlich, aber so ein stolzer Offizier, hoch zu Ross mit betressten Kleidern, das ist ein beneidenswerter Mann, dem die ganze Welt zu Gebot steht.

So ein Heer kommandieren können in der Schlacht, fein hinten, weit vom Schuss, das, meinte unser Schreiber, wäre doch ein beneidenswertes Los, das beste das er sich wünschen mögte.

Das aber waren nur Träume müßiger Stunden, wenn es Arbeit gab, so war keine Zeit zu solchen Hirngespinsten und da schrieb er drauf los, dass die Finger knackten.

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So saß er auch eines Tages beschäftigt, eine Abschrift, die ihm viel Mühe gemacht hatte, zu beenden, als es an seine Tür klopfte und kaum noch hatte er herein gerufen, so tat sich die Tür schon auf und herein trat eine stattliche Dame, gefolgt von einem kleinen Mohren, der mit einer Hand der Dame die Schleppe und mit der andern ein kleines Buch trug mit metallenen Beschlägen und Klammern geschlossen, die wie Gold blitzten.

So vornehmer Besuch war unserm Peter, so hieß er, noch niemals gekommen, darum stand er erst ganz starr vor lauter Erstaunen, dann aber überschlug er sich fast im Bestreben, eine recht höfliche und tiefe Verbeugung zu machen, klappte fast zusammen wie ein Taschenmesser und scharrte mit dem linken Fuß hintenaus, dass es eine Freude zu sehen war.

Die Dame war auch sichtlich erfreut über Peters Höflichkeit, denn sie lachte fast hell auf, und als sie endlich vor seinem Scharren zu Worte kommen konnte, sagte sie, sie habe gehört, dass er ein geschickter und fleißiger Schreiber sei; nun wäre da ein Buch, wovon sie gern eine recht saubere und feine Abschrift haben mögte, aber bald und jedenfalls vor Ablauf dreier Monate, die Arbeit solle ihm wohl belohnt werden.

Damit übergab sie ihm das Buch, welches der Mohr getragen hatte, und fragte, ob er solchen Auftrag zu übernehmen sich getraue. Peter besah sich das Buch, und fand dass es in ganz seltsamen Schriftzügen und in einer Sprache verfasst war, wovon er kein Wort verstand.

So antwortete er denn sehr demütig, dass er sich freilich wohl getraue das Buch in der gegebenen Frist nachzuschreiben, dass er aber dann alle seine Zeit daran setzen und deshalb Ihre hochwohlgeborne Gnade um einigen Vorschuss angehen müsse, denn er sei leider gar dürftig und habe zur Zeit nicht einmal das nötige Geld, um Öl für die Lampe zu kaufen, was doch zu dem Werke nötig, welches so schwierig und mühsam sei, dass er auch wohl die Nächte dazu verwenden genötigt sein werde.

Da sagte die Dame aber: hört Lieber, Geld werde ich Euch keines vorstrecken, denn wenn ihr welches habt, so besorge ich, dass ihr nicht arbeiten werdet; was aber das nötige Licht betrifft, so habe ich da unten in meinem Wagen Rat dafür und mein Mohr soll Euch sogleich eine Kerze heraufbringen, die Euch besser leuchten soll, als Eure Lampe, und die auch vorhält bis ihr das Werk vollendet; doch achtet wohl und verbrennt sie nicht unnütz und nur um Euch zu dieser Arbeit zu leuchten, denn anders wird es Euch zum Schaden gereichen.

Damit ging die Dame majestätisch zur Tür hinaus und rauschte mit ihrem seidenen Schleppkleid die Treppe hinab, gefolgt von ihrem Mohren; kaum aber war sie fort, so kehrte dieser zurück und brachte einen ganz seltsam gestalteten metallenen Leuchter mit einem Stümpfchen Wachskerze darauf, gab ihn Petern schweigend in die Hand und entfernte sich.

Peter besah sich den Leuchter und das Endchen Lichtes und meinte, das sei wohl fast ein Spott von der hohen Dame gewesen, ihm so ein elend Stümpfchen Kerze zu schicken und das noch dazu auf einem so kostbaren Leuchter. Denn dieser war reich und seltsam gestaltet. Unten am Fuß hatte er die Gestalt einer festen Burg mit Zinnen, Türmen und starken verschlossenen Toren, auf dieser Burg aber stand ein gewappneter Ritter in trotziger Haltung mit Schild und Lanze und über dieser Gestalt erhob sich die Schale des Leuchters, welche das Licht trug.

