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Intermedialität und Synästhesie in der Literatur der Romantik

Synästhesie in Eichendorffs "Mondnacht"

Eichendorff konstruiert in seinem Gedicht "Mondnacht" eine universale Wahrnehmung. Das lyrische Ich erlebt die nächtliche Natur mit allen Sinnen gleichzeitig. So sieht es, was es eigentlich nur hören kann.

"Es rauschten leis die Wälder,
so sternklar war die Nacht." (Z. 7/8)

In der dritten Strophe übernimmt Eichendorff dann indirekt den Luftzug der in der zweiten Strophe noch die Ähren zum Wogen bringt. Bisher konnte das lyrische Ich den Wind nur sehen, jetzt glaubt es, ihn regelrecht zu spüren, wenn seine Seele darauf "durch die stillen Lande" (Z. 11) zu fliegen scheint. Sehsinn, Hörