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Der Göttinger Hain
Gründung und Mitglieder

Patrick Peters
Gottlob Dietrich Miller

 


Als Vetter von und im Gegensatz zu Johann Martin Miller, dem Dichter des Siegwart, konnte der wesentliche jüngere Gottlob Dietrich Miller kaum dichterische Meriten erwerben. Im Hainbund, dem der 1753 geborene und 1822 gestorbene als Gründungsmitglied – er war in jener Nacht gerade 19 Jahre alt – angehörte, trug der junge Miller den Namen Bardenhold und wurde von den Bundesbrüder, zur Unterscheidung von Johann Martin Miller, „kleiner Miller“ genannt. Millers Vater Johann Peter war Theologieprofessor, der „Zusätze und Verbesserung“ zum dritten und vierten Teil des Allgemeinen Historischen Lexikons lieferte, wie es im Eintrag von Hermann Arthur Lier zu Johann Peter Miller in der Allgemeinen Deutschen Biographie heißt (Band 21 (1885), S. 748—749, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: http://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Miller,_Johann_Peter_(P%C3%A4dagoge)&oldid=990406 ).

Der „kleine Miller“ war einer der wenigen Nicht-Theologen des Bundes; 1774 wirkte der Jurist, der 1776 in Gießen zum Doktor der Rechte promoviert wurde, als Ulmischer Vertreter am Reichskammergericht in Wetzlar, später als (geadelter) Oberappellationsgerichtsrat in München. Seine Rolle im Hainbund war die des Sekretärs, oder, wie Kahl sich ausdrückt:

Gottlob Dietrich Miller war der Schreiber des Bundes; er hat zu weiten Teilen das Protokoll geschrieben (nicht wie manchmal angenommen Johann Martin Miller), auch die späteren Verweise im Bundesbuch („Bb.“) stammen von seiner Hand.

(Kahl, Bundesbuch, S. 395)

Millers wenige lyrische Versuche blieben „zeitgenössisch ungedruckt“ (Kahl, Bundesbuch, S. 395) und sind erstmals im Band Für Klopstock und dem Bundesbuch verzeichnet. Er selbst hatte von sich als Dichter keine allzu hohe Meinung. Dies lässt sich aus brieflichen Äußerungen, die er Brückner gegenüber tätigte, herauslesen. Er nennt sich ein für den Hainbund „ziemlich entbehrliches Glied, wo es auf Genie und Dichtkunst ankömmt“, schränkt seine Position mit den Worten „wenn ich ein Dichter wäre“ weiter ein (zit. nach: Kelletat, Der Göttinger Hain, S. 353 und 354) und bestätigt mit

da ich ein Mitglied einer Gesellschaft bin, die auf Freundschaft und Dichtkunst gegründet ist, so wäre es wohl schön, wenn ich Ihnen sagen könnte, daß ich auch ein Dichter sei. Allein hier verstumme ich. Ich habe einige Versuche gemacht, weil es mir meine Freunde rieten, allein sie sind unter den mittelmässigen.

(zit. nach: Kahl, Bundesbuch, S. 395)


Kahl Einschätzung (S. 395), G. D. Miller sei „nur unter dem Eindruck des Dichterbundes“ poetisch tätig geworden. Die Gedichte des „kleinen Miller“ streifen die Themen, die für die Hainbund-Lyrik üblich waren. Auf der einen Seite stehen konventionelle Liebes- und Freundschaftsgedichte, die zum Teil von Klopstock beeinflusst sind (wie Bei einer Rose, in: Bundesbuch Nr. 121), auf der anderen Seite Texte mit vaterländischem Inhalt wie Lied eines Bundesbruders und Gustav Adolf (beide in: Kelletat, Der Göttinger Hain, S. 314—315). Gerade in Lied eines Bundesbruders arbeitet sich G. D. Miller an den Phrasen und Floskeln, die den lyrischen Patriotismus des Bundes und seine Selbsteinschätzung als Gruppierung ausmachen, umfassend ab. Für ihn ist der Hainbund ein expliziter „deutscher Bund“ (3), dessen Mitglieder sich durch die Freude am Vaterland, „Tugend“ und „Freundschaft“ (2) und gegenseitige Liebe (4) auszeichnen. Gerade die Tugend ist ein hoher Wert für die Hainbündler und steht häufig im Zusammenhang mit gutem Deutschsein. Ohne tugendhaftes Betragen und die damit verbundene Integrität ist Patriotismus, ist Vaterlandsliebe nicht möglich; denn durch Tugend setzt man sich positiv zum Beispiel von Frankreich ab (Stichwort: Frankophobie!) und gibt dem deutschen Vaterland seinen besonderen überlegenen Charakter, der über alles andere erhaben ist. Dass der Bundesbrüder „Lied nur Tugend“ (7) singen soll, spricht dann für sich. Auch die immer wieder thematisierte Unabhängigkeit des Deutschen und seinen Freiheitsdrang postuliert der Dichter in seinem Text: Verse wie „und keinem Fürsten Opfer bringt“ (9) und „daß frei und bieder jeder ist“ (13) sind bloße Variationen beliebter Äußerungen aus dem Hainbund. Und wenn der 20-Jährige in seinem elf-strophigen Text Gustav Adolf in aggressivem Ton gegen die Katholiken polemisiert und den schwedischen König Gustav Adolf im historischen Kontext des Dreißigjährigen Krieges als Held glorifiziert, fügt sich dies passgenau in die Vorstellung einer protestantisch-freiheitlichen Vaterlandsvision ein, der die Hainbündler in den frühen 1770er Jahren nachhingen.

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