Endlich hatte sich Peter aber doch an dem Leuchter, so seltsam er auch war, satt gesehen und so nahm er denn das Buch der Dame vor sich und begann seine Arbeit. Wunderschönes Papier und ein ganzes Bund der besten Gänsekiele hatte die Dame ihm zugleich mit dem Buche eingehändigt und es bedurfte also nichts als Geduld und Geschick, um das Werk aufs Beste zu vollenden.

Peter gab sich alle Mühe, aber es war ein schwieriges Werk. Da er der Schrift und der Sprache unkundig war, so blieb ihm nichts übrig, als jedes Zeichen sorgfältig nachzumalen; doch wiederholten sich oft dieselben Zeichen und so ging es je länger je besser.

So vergingen die Stunden und als es Nacht wurde zündete er die Kerze auf dem Leuchter an, um bei Lichte weiter zu arbeiten. Es war aber eine wahre Pracht, was das für ein Licht war; so unscheinbar die Kerze ausgesehen hatte, so herrlich leuchtete sie und das ganze Dachstübchen des Schreibers war von dem Schein wie vergoldet.

So arbeitete er denn fort, Stunde nach Stunde, aber da er nichts von dem verstand, was er schrieb, so fing er an bei solcher mechanischen Arbeit allerlei Gedanken nachzuhängen und träumte wie sonst wohl seine kriegerischen Träume und was es doch schön wäre, wenn er statt eines armen Schreibers ein großer und mächtiger General wäre.

Wie er sich das nun so recht ausmalte, horch! da ertönte es wie ferne Trommeln, aber ganz leis und fein und es schien fast, als ob der Lärm von dem Leuchter komme; dabei knisterte und platzerte die Flamme des Lichtes, als ob ein Tropfen Wasser hinein gefallen wäre, und man konnte nicht recht unterscheiden, ob das Geräusch wirklich von fernen Trommeln herrühre oder ob es das Knattern des Lichtes sei.

Aber bald ward es deutlicher. Wirklich war es Trommelgerassel, aber ganz fein, wie verkleinert. Es schlugen aber deutlich viele Tambours erst Reveille und dann einen recht tapferen Marsch und siehe da!

Im Fuße des Leuchters, der, wie gesagt, eine Burg vorstellte, tat sich ein Tor auf; eine Zugbrücke senkte sich herab und heraus zog ein ganzes Heer winzig kleiner Soldaten, aber bis auf die Größe waren sie ganz so, wie sonst die Soldaten sind. Erst kam ein Regiment Reiter mit Trompetern und Paukern und einer schönen Standarte, dann folgten die Geschütze und endlich kam das Fußvolk mit Spießen und Musketen und Trommeln und Fahnen, ganz wie in der Wirklichkeit. Das war nun eine Lust zu sehen. Alle die Soldaten hatten rote Uniformen und auch eine rote Fahne führten sie. Nach und nach war das ganze Heer ausgezogen und ordnete sich zur Schlacht. Über den ganzen Schreibtisch zogen sie einher und suchten sich günstige Stellungen; besonders stark wurden einige Bücher besetzt, weil sie höher waren als die Fläche des Tisches, und auf einer alten Bibel, die da lag, wurden die Kanonen und eine Abteilung Schützen aufgestellt, denn da war der höchste Punkt des Schlachtfeldes.

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Kaum hatte nun die Armee auf diese Weise sich aufgestellt, so zog eine zweite aus dem andern Tor der Leuchterburg. Die trug weiße Uniformen, sonst aber war sie ganz wie die andere. Aha, dachte Peter, der eifrig zusah, das sind die Kaiserlichen, jetzt geht es den Roten sicher schlecht, denn der Kaiser siegt immer. Und so geschah es auch; die Weißen griffen mit großem Ungestüm an und in kurzem waren alle die vorteilhaftesten Stellungen erobert, die Reiterei in die Flucht geschlagen und nach langem Widerstand und heftigem Kampf von beiden Seiten wurde auch die Schanze auf der alten Bibel erstürmt. Die Roten ließen manchen toten Mann auf dem Platz und einige erschossene Pferde und zogen sich allmählich in die Burg hinein zurück. Da schlugen die Trommeln der Weißen Victoria, die Fähnriche schwenkten die Fahnen und mit großem Jubel ordneten sie sich zur Marschlinie und zogen gleichfalls in das Tor der Leuchterburg hinein, wo sie herausgekommen waren. Die Zugbrücken wurden aufgezogen, die Tore klappten zu, da flammte die Kerze, welche während dieser ganzen Begebenheit immer geknistert und gesprüht hatte, plötzlich hell auf und erlosch und Petern blieb nichts übrig, als sich im Dunkeln zu Bett zu legen, zumal da er auch von dem wunderbaren Schauspiel ganz berauscht und müde war.

