goethe


Jutta Assel | Georg Jäger

Die feindlichen Brüder
Die Burgen Liebenstein und Sterrenberg am Rhein

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Sternberg und Liebenstein genannt die Brüder. Dessiné d'apres nature par J. A. Lasinsky. Gravé par R[udolf] Bodmer. Coblenz K. Baedeker. Um 1828. Altkolorierte Aquatintaradierung. Quelle: Vues du bords du rhin, Koblenz um 1832. Zur Vergrößerung doppelklicken Sie bitte auf folgenden Link:

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Lasinsky, Maler und Zeichner für die Lithographie, geb. Simmern 16. 10. 1808, gest. Düsseldorf 6.9.1871. Schüler der Akademie Düsseldorf (1827/37). Gehört zum Kreis der Düsseldorfer Landschafter der J. W. Schirmer-Schule. Seine erste Leistung sind die Vorzeichnungen der „Zwölf lithographischen Ansichten merkwürdiger Burgen etc. in Umrissen“, die, lithographiert von Jac. Becker, 1828 in der „Rheinreise von Mainz bis Cöln“ von Joh. Aug. Klein (1836 in 2. Aufl. bei K. Baedeker in Coblenz als erster „Baedeker“ herausgegeben) erschienen. 1829 veröffentlichte er in Frankfurt a. M. 55 weitere lithographische Rheinansichten unter dem Titel „Skizzenbuch“ (auch engl. Ausgabe). 1837/43 war Lasinsky in Koblenz, 1843/54 in Köln, seitdem wieder in Düsseldorf ansässig. (Thieme-Becker, gekürzt).

Bodmer, Schweizer Kupferstecher, geb. 1805 und gest. 1841, radierte zahlreiche Landschafts-Veduten für Reisewerke. (Thieme-Becker, gekürzt)

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Aus sorgfältig gebauten Weinbergen steigen auf zerrissenen Felsen die Trümmer der beiden Brüderburgen Liebenstein und Sterrenberg empor, unten im Tal Kloster Bornhofen mit der 1435 erbauten zweischiffigen gotischen Kirche, ein namentlich im September sehr stark besuchter Wallfahrtsort. [... ] Sterrenberg hatten schon im 12. Jahrh. die Herren von Boland vom Reich zu Lehen. Später kam Kurtrier in den Besitz beider Burgen. Zeit und Ursache des Verfalls sind unbekannt. Sterrenberg, auf der äußersten Bergspitze liegend und durch Graben und eine sehr dicke Mauer, vom Volk die Streitmauer genannt, von Liebenstein getrennt, überrascht durch großartige Ausdehnung der Ruinen und die höchst malerische Aussicht in die felsenumstarrten Schluchten des Rheintals. Im Jahr 1859 ist begonnen worden die Ruinen durch Anlagen zugänglich zu machen.

Die Rheinlande von der Schweizer bis zur Holländischen Grenze. Handbuch für Reisende von K[arl] Baedeker. 11. verb. Aufl. Koblenz: Karl Baedeker 1860, S. 210. Redigiert.

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Bornhofen, ehemaliges Kapuziner-Kloster, und seit Anfang des 15. Jahrhunderts bis vor einigen Jahrzehnten stark besuchter Wallfahrtsort, ein von dem weißen Kappenturm überragtes Quadrat. Die Marien-Kirche, welche schon 1289 stand und eine wundertätige Madonna enthält, ist noch zu gottesdienstlichem Gebrauch bestimmt, aber das 1679 entstandene und 1803 aufgehobene Kloster hat sich in ein Gasthaus "Zu den Brüdern" verwandelt. Der hübsche Rebgarten, die schöne Nussbaumallee und die Häuser des gleichnamigen kleinen Weilers in der Schlucht sind freundliche Zugehörungen der Hauptgebäude. Durch das Tälchen führt ein einsamer Pfad nach Braubach, wodurch man eine Stunde abschneidet.

Südlich von Bornhofen ragen auf dem zerklüfteten Felsen die Trümmer der Burgen  Sternberg und Liebenstein, die beiden Brüder genannt, empor. Von der ersten mehr nördlich gelegenen stehen noch drei viereckige Türme und einiges Hausgemäuer; die letzte ist mehr zertrümmert und zeigt nur noch einen niedrigen Turm und andres Mauerwerk. In und unter ihren Ruinen befinden sich zwei kleine bewohnte Hofgebäude, mit dem ganzen dem Freiherrn von Preuschen von und zu Liebenstein gehörig. Sternberg oder Sterrenberg war der Wohnsitz eines von den Bolanden abstammenden gleichnamigen, früh erloschenen Geschlechts. Eine der interessantesten Rheinsagen, deren Gegenstand jenem von den beiden Gräfinnen von Gleichen durchaus entgegengesetzt ist, hat ihren Schauplatz in diesen Burgen. Ein griechisches Weib entzweite die Brüder, welche kinderlos starben. Sternberg wurde, aller Wahrscheinlichkeit nach, im 12. Jahrhundert erbaut und im 17. zerstört. Liebenstein ist nicht so alt. Die Bolanden waren ebenfalls seine Erbauer. Die Familie des ersten Namens starb 1673 aus. Beide Burgen kamen an Trier, und 1793 an ihren jetzigen Eigentümer.

Zu ihrer Ersteigung braucht man von Bornhofen 20 bis 25 Minuten. Das dem Örtchen zunächst gelegene Sternberg ist auf einem Vorsprung des Felsen erbaut, dessen hoch emporragender Zahn mit dem 30 Fuß hohen Hauptturm besetzt ist. Die Erhebung dieses Punktes über dem Rhein ist nicht unter 600 Fuß. Rings um den vereinzelt stehenden, künstlich behauenen Felsblock gruppieren sich die ziemlich weitläufigen Überreste der frühern Gebäulichkeiten und die Doppel-Mauern gegen Liebenstein, auf welcher Seite der Haupteingang gewesen zu sein scheint. Noch bemerkt man die Brücken-Pfeiler und den nach der kaum 4 Minuten entfernten Nebenburg führenden alten Weg. Und wirklich war das etwa 80 Fuß höher gelegene Liebenstein eine unumgänglich notwendige Zugabe zu Sternberg, weil man von jenem den Rhein und seine Umgebung weiterhin übersehen kann, nämlich von Nieder-Kestert bis Kamp. Die viel kleinere Burg besteht ebenfalls aus einem auf einem Felszacken erbauten 35 Fuß hohen Hauptturm und einem gegen den Rhein gerichteten Spitzgiebel-Gebäude. Der gegen Nieder-Kestert durch die Weinberge sich hinabsenkende 20 Minuten lange Weg ist sehr steil.


Der Rhein und die Rheinlande dargestellt in malerischen Original-Ansichten von Ludwig Lange und in Stahl gestochen von Johann Poppel. Darmstadt, Druck und Verlag von Gustav Georg Lange 1855 (Digitalisierung durch Google), S. 98f. - Rheinfuß = ca. 31,4 cm.

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Graf von Gleichen und seine Doppelehe
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Die feindlichen Brüder bei Bornhofen am Rhein mit Kloster und Dorfansicht. Ölgemälde von Karl Bodmer. Um 1830. Höhe 47, Breite 60,5 cm. Sammlung Armin Hardy, Koblenz. Zum Vergrößern doppelklicken Sie bitte auf folgenden Link:

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Karl Bodmer, Schweizer Maler, Radierer, Lithograph und Zinkstecher, geb. im Februar 1809, gest. am 30. 10. 1893 in Barbizon, Schüler seines Oheims Joh. Jac. Meyer von Meilen. 1832–34 begleitete er als Zeichner und Illustrator die Forschungsreise in das Innere Nordamerikas von Maximilian Prinz zu Wied, die von nachhaltigstem Einfluss für ihn wurde, indem sie in ihm die Liebe zu der unberührten Natur und damit das Bestreben erweckte, die Landschaft von der Vedute zu befreien. Die Beschreibung dieser Reise erschien, reich illustriert von Bodmer, 1836 in französischer, 1839–41 in deutscher Ausgabe. Nach Europa zurückgekehrt, ließ sich Bodmer zunächst in Paris, dann, seit 1849, in Barbizon nieder, wo er sich der dortigen Landschafter-Schule anschloss. Seit 1836 beschickte der Künstler ziemlich regelmäßig die Ausstellungen des Pariser Salon. (Thieme-Becker, Auszug, korrigiert)

