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Jutta Assel | Georg Jäger

Sagen-Motive auf Postkarten

Jakob Götzenbergers Freskobilder
in der Trinkhalle zu Baden-Baden

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Lichtenthal

In der Kirche des Klosters Lichtenthal befindet sich ein Marienbild, durch welches einst der Sage nach die Rettung des Klosters vollbracht wurde.

Zur Zeit des orleanischen Krieges waren französische Heeresmassen bis in die Nähe des Klosters gekommen, und tagtäglich mehrten sich die beunruhigenden Berichte über verübte Greueltaten. Die Äbtissin sah sich genötigt, Vorkehrungen zur Flucht zu treffen. Wohl klagten und weinten die frommen Schwestern, ihre Heimat verlassen zu müssen. Da ihnen diese aber keinen Schutz mehr gewähren konnte, beschlossen sie, durch einen unterirdischen Gang nach dem Leißberge zu fliehen. Vorher aber wurden die heiligen Gefäße und sonstigen Kostbarkeiten in einem unbenutzten Grabgewölbe untergebracht.

Während sich die frommen Frauen zu einem letzten Gebete um die Äbtissin scharten, erscholl der Ruf: "Die Franzosen sind da!" Trotz des allgemeinen Schreckens verlor die Äbtissin ihre Fassung nicht. Ruhig und fest schritt sie auf einen Seitenaltar zu, den ein Marienbild schmückte, hing die Schlüssel zum Haupteingange über den Arm der heiligen Jungfrau und bat mit innigen, feierlichen Worten, die Gottesmutter möge selbst ihr Heiligtum beschützen, da menschliche Macht es nicht mehr vermöge.

Kaum waren die frommen Frauen im unterirdischen Gange verschwunden, als der Feind auch schon gegen die Klosterpforte stürmte und sie einschlug. Aber schon die ersten, welche eingedrungen waren, wichen entsetzt wieder zurück; denn eine leuchtende Gestalt hielt mit drohend abwehrender Gebärde ihnen die Schlüssel des Klosters entgegen. Abergläubische Furcht ergriff die räuberische Schar: sie flohen in wilder Hast und kein feindlicher Arm wagte es mehr, das Kloster zu gefährden. So hatte die heilige Jungfrau mit eigner Hand die ihrem Schutze empfohlene Stätte gerettet.

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