Am andern Morgen erwacht, hätte er wohl das ganze nächtliche Abenteuer für einen Traum gehalten, denn der Leuchter stand ganz ruhig da und die Burg in seinem Fußgestell war so fest und dicht, dass es töricht schien zu denken, dass sie sich jemals geöffnet hätte und sie schien auch viel zu klein, um zwei so große Armeen einzuschließen.

Alles andere auch lag und stand auf seinem Platz, als ob nichts vorgefallen wäre, nur lag auf jedem Fleck, wo einer der roten Soldaten gefallen und liegen geblieben war, ein blanker Dukaten, wo aber ein Pferd gefallen war, da lag gar eine doppelte goldene Pistole.

Man kann sich denken, dass unser armer Schreiber sich nicht lange Zeit nahm dies Wunder anzustaunen. Schnell raffte er das Gold zusammen, zählte es einige Male, um sich recht fest zu überzeugen, dass alle der Reichtum wirklich da wäre und steckte vorsichtig einen Dukaten ein, um sich ein gutes Frühstück zu kaufen. Zwar war er, als er dem Wirt sein Goldstück gab, etwas ängstlich, ob es auch wirklich richtiges Gold wäre und nicht etwa in des Wirts Hand zu Kohlen würde, wie das, sagt man, bei Feengold oft geschieht; aber der Wirt nahm den Dukaten ohne Bedenken und gab ihm noch viel Silbergeld heraus. Das war ein Glück! Den ganzen Tag dachte der reich gewordene Schreiber an keine Arbeit, sondern tat sich gütlich, aß und trank und ging zwischen den Mahlzeiten spazieren und diesmal schien ihm das Spazierengehen viel lustiger wie sonst.

Als es aber Abend ward und dunkel, da dachte er an den Wunderleuchter. Wieder steckte er die Kerze an, aber sie brannte wie eine gewöhnliche Kerze, nur viel schöner und heller, und als er lange genug in die Flamme gesehen, ohne dass etwas erfolgt wäre, setzte er sich an die Arbeit und schrieb wieder einige Seiten aus dem wunderlichen Buche ab. Nach ein paar Stunden aber und gerade zur Zeit wie gestern, fing auch das Platzern des Lichtes wieder an, die Trommeln wirbelten, genug die ganze Begebenheit wiederholte sich, ja die Roten wurden noch schlimmer geschlagen und am andern Morgen lagen noch mehr Goldstücke auf Peters Tisch und Büchern.

Nun war alle Armut zu Ende und Peter eben so glücklich wie er sonst unglücklich gewesen war.

Aber plötzlicher Reichtum, sagt man, ist schwer zu tragen und das traf auch bei Petern ein.

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Statt wie früher fleißig zu sein, verbrachte er die Zeit mit Wohlleben und alle Wirte der Stadt bekamen an ihm einen trefflichen Kunden.

Auf die Kosten kam es dabei nicht an, denn der Leuchter sorgte für alles und für mehr als nötig war. Erstaunlich aber war es, welch eine Menge von Freunden unser Peter plötzlich hatte, von denen er sonst nie etwas gemerkt, und in welchem Ansehen er bei ihnen allen stand.

Selbst die Soldaten, die doch sonst immer das große Wort führen und früher solch einen armen Schlucker, wie er war, gar nicht ansahen, behandelten ihn mit großem Respekt und wenn er von Krieg und Schlachten sprach, denn davon glaubte er nun, da er so oft schon die Leuchterarmeen hatte kämpfen sehen, eine vollständige Kenntnis zu haben, hörten ihm selbst alte benarbte Krieger mit Aufmerksamkeit zu: was war natürlicher als dass er alsdann, um auch höflich zu sein, für alle die Zeche bezahlte.

Wie es sich von selbst versteht, hatte er eine schöne Wohnung gemietet, trug schöne und reiche Kleider und ließ zwei reichgekleidete Lakaien hinter sich her schreiten, wenn er ausging, welche ihm Mantel und Degen nachtragen mussten.

An das Buch ward anfangs wenig, bald gar nicht mehr gedacht, noch weniger geschrieben und da er die Stunde wusste, wo in der Leuchterburg Reveille geschlagen wurde, so ging er nur dann nach Haus und zündete die Kerze nur an, um Gold zu gewinnen.

Nun sollte man denken, dass auch selbst bei solcher Lebensweise das Gold, welches der Leuchter spendete, überflüssig gereicht hätte, aber Peter hatte, wie es sich für einen so reichen Mann ziemte, eine große Neigung zum Spiel gewonnen und da er hoch spielte, denn wie durfte ein so wohlhabender Mann sich um Groschen bemühen, und da einige seiner neuen Freunde ein ganz unglaubliches Glück in allen Spielen hatten, sowohl mit Würfeln als mit Karten und im Brettspiel, so konnte es nicht fehlen, dass er viel Geld verlor, denn er verlor fast jedes Mal wenn er spielte.

Aber, sagte sich Peter, dem Glück kann man nicht gebieten und wer nicht wagt, gewinnt auch nicht und spielte und verlor fort.

So kam es, dass er bald genötigt war, jeden Abend eine Schlacht schlagen zu lassen, weil jeden Tag das Gold von gestern drauf ging. Dabei fiel ihm denn wohl das Buch in die Augen, welches er abschreiben sollte und woran noch so wenig getan war, aber er hatte noch lange Zeit dazu, sagte er sich, wohl noch einen ganzen Monat und nächstens wollte er tüchtig daran arbeiten. So verging Tag auf Tag und was das Schlimmste war, die Kerze auf dem Leuchter wurde immer kürzer, denn bei dem Prasseln und Sprühen während des Gefechtes der Leuchtersoldaten und durch das Aufflammen am Ende desselben, wurde jedesmal viel davon verzehrt.

Eines Abends nun hatte Peter sehr unglücklich gespielt und alles, was er bei sich hatte, verloren. Zur rechten Stunde aber ging er nach Haus, zündete die Kerze an, nahm die Goldstücke, die sie spendete und kehrte damit zu seinen Kameraden zurück, denn endlich, dachte er, muss das Glück sich wenden und ich will wieder gewinnen, was ich verloren habe; es wäre doch ärgerlich, so viel Geld einzubüßen.

Leider aber wandte sich das Glück nicht; auch diesmal verlor er Alles und kehrte missmutig und müde heim.

Da fiel ihm der Leuchter in die Augen; sollte er wohl zweimal in einer Nacht Gold spenden? Es gilt den Versuch; gedacht getan, das Licht brennt, die Trommeln rasseln, die Zugbrücke fällt, genug es geschieht alles wie gewöhnlich - doch nein - diesmal ist es die rote Armee, die siegreich ist, die weiße wird schmählich in die Flucht geschlagen und verliert viel Volks, während die Roten nicht einen Mann einbüßen. Die Kerze erlischt wie gewöhnlich, aber als Peter die gewohnten Goldstücke sucht, welche traurige Überraschung! statt der Goldstücke finden sich an der Stelle, wo die weißen Krieger fielen, nur Stücke wertlosen Bleies.

Nun war es mit dem Reichtum aus, denn die wenigen Bleistücke waren nichts wert und unglücklicherweise blieb jetzt der Sieg beständig bei den Roten und Peter erntete nur Blei statt Gold.

Nun ging es ebenso schnell wieder in die Armut hinein, wie früher in den Reichtum. Der Verkauf seiner guten Geräte und Kleider brachte kaum genug zum dürftigen Leben und Peter zog wieder in sein Dachstübchen, wollte auch nun eifrig schreiben, um den Auftrag der Dame zur rechten Zeit zu vollenden. Aber ging es früher schon beschwerlich mit der fremden Schrift, so wollte es jetzt erst gar nicht glücken. Die Augen und Hände waren durch das lange Müßiggehen der Arbeit entwöhnt und so dauerte es lange, bis er eine Seite vollendet hatte, die noch dazu bei weitem nicht so sauber geschrieben war, wie sie sein sollte. Dazu war die Zauberkerze fast ganz verbrannt und konnte kaum noch für einen Abend hinreichen. Da seufzte denn Peter gar schwer, als er das alles bedachte; gerade war er am Ende einer Seite des Buches angelangt und schlug das Blatt um, und siehe da; anstatt der wunderlichen Charaktere, die er bisher nachgemalt, stand da mit schönen deutlichen Buchstaben: "einem Toren ist nicht zu helfen." Indem fing der Trommellärm im Leuchter wieder an, die Schlacht ward geschlagen, aber wieder siegten die Roten und statt Gold gab es Blei. Peter ging traurig im Dunkeln zu Bett, ärgerlich, dass das Buch ihn gewissermaßen einen Toren genannt hatte und dass er ihm eigentlich doch nicht widersprechen konnte. Da fiel ihm plötzlich ein: halt, das erste Mal, als ich die Kerze zweimal in einer Nacht anzündete, wechselte der Sieg und statt Gold gab es Blei, wie wär es, wenn ich sie jetzt wieder anzündete! Natürlich wird der Sieg wieder wechseln und ich werde wieder Gold bekommen. Das schien ihm sehr klug gedacht. "Warte nur, du verwünschtes Buch, sagte er, ich bin doch nicht so töricht wie du meinst."

