goethe


Jutta Assel | Georg Jäger

Moritz von Schwind
Ritter Kurts Brautfahrt

nach der gleichnamigen Ballade von Goethe

Stand Januar 2016
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Moritz von Schwind: Ritter Kurts Brautfahrt.
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Schrift am unteren Rand: WIEDERSACHER.WEIBER.SCHVLDEN!ACH.KEIN.RITTER.WIRD.SIE.LOS!RITTER.KVRT’S.BRAVTFAHRT.BALLADE.VON.GOETHE.
Öl auf Leinwand, Höhe 125, Breite 108 cm. Entstanden 1835-1840. Das Gemälde der Kunsthalle Karlsruhe verbrannte im Glaspalast in München 1931. Vgl. Verlorene Werke deutscher romantischer Malerei. Hrsg. von Georg Jacob Wolf. München: F. Bruckmann 1931, Abbildung S. 45.

„Ritter Kurts Brautfahrt, eines der ersten wirklich bedeutenden Werke Schwinds, sollte auch bestimmend werden für seinen weiteren Lebensgang. Das Ölbild wurde vom Großherzog von Baden angekauft, der dem Künstler den Auftrag gab, die neu erbaute Akademie zu Karlsruhe mit Fresken und den Sitzungssaal der ersten Kammer mit Ölgemälden zu schmücken." (Moritz v. Schwind. Eine Kunstgabe für das deutsche Volk. Etzin, S. 5f.)

„Der eigenwillig ‚weiterdichtende‘ Maler ließ den Ritter Kurt viermal im selben, frei erfundenen Handlungsraum auftreten, was einer Erzählform älterer Kunst von der Antike bis zur Renaissance entsprach; die Kunstgeschichte bezeichnet dies als ‚kontinuierende Darstellung‘. Oben verlässt Herr Kurt (erste Figur) seine Burg, deren ramponiertes Äußeres durch eine Torbekränzung und Fensterputzen festlich aufgebessert wird und wo man schon das Hochzeitsbett herbeibringt. Derweil reitet ein Geistlicher über die Zugbrücke. Links hat der Streit aus Goethes erster und zweiter Strophe stattgefunden, und der gebläute Widersacher stiebt auf dem Pferd davon, während Kurt (zweite Figur) seinen Weg fortsetzt. An der rechten Bildseite hält ihn (dritte Figur) eine Geliebte mit Kind an, welche Forderungen stellt (dritte Balladenstrophe), und zum vierten Mal erscheint Ritter Kurt eben als Hauptfigur unten bei der Marktbude, wo Goethesche Juden ihm zusetzen.“ (Moritz von Schwind. Meister der Spätromantik. Friedrich Gross, S. 142)

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Johann Wolfgang von Goethe
Ritter Kurts Brautfahrt

Mit des Bräutigams Behagen
Schwingt sich Ritter Kurt auf‘s Ross;
Zu der Trauung soll's ihn tragen,
Auf der edlen Liebsten Schloss,
Als am öden Felsenorte
Drohend sich ein Gegner naht;
Ohne Zögern, ohne Worte
Schreiten sie zu rascher Tat.

Lange schwankt des Kampfes Welle,
Bis sich Kurt im Siege freut;
Er entfernt sich von der Stelle,
Überwinder und gebläut.
Aber was er bald gewahret
In des Busches Zitterschein!
Mit dem Säugling still gepaaret
Schleicht ein Liebchen durch den Hain.

Und sie winkt ihm auf das Plätzchen:
„Lieber Herr, nicht so geschwind!
Habt Ihr nichts an Euer Schätzchen,
Habt Ihr nichts für Euer Kind?“
Ihn durchglühet süße Flamme,
Dass er nicht vorbei begehrt,
Und er findet nun die Amme,
Wie die Jungfrau, liebenswert.

Doch er hört die Diener blasen,
Denket nun der hohen Braut,
Und nun wird auf seinen Straßen
Jahresfest und Markt so laut,
Und er wählet in den Buden
Manches Pfand zu Lieb‘ und Huld;
Aber ach! da kommen Juden
Mit dem Schein vertagter Schuld.

Und nun halten die Gerichte
Den behenden Ritter auf.
O verteufelte Geschichte!
Heldenhafter Lebenslauf!
Soll ich heute mich gedulden?
Die Verlegenheit ist groß.
Widersacher, Weiber, Schulden,
Ach! kein Ritter wird sie los.

Entstanden um 1802, Erstdruck 1804. Motivische Anregung: François de Bassompierre, Mémoires du Marschal de Bassompierre. Cologne: DuMarteau 1666.

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Ritter Kurts Brautfahrt.
Ausschnitt

"Oben aber all die Vorbereitung zur Hochzeit auf der Burg: da werden die Scheiben geputzt, die Scheiter gelesen, die Hasen geholt, die Türen behängt, da schleppt man das mächtige Brautbett, da keuchen die Musikanten herauf, und da reitet das Pfäfflein über die Zugbrücke (...)." (Vierte Schwind-Mappe)

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Ausschnitt mit Ritter Kurt,
bedrängt von Gläubigern mit Schuldscheinen,
links Brautvater und die in Ohnmacht sinkende Braut.
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"Wählet in den Buden,
Manches Pfand zu Lieb und Huld;
Aber ach! da kommen Juden
Mit dem Schein vertagter Schuld.
Und nun halten die Gerichte
Den behenden Ritter auf.
O verteufelte Geschichte!
Heldenhafter Lebenslauf!

Es sind fürchterliche Kerle, die Schergen, die auf des dienernden Manichäers Geheiß der dürre Richter requiriert, aber noch peinlicher dürfte dem Helden der Brautvater sein, dem der Page so fröhlich sein ‚Da ist er ja!‘ zuruft, indessen sie, die Erwählte, malerisch in Ohnmacht sinkt. Es ist ein Gewimmel der lustigsten Motive in diesem Bild, ein echt deutscher Überschwang von Einfällen sprudelt aus allen Ecken darüber hin." (Vierte Schwind-Mappe)

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Ausschnitt mit den Gerichtsdienern.
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Links ein Advokat oder Richter, den ein liebedienerischer Gläubiger herbeiholt, mit Schergen, rechts die Künstlerfreunde Schwinds. Hinter der Bücherkiste sitzt Nikolaus Lenau; das Blatt mit Goethes Ballade hält Franz von Schober, ein Jugendfreund Schuberts. „Weiter hinten sieht man als Rückenfigur Schwind selber mit seinen Brüdern Franz und dem federgeschmückten August und rechts von ihnen die Münchner Kunstakademiker Peter von Cornelius, wie ein strenger Dante das Zeichenblatt – vielleicht zum ‚Ritter Kurt‘ – korrigierend, und hinter ihm, halb verdeckt, Julius Schnorr von Carolsfeld, den Förderer und Freund Schwinds.“ (Moritz von Schwind. Meister der Spätromantik; Friedrich Gross, S. 143, ohne Lebensdaten der Künstler.)

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Moritz von Schwind: Ritter Kurts Brautfahrt.
Erste Fassung

Abbildung nach Schwind. Des Meisters Werke, S. 64: Nach Schwinds Zeichnung radiert von Julius Thäter. 1830. Höhe 32,5; Breite 52,5 cm. Vgl. Moritz von Schwind. Meister der Spätromantik, Nr. 145: Radierung von Hermann Schütz nach Schwind, um 1831/32.

„Die ursprüngliche Fassung [...] bildet nur mehr einen kleinen Teil des Ganzen; der Künstler hat sie, auch in den Grundzügen verändert, zu einem großen Bilde erweitert, bei dem es ihm weniger um die Zuspitzung auf den dramatischen Höhepunkt als um die epische Erzählung der ganzen Ballade zu tun ist. In der naiven Weise der alten Meister sind die einzelnen Szenen im Hintergrund nebeneinander entwickelt. Es ist klar ersichtlich, dass er es hauptsächlich auf eine lebendige Schilderung des buntbewegten Jahrmarkttreibens abgesehen hat, und mit sichtlichem Behagen flicht er eine unendliche Fülle von kleinen und kleinsten Nebenbeziehungen in die Handlung ein, der giebelreichen mittelalterlichen Architektur widmet er seine besondere Sorgfalt." (Schwind. Des Meisters Werke, S. XXVI f.)

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Literatur

* Vierte Schwind-Mappe. Hrsg. vom Kunstwart. München, Georg D. W. Callwey, Kunstwart-Verlag o.J.
* Moritz v. Schwind. Eine Kunstgabe für das deutsche Volk. Mit einem Geleitworte von Franz Etzin. Hrsg. von der Freien Lehrervereinigung für Kunstpflege. Mainz: Jos. Scholz 1913.
* Otto Weigmann: Schwind. Des Meisters Werke in 1265 Abbildungen. Stuttgart, Leipzigh: Deutsche Verlags-Anstalt 1906 (Klassiker der Kunst in Gesamtausgaben). Erste Fassung, radiert von Julius Thaeter, S. 64; Ritter Kurts Brautfahrt, S. 154f.
* Moritz von Schwind. Meister der Spätromantik. Katalog zur Ausstellung in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe 1996/97 und im Museum der bildenden Künste Leipzig 1997. Ostfildern-Ruit: Gerd Hatje 1996. ISBN 3-7757-0632-1. Vgl. die Nummern 143-150.

Vgl. die Radierung "Ritter Kurt (nach Goethe" von Franz Frank, 1924. Hier wird das Geschehen in einer Szene zusammengefasst: Ritter Kurt setzt den Fuss auf den am Boden liegenden Gegner; das Liebchen küsst und die Gläubiger bedrängen ihn. In: bildindex der Kunst und Architektur, URL <http://www.bildindex.de/obj20016272.html>. 

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Kurzbiographie zu Schwind

Schwind, Moritz von, Maler  und Zeichner, geb. 21. Januar 1804 in Wien, gest. 8. Febr. 1871 in München, erhielt den ersten Unterricht in der Kunst auf der Akademie  in Wien und bei Ludwig Schnorr, bildete sich aber zumeist auf eigne Hand und entfaltete eine große Produktivität in Zeichnungen nach Märchen, Opern, in Illustrationen etc.

1827 ging er nach München, wo Cornelius einen solchen Eindruck  auf ihn machte, dass er sich 1828 dort niederließ. Hier malte er in der Bibliothek der Königin Szenen aus Tiecks Dichtungen und komponierte Szenen aus dem Leben Karls d. Gr. für die Burg Hohenschwangau. 1835 begab sich Schwind nach Rom. Bald heimgekehrt, entwarf er für den Saal Rudolfs von Habsburg im Königsbau einen figurenreichen Kinderfries. 1838 vollendete er Wandbilder in einem Gartensalon des Schlosses Rüdigsdorf bei Altenburg, welche die Mythe von Amor und Psyche behandeln. 1839–44 entstanden die Wand- und Deckenbilder im Antikensaal zu Karlsruhe, die Fresken im Treppenhaus der Kunsthalle, die allegorischen Kompositionen für den Sitzungssaal der badischen Ersten Kammer daselbst, das reizende Tafelbild Ritter Kurts Brautfahrt und die Skizzen zu dem 1847–48 ausgeführten Vater Rhein.

Der Auftrag, für das Städelsche Institut den Sängerkrieg auf der Wartburg zu malen, veranlasste ihn, 1844 nach Frankfurt überzusiedeln. In demselben Jahr entstand der „Almanach von Radierungen von M. v. S. mit erklärendem Text  und Versen von E. Freiherrn von Feuchtersleben“, humoristische Verherrlichungen der Tabakspfeife und des Bechers. Derselben Periode gehören auch die köstlichen kleinen Genrebilder: der Falkensteiner Ritt und der Hochzeitsmorgen oder die Rose an. 1847 wurde er als Professor an die Münchener Akademie  berufen und komponierte dort 1849 seine originelle Symphonie nach Beethoven. Daran reihte sich das reichgegliederte Aschenbrödel mit seinen verwandten Nebenbildern aus der Mythe der Psyche und dem Märchen von Dornröschen (1854). Als der Großherzog von Sachsen die Wiederherstellung der Wartburg unternahm, beauftragte er Schwind, die bedeutendsten Momente aus dem Leben der heiligen Elisabeth und einige Szenen aus der thüringischen Sage und Geschichte zu malen. Diesen Werken folgte Kaiser Rudolfs Ritt zum Grabe, der Aquarellenzyklus: die sieben Raben  und die treue Schwester (1857), durch den Schwinds eigentümliche Begabung für die Romantik des deutschen Märchens zum erstenmal allgemeine Anerkennung fand, mehrere Bilder für den Grafen Schack (darunter die Morgenstunde und die Hochzeitsreise) und eine Reihe von Bildern für den Hochaltar der Frauenkirche in München.

Mit unerschöpflichem Humor zeichnete Schwind 1863 in einem über 20 Ellen langen Zyklus wichtige Momente aus dem Leben seines Freundes Franz Lachner (vgl. Die Lachnerrolle. Mit Text von O. Weigmann, München 1904) und schmückte in demselben Jahre die Pfarrkirche in Reichenhall mit Fresken; 1864 entstand die Heimkehr des Grafen von Gleichen und der Karton: die Zauberflöte, der erste der im neuen Opernhaus zu Wien ausgeführten Kartons nach deutschen Opern, die ihm Gelegenheit gaben, alle seine Lieblingsgestalten aus dem Gebiete der Tonkunst vorzuführen. Dieser Zeit gehören auch geistvolle kunstgewerbliche Entwürfe an. An seinem 66. Geburtstag vollendete er den lieblichen Aquarellenzyklus von der schönen Melusine, der nächst den sieben Raben sein Hauptwerk ist.

1855 war er mit seinen Brüdern August, österreichischem Ministerialrat (gest. 1892), und Franz, österreichischem Bergrat, in den österreichischen Ritterstand erhoben worden. Schwinds Vorzüge liegen im Rhythmus der Komposition, in durchweg idealer Anschauung, strenger Zeichnung und innigstem Eingehen auf seinen Stoff bei romantisch-poetischer Grundanschauung.

Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 215. Redigiert und gekürzt. Online bei Zeno.org
Bildnis: Schwind. Des Meisters Werke in 1265 Abbildungen. Hrsg. von Otto Weigmann. Stuttgart, Leipzig: Deutsche Verlags-Anstalt 1906. Nach einer Naturaufnahme aus den 1850er Jahren.

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