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Gliederung

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1. Heinrich Heine
Zwei Brüder

Oben auf der Bergesspitze
Liegt das Schloss in Nacht gehüllt;
Doch im Tale leuchten Blitze,
Helle Schwerter klirren wild.

Das sind Brüder, die dort fechten
Grimmen Zweikampf, wutentbrannt.
Sprich, warum die Brüder rechten
Mit dem Schwerte in der Hand?

Gräfin Lauras Augenfunken
Zündeten den Brüderstreit.
Beide glühen liebestrunken
Für die adlig holde Maid.

Welchem aber von den beiden
Wendet sich ihr Herze zu?
Kein Ergrübeln kanns entscheiden –
Schwert heraus, entscheide du!

Und sie fechten kühn verwegen,
Hieb auf Hiebe niederkrachts.
Hütet euch, ihr wilden Degen,
Böses Blendwerk schleicht des Nachts.

Wehe! Wehe! blutge Brüder!
Wehe! Wehe! blutges Tal!
Beide Kämpfer stürzen nieder,
Einer in des andern Stahl. –

Viel Jahrhunderte verwehen,
Viel Geschlechter deckt das Grab;
Traurig von des Berges Höhen
Schaut das öde Schloss herab.

Aber nachts, im Talesgrunde,
Wandelts heimlich, wunderbar;
Wenn da kommt die zwölfte Stunde,
Kämpfet dort das Brüderpaar.

Buch der Lieder, Junge Leiden, Romanzen. Erschienen 1827
http://de.wikisource.org/wiki/Zwei_Brüder


Heines Gedicht fand Eingang in Reiseführer und Sammlungen von Rheinsagen, z.B.
* Karl Simrock: Rheinsagen aus dem Munde des Volks und deutscher Dichter. Für Schule, Haus und Wanderschaft. 2. verm. Aufl. Bonn: Eduard Weber 1837 (Digitalisierung durch Google), S. 206f.
* Der Führer am Rhein von seiner Quelle bis zur Mündung. Ein Handbuch für Freunde der schönen Natur, der Kunst und des Altertums, mit ausgewählten Balladen und Liedern. 2., verm. u. verb. Auflage. Bonn: T. Habicht 1849 (Digitalisierung durch Google), S. 133.
* Karl Baedeker: Die Rheinlande von der Schweizer bis zur Holländischen Grenze. 11. verb. Aufl. Koblenz: Karl Baedeker 1860 (Digitalisierung durch Google), S. 210.
* Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Berlin: J. Meidinger 1886. Digitalisiert in: Deutsche Literatur von Luther bis Tucholsky. Großbibliothek (Digitale Bibliothek; 125) Berlin: Directmedia 2005, S. 435.342. Online unter: www.zeno.org