Gesagt getan, Feuerzeug war zur Hand, die Kerze brannte, flammte, knisterte, die Trommeln ließen sich hören, aber sie wurden immer lauter und lauter, endlich ging der Ton in ein furchtbares Getöse über, die Flamme des Lichtes erhob sich bis zur Decke des Zimmers und leckte dann gierig umher; im Nu brannten Bücher, Papiere, der Tisch, das Bett, kaum dass sich Peter mit versengtem Haar die Treppe hinab flüchten konnte.

Das Haus brannte ab bis auf den Grund. Der Eigentümer klagte Petern an als den Urheber des Brandes, dieser aber war ärmer als jemals, denn er hatte nicht einmal Kleider mehr und musste noch dazu fürchten, dass er wegen des verursachten Brandes vom Gericht belangt werden würde.

In solcher Not riet ihm einer seiner Kameraden aus den Tagen des Wohllebens, der ein alter Soldat war, sich anwerben zu lassen, um nur dem Gerichte und dem Verhungern zu entrinnen; dem Soldaten aber, sagte er, steht der Weg zum größten Glück immer offen. Das tat Peter. Dass er es bis zum General gebracht habe, wie er früher so oft gewünscht, ist nicht sehr wahrscheinlich, denn man hätte es wohl erfahren, aber man hat nie wieder etwas von ihm gehört und er wird also wohl in einer Schlacht umgekommen sein.

Die Dame ist auch nie wieder gesehen worden und hat nie wieder, weder nach ihrem Buch, noch nach ihrem Leuchter gefragt.

Diese sind im Feuer untergegangen, die Dame wird aber wohl eine Fee gewesen sein.

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Märchen und Sagen für Jung und Alt. Bd. 2. Düsseldorf, Verlag des lithographischen Instituts von Arnz & Comp. [1856 oder 1857]. Darin: Der wunderbare Leuchter. Märchen von H. Becker, S. 32- 36. Für obige Abbildungen wurde ein Einzeldruck der Illustration verwendet.

Digitalisiert durch die Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf, URL:
http://digital.ub.uni-duesseldorf.de/dfg/content/pageview/1082257
Persistente Identifier (Werk): urn:nbn:de:hbz:061:2-314
Persistente Identifier (Seite): urn:nbn:de:hbz:061:2-192-p0391-0

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2. Titelillustration
mit Märchen- und Sagenmotiven

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Märchen und Sagen für Jung und Alt. Bd. 2. Düsseldorf, Verlag des lithographischen Instituts von Arnz u. Comp. [1856 oder 1857]. Titelblatt. C[aspar] Scheuren fec. J[ohann] B[aptist] Sonderland lith.
Digitalisiert durch die Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf, URL:
http://digital.ub.uni-duesseldorf.de/dfg/content/pageview/1082221
Das Bild wurde beschnitten und bearbeitet.

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Einen Überblick über die Märchen- und Sagenmotive
im Goethezeitportal finden sie hier.

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3. Kurzbiographie zu Hermann Becker