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1. Karte von oben: Bornhofen a. Rhein. Sternberg und Liebenstein (die feindlichen Brüder.) Verso: Hotel Marienberg. Jos. Schauren, Weingutsbesitzer Bornhofen a. Rh. | 2449 Louis Glaser, Leipzig. Gelaufen. Poststempel 1912.
2. Karte von oben: Am Rhein. Bornhofen m. Bad Salzig. Verso: Verlag Photo Kratz, Köln. Im Briefmarkenfeld: 14985. Nicht gelaufen.
3. Karte von oben: Kloster Bornhofen, Ruine Liebenstein und Sternberg. Verso: 11. Rechts unten: 18 6388. Nicht gelaufen.
4. Karte von oben: Sterrenberg und Liebenstein. Die feindlichen Brüder. Im Bild signiert: Bilse (?). Oberer Rand: Novitas-Verlag von Künstler Postkarten nach Original-Aquarellen. Linker Rand: Gesetzlich geschützt. Rechter Rand: Serie I Der Rhein. 33 Blatt. No. 1-33. Unterer Rand: Novitas G.m.b.H. Hamburg-Artushof. Blatt No. 18. Chromolith. Ritter & Kloeden, Nürnberg. Gelaufen. Poststempel 1898. Adressseite ungeteilt.
5. Karte von oben: Blick auf die fdl. Brüder und Bornhofen a.Rh. Verso: Ruine Liebenstein und Sterrenberg. Kunstverlag Edm. von König, Heidelberg. Ges. gesch. Nr. 7392. Gelaufen. Poststempel 1934.

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2. Johann Conrad Dahl
Sternberg und Liebenstein oder die Brüder


Unter St. Goar und Welmenich zieht eine nackte steile Felsenwand am Rhein hinab, welche man, der reichen Ausbeute an Silber wegen, das Ehrental nennt. Um sie krümmt sich der Fluss rechts durch einen neuen Umschwung und bildet vor Hirzenach ein kleines Eiland. Oben auf den Felsen erscheinen die Trümmer der beiden Burgen: Sternberg und Liebenstein - auch Sternfels und Löwenstein - von dem Volke "die Brüder" genannt. Unten im Tale tritt auf einer Landspitze die schöne Kirche von Bornhofen hervor.

So wie keine Gegend in Deutschland so viele Ruinen alter Ritterburgen und Klöster aufzuweisen hat, als die Strecke vom Taunus bis zum Siebengebirge, so kennt man auch von keiner Gegend und den alten Schlössern in derselben so viele und wunderliche Sagen im Munde des Volkes, als eben von diesem Strich Landes. Sie knüpfen sich an die zerstörten Denkmäler einer längst versunkenen Zeit, wie Erscheinungen, und das Gemüt gibt sich der Vergangenheit um so lieber hin, wenn das erzählte Wundervolle zugleich ein geschichtliches ist. Letzeres ist zwar nicht immer der Fall; doch stimmt meistens die Sage, wenigstens in etwas, mit der Geschichte überein.

Die Zeit und Geschichte der Erbauung der Burgen Sternberg und Liebenstein kennt man nicht. Eine dicke Mauer, welche zwischen beiden noch zu sehen ist, gab erst zur Vermutung Anlass und dann den Stoff zu folgender Sage:

Zu jener Zeit, als die Heiligen Bernard und Hildegard den Kreuzzug am Rhein predigten (im 12. Jahrhundert), wohnte auf der Burg Sternberg ein Ritter, der hatte zwei Söhne, die sich, in jedem Betracht, zu der schönsten Hoffnung seiner alten Tage bildeten. Mit ihnen ließ er ein holdes Fräulein auferziehen, das die Erbin vieler Güter war, und nebst einer vorzüglichen Schönheit auch die Reize der Sittsamkeit und Sanftmut besaß. Einem der Söhne sollte dieser Schatz zu Teil werden; um aber frühere Liebesverhältnisse und daraus mögliche schädliche Folgen zu entfernen, gab der Vater sie für ihre Schwester aus. So wuchsen sie in geschwisterlichen Verhältnissen auf zum reiferen Alter. Als nun die Zeit herankam, wo eine Verbindung zwischen den jungen Leuten möglich war, löste der Vater das Geheimnis ihrer Verhältnisse und forderte die errötende Jungfrau auf, einen der Söhne zum Manne sich zu erkiesen. Mit edler Entsagung trat der Ältere freiwillig zurück, obgleich sein Herz sich ganz zur schönen Jungfrau hinneigte. Er überließ sie dem Bruder, weil er eine stärkere Neigung zwischen ihm und ihr gewahrte. Dem alten Vater war dies freilich nicht ganz recht, doch ließ er es zu, da die drei jungen Leute einig waren. Nun blühten auf Sternberg die schönsten Hoffnungen auf, und schon machte man Anstalten zum festlichen Hochzeitschmaus. Da erscholl ein allgemeines Aufgebot an die deutsche Ritterschaft zu einem Kreuzzuge nach Palästina. Den jüngeren Bruder ergriff der Gedanke gewaltig, mit zu streiten in Palästina's herrlichen Gefilden für das Wohl der Christenheit, Ruhm und Ehre für diese und Verdienste für jene Welt sich zu erwerben. Je mehr er diesem Gedanken nachhing, je schöner malte ihm eine feurige Einbildungskraft das Bild dieses, ihm ganz neuen Lebens und Wirkens vor. Es war ihm nicht möglich, sich zu Haus in Ruhe zu denken, während seine Freunde und Kameraden im Kampf begriffen wären. Fort musste er. Fest stand der Entschluss, und nicht die Tränen der trostlosen Braut vermochten ihn wankend zu machen. Dem Schutze und den Tröstungen des treuen Bruders übergab er sie und verließ die väterliche Burg, zwar nicht ohne innige Rührung, doch getröstet durch die fromme Absicht, welche diesen Schritt erzeugt hatte. Der ältere Bruder erfüllte treulich, was er dem jüngern versprach, und was dieser von ihm erwartete. Er tröstete die Braut, und versuchte alles, ihre Leiden erträglicher zu machen. Dabei dachte er an nichts, als an die Pflichten der Freundschaft und Bruderliebe.

Bald darauf starb der Vater, noch im Tode die Schritte missbilligend, welche beide Brüder getan hatten: des ältern, weil er das Mädchen ausgeschlagen; des jüngern, weil er es verlassen hatte. Die Freundin war nun dem Freunde ganz allein überlassen. Aber dem schwachen liebevollen Herzen der Jungfrau genügte nicht an dem bloß freundschaftlichen Begegnen des Ritters. Noch ehe sie es selbst wusste, was in ihr vorging, loderte schon die Flamme der Liebe zu dem ältern Bruder in ihrem Herzen, die beide zu ersticken vergebens bedacht waren. Um der Vernunft Zeit zur Rückkehr zu lassen, unternahm der Ritter eine kleine Reise allein - beim Abschiede zeigte sich deutlich, dass zu spät schon diese Trennung geschah. Die Jungfrau konnte den heftigen Ausbruch des Schmerzes, selbst nicht mehr in dem Kreise ihrer Frauen, zurückhalten, und nur das Versprechen, bald wieder zu kommen, rettete sie vor Verzweiflung.

Während der Abwesenheit ihres geliebten Freundes erscholl die Nachricht, dass ihr Bräutigam in der Schlacht bei Nizza geblieben sei; und da sie lange keine Kunde von ihm selbst erhalten, so fing sie an, der Sage Glauben beizumessen, beweinte den Tod des Geliebten und betrug sich in allem wie eine fromme Witwe. Da kam der ältere Bruder zurück. Aber - statt die veränderten Umstände zu nutzen, begnügte er sich, das Andenken seines Bruders zu ehren, die vermeintliche Witwe zu trösten, und sie als Schwester zu lieben und zu achten. In diesem reinen Verhältnisse fanden sich schon beide glücklich, als auf einmal die Nachricht erscholl, dass der Bruder noch lebe und mit einer Griechin aus Konstantinopel verheiratet kommen werde.

Fürchterlich traf diese Post das Herz Beider. Der Bruder wütete ob dieses schändlichen Betragens, die Braut versank in starre Fühllosigkeit. Die geschwisterliche Eintracht verschwand, und der Gedanke blutiger Rache trat an ihre Stelle.

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Gruss vom Rhein. Rheinische Burgen u. Sagen. Bornhofen und die feindlichen Brüder. Signiert im Bild: J[osef] Wewerka. Verso: Kunstanstalt Fritz Gutmann, Coblenz. Nicht gelaufen. Text:

     Die feindlichen Brüder (Bornhofen)
Es hatten ein' Liebste zwei Brüder am Rhein,
Um die sie kämpften im Mondenschein.
Da tritt zu ihnen die Jungfrau hin:
"Enthaltet des Kampf's euch im grimmen Sinn,
Nicht einem von Euch gehör' je ich zu,
Dort unten im Kloster, da find ich die Ruh'".

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Josef Wewerka: Rheinische Burgen und Sagen
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[Fortsetzung] Der Kreuzfahrer kam zurück, wirklich mit seiner Schönen des Orients, und begehrte den Einlass ins väterliche Haus. Aber der Bruder verschloss ihm Tore und Burg, die Geliebte Herz und Kammer. Der brüderliche Kampf begann mit all der Wut und Rachlust, welche diesen Zeiten eigen war. Das väterliche Haus wurde zerstört, und zwischen den beiden wieder erbaueten Burgen, aus denen es bestand, wurde eine dicke Mauer errichtet, deren Trümmer man noch erblickt, welche die Scheidewand der unversöhnlichen Brüder sein sollte. Der ältere wohnte in Liebenstein, der jüngere in Sternberg. Aber ihr Blut war noch nicht abgekühlt. Durch Neckereien ohne Ende kam es endlich zum Zweikampf zwischen ihnen. Da trat die Jungfrau unter sie, mit der Milde eines Engels, und versöhnte sie. Von Gram und Kummer gebeugt, entschloss sie sich, in einem Kloster die noch übrigen Tage ihres unglücklichen Lebens zuzubringen. Alle ihre schönen Güter überließ sie der Kirche und den Armen.

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Am Rhein. "Die feindlichen Brüder". Verso: Verlag Photogr. Kratz, Köln-E. Subbelrath 308. Nicht gelaufen.

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[Fortsezung] Ungerührt hierdurch lebte der jüngere Bruder mit großem Glanze in den Armen seiner reizenden und wollüstigen Griechin, welche als eine der schönsten Weiber des blühenden Konstantinopels und feine Buhlerin am orientalischen Hofe gebildet, das Schloss Sternberg bald zum Sitz der feinen Welt und Galanterie am ganzen Rheine umstaltete. Dieses unritterliche Wesen missfiel dem ältern Bruder. Er vergaß das Vergangene, und um den Bruder zu retten aus den Schlingen einer Buhlerin, und der väterlichen Burg wieder den alten Ruhm zu verschaffen, suchte er sich bei der Griechin selbst einzuschmeicheln. Leicht fand er Gehör, und brachte es endlich bei der leichtsinnigen Orietalerin dahin, dass er seinem Bruder die zweideutigsten [!] Beweise von der Untreue seiner Gemahlin geben konnte. Wie von der Hand des Todes ergriffen, stand starr und wütend der Betrogene vor dem beschämenden Freunde. Mit Pfeilesschnelle stürzte er auf die Griechin ein, und sicher hätte er sie ermordet, wäre der Bruder ihm nicht in die Arme gefallen, und die Sünderin entflohen. Völlige Eintracht wurde nun hergestellt, und zwischen beiden ewige Bruderliebe angelobt. Beide Ritter starben ohne Erben, und ihre Burgen kamen an andere Geschlechter. - So weit die Legend; nun die Geschichte.

[Hier folgt eine ausführliche, quellengestützte Geschichte der Eigentümer und Lehensherren der Burgen.]

Im Jahre 1377 wurde die Pfandschaft von Boppard und Wesel wie auch der halben Burg Sternenberg, sowie der Vogtei in Hirzenach, samt allem Zugehör, durch den Kaiser Karl IV. wieder bestätigt, der Pfand Schilling aber um 10,000 Mark erhöhet. In der darüber ausgestellten Urkunde wird zugleich gesagt, dass die andere Hälfte des Schlosses Sternberg [!] ein altes Allodium des Erzstiftes Trier sei. Jetzt erst erfahren wir also die rechten Besitzer der beiden Schlösser Sternberg oder der Burgen Liebenstein und Sternberg oder Sternfels. Es war niemand anders als der Kurfürst von Trier, welcher das eine Schloss als Allodium [freier Besitz], das andere aber als kaiserliches Lehn besaß. Diese Verschiedenheit des Besitzes, so wie die wechselseitigen beständigen Neckereien der Burgmänner und Lehnträger in den beiden Schlössern mögen wohl die Ursache gewesen sein, dass, besonders zu den Zeiten des Faustrechts, jene starke Mauer dazwischen zu setzen für nötig gefunden wurde. [...]