Beim Autor handelt es sich um den Maler, Kunstschriftsteller und Journalisten Hermann (Heinrich) Becker (24. September 1817 - 3. Mai 1885). Er studierte an der Kunstakademie in Düsseldorf (Malklasse von Carl Ferdinand Sohn, 1840-1842), gehörte 1844 zu den Gründern des "Vereins der Düsseldorfer Künstler zu gegenseitiger Unterstützung und Hilfe" sowie 1848 zu den Gründungsmitgliedern des Düsseldorfer Künstlervereins Malkasten und war Mitinitiator der "Allgemeinen Deutschen Kunstgenossenschaft", die sich 1856 in Bingen konstituierte. "Nach dem Bankrott seines ehemaligen Vormunds und Vermögensverwalters, des Hamburger Reeders Johann Conrad Diercks, wurde er Ende 1857 mittellos und musste nach einem Broterwerb suchen, um sich und seine Familie zu unterhalten. Becker arbeitete jetzt auch als Vorlagezeichner für Holzschnitte und wandte sich der schriftstellerischen Tätigkeit zu; bereits seit 1856 war er Mitarbeiter beim Feuilleton der "Kölnischen Zeitung". (Sent, S. 5) 1860 übersiedelte er nach Köln. "1866 trat er ganz in die Redaktion der "Kölnischen" Zeitung" ein [...] und verblieb dort bis zu seinem Tod als Kunstkritiker." (S. 6). Im Nachlass findet sich eine Korrespondenz mit August Beck, der gleichfalls seine Ausbildung bei Prof. Sohn erfahren hatte, von 1862 bis 1866.

Stadtarchiv. Landeshauptstadt Düsseldorf. Nachlässe / Sammlungen. 4-2. Hermann Heinrich Becker (24. September 1817 - 3. Mai 1885). Bearbeitet von Eleonore Sent. Düsseldorf 2006. URL:
http://www.duesseldorf.de/stadtarchiv/fortgeschrittene/tektonik/deposita/findbuecher/4_2becker.pdf

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4. Kurzbiographie zu August Beck

Beck, August, schweizerischer Schlachtenmaler und Kriegsbilderzeicher, geb. 25. April 1823 zu Basel, † 28. Juli 1872 in Thun. Von Haus aus zum Kaufmann bestimmt, durch ein glückliches Ungefähr jedoch der Kunst zugeführt, erhielt er seine Ausbildung auf der Düsseldorfer Akademie, indem er mit Vorliebe das Studium der Pferdezeichnung pflegte, Scenen aus dem Soldatenleben malte und zeichnete und sich allmählich dem Fache des Illustrationszeichnens zuwandte. In den letzten 20 Jahren war er vorzugsweise Mitarbeiter der Leipziger „Illustrirten Zeitung“, anfangs als Zeichner von Scenen des Soldatenlebens im Frieden, seit dem Krimkriege, dem er in einem Hefte lithographirter Skizzen humoristische Seiten abgewann, und seit dem italienischen Feldzuge von 1859, dem er im Auftrage des Leipziger Blattes als Feldzeichner im österreichischen Heere beiwohnte, auch als Kriegsbilderzeichner. Seine malerischen Schlachtenscenen wurden berühmt und fanden ob ihrer glücklichen Erfassung der Hauptgefechtsmomente und wegen ihrer großen bis ins Einzelne gehenden Genauigkeit auch den Beifall der Militärs, welche den Künstler überdies wegen seines biedern, schlichten Wesens, seiner Iovialität, seiner soldatischen Abgehärtetheit und Unerschrockenheit inmitten der größten Gefahren als Kameraden ansehen und schätzen lernten. In dieser Weise sicherte er den schleswigschen Krieg von 1864, den er in Baron Gablenz’ Hauptquartiere mitmachte, sodann den deutsch-böhmischen Feldzug von 1866, den er unter persönlichen Gefahren im sächsischen Corps miterlebte, endlich den deutsch-französischen Krieg von 1870/71 durch seinen trefflichen Griffel für die Zeitgeschichte. Zwei seiner größten Arbeiten sind die Tableaux der Völkerschlacht (1863 veröffentlicht) und des deutsch-französischen Kriegs (in 25 Einzelbildern). Nach seinem Tode erschienen noch 41 Tafeln „Lose Blätter zur Geschichte der königlich sächsischen Armee, auf Holz gezeichnet“ (Dresden, 1874). Schweizerische Artillerieofficiere errichteten ihm 1873 auf dem Friedhofe zu Thun ein Grabdenkmal: „in dankbarer Erinnerung“, geweiht „dem genialen Künstler und guten Kameraden, dessen wahrheitstreuer Stift in Krieg und Frieden unermüdlich der Verherrlichung des Wehrstandes diente“.

Artikel „Beck, August“ von Karl Whistling in: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB), Band 2 (1875), S. 20. Mehrfach online:
Wikosource: http://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Beck,_August_(Maler)&oldid=1194350
Deutsche Biographie, ADB: http://www.deutsche-biographie.de/sfz2478.html

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5. Rechtlicher Hinweis und Kontaktanschrift

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Prof. Dr. Georg Jäger
Ludwig-Maximilians-Universität München
Institut für Deutsche Philologie
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