Friedrich Gottschalck: Die Ritterburgen und Bergschlösser Deutschlands. Bd. 5. Halle: Hemmerde und Schwetschke 1821 (Digitalisierung durch Google), S. 196-212. - Johann Conrad Dahl (19.11.1762 - 10.03.1833), Domkapitular zu Mainz, verfasste zahlreiche historische und topographische Studien zu zum Rhein und seinen Altertümern. Siehe von ihm auch: Historisch-statistisches Panorama des Rheinstroms von Bingen bis Coblenz. Heidelberg: Joseph Engelmann 1820. Darin: Liebenstein und Sternberg (Sternfels) oder die Brüder, S. 116-123.

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Oben: Die feindlichen Brüder. Astudin-Karten vom Rhein. Verlag von Hoursch & Bechstedt Köln. No. 123. Nicht gelaufen. Text:
Die feindlichen Brüder. Die beiden Burgruinen Liebenstein und Sterrenberg, die den Schauplatz der bekannten Sage von den feindlichen Brüdern bilden, ragen steil über dem kleinen Wallfahrtsort Bornhofen.

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Unten: Kloster Bornhofen und die feindlichen Brüder. Oilette. Verso: Raphael Tuck & Sons "Oilette". Weite- Weite - Welt - Serien. Serie "Rheinburgen II" No. 679 B. Hoflieferanten S. Maj. des Koenigs und Ihrer Maj. der Königin von England. Gelaufen. Poststempel unleserlich. Text:
Kloster Bornhofen und die feindlichen Brüder. Das Kloster ist ein Wallfahrtsort, der namentlich im September viel besucht wird; die zweischiffige Kirche wurde 1435 erbaut. Auf den beiden Kuppen des Berges sieht man die Trümmer des "Liebenstein" und "Starenberg", die den Herren von Boland gehörten. Die dicke Streitmauer, die beide Burgen trennt, erinnert an den Zweikampf der beiden feindlichen Brüder.

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3. Ludwig Bechstein
Die Brüder

Auf den nachbarlichen Burgen Sternfels und Liebenstein am Rhein wohnten zwei Brüder, die waren sehr reich und hatten die Burgen stattlich von ihres Vaters Erbe erbaut. Da ihre Mutter starb, wurden sie noch reicher, beide hatten aber eine Schwester, die war blind, mit der sollten nun die Brüder der Mutter Erbe teilen. Sie teilten aber, da man das Geld in Scheffeln maß, dass jedes ein volles Maß nach dem andern nahm, und die blinde Schwester fühlte bei jedem, dass eines so richtig voll war wie das andere; die arglistigen Brüder drehten aber jedesmal, wenn es ans Maß der Schwester ging, dieses um und deckten nur den von schmalem Rand umgebenen Boden mit Geld zu, da fühlte die Blinde oben darauf und war zufrieden, dass sie ein volles Maß empfing, wie sie nicht anders glaubte. Sie war aber gottlos betrogen, dennoch war mit ihrem Gelde Gottes Segen, sie konnte reiche Andachten in drei Klöster stiften, zu Bornhofen, zu Kidrich und Zur Not Gottes. Aber mit dem Gelde der Brüder war der Unsegen für und für, ihre Habe verringerte sich, ihre Herden starben, ihre Felder verwüstete der Hagel, ihre Burgen begannen zu verfallen, und sie wurden aus Freunden Feinde und bauten zwischen ihren nachbarlich nahe gelegenen Burgen eine dicke Mauer als Scheidewand, deren Reste noch heute zu sehen sind. Als all ihr Erbe zu Ende gegangen, versöhnten sich die feindlichen Brüder und wurden wieder Freunde, aber auch ohne Glück und Segen. Beide bestellten einander zu einem gemeinschaftlichen Jagdritt, wer zuerst munter sei, solle den andern Bruder frühmorgens durch einen Pfeilschuss an den Fensterladen wecken. Der Zufall wollte, dass beide gleichzeitig erwachten, beide gleichzeitig die Armbrust spannten, im gleichen Augenblick den Laden aufstießen und schossen, und dass der Pfeil jedes von ihnen dem andern in das Herz fuhr – das war der Lohn ihrer untreuen Tat an ihrer blinden Schwester.

Andere erzählen, es habe das Geschick nur den einen Pfeil eines der Brüder dem einen der Brüder in das Herz gelenkt, darauf sei der andere zur Buße nach dem Heiligen Grabe gepilgert und im Morgenlande verstorben. Noch andere haben neue Märlein über dies feindliche Brüderpaar ersonnen, denen Kundige es auf den ersten Blick ansehen, dass sie früher nie als Sagen im Volke lebten.

Deutsche Literatur von Luther bis Tucholsky. Großbibliothek (Digitale Bibliothek; 125) Berlin: Directmedia 2005, S. 45.643f. Nach Ludwig Bechstein: Deutsches Sagenbuch. Leipzig: Georg Wigand 1853.

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Oben: Die feindlichen Brüder. 400. Verso Signet: Vorhängeschloss, darunter B., im Oval. Nicht gelaufen.
Unten: Die feindlichen Brüder (Ruine Sternberg und Liebenstein).Verso, Signet. 110. Nicht gelaufen.

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4. Johannes Classen
Die feindlichen Brüder. Eine schaurige Rheinballade

"Ein Mädchen, das zwei Freier hat,
Das tut kein gut ja nicht!"
So lesen wir es Blatt für Blatt
Im Buche der Geschicht'.

So war's auf Sternberg-Liebenstein,
Wo Bruder Heinerich
Mit seinem Bruder Konradein
Sich darum fast erstich.

Die beiden liebten minniglich
Ein Mägdlein wunderbar;
Sie aber schnitt den Heinerich,
Weil er zu schüchtern war.

Obgleich nun aber Angela
Den Konrad sich erkor,
Zog dieser doch nach Syria
Zum Kreuzzug aus, der Tor!

Ach, aus den Augen, aus dem Sinn!
Und Weiber sind kokett;
'ne Griechin sah Freund Konradin,
Sehr hübsch, wenn auch was fett.

Die bracht' er mit nach Liebenstein;
Doch als das Heinrich sah,
Fand er von Konrad das gemein
Von wegen Angela.

Er fordert gleich ihn auf Glacé
Und mitten in der Nacht,
Da hätten sie sich peu à peu
Beinahe tot gemacht.

Wenn Angela, die sanfte, nicht
Gesprungen aus dem Bett
Und sich, wie das so meist geschicht,
Darein gemengelt hätt'.

Ein Münich wurde Heinerich
Und Angela 'ne Nonn' -
Nur Konradin, der freute sich
Und meint': "Das kommt davon!

Wer Burgfrau wird auf Liebenstein
von diesen Frauenzimmern,
Darum hat sich mein Bruder Hein
Doch nicht zu bekumkümmern [!]."

So sang und soff er beim Gelag
Auf seiner trutz'gen Burg,
Bis ihm an einem schönen Tag
Die Griechin brannte durch.

Das hat den Konrad so gewurmt,
Dass er mit eins, zwei, drei!
Sich stürzt' ins Tal von seinem Turm, -
Da war's mit ihm vorbei.

Der lachende Rhein. Tausend Jahre rheinischen Humors in Wort und Bild. Hrsg. von Jörg Ritzel. Köln: Hoursch & Bechstedt 1930, S. 191 mit der folgenden Illustration.

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5. Rechtlicher Hinweis und Kontaktanschrift

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E-Mail: georg.jaeger07@googlemail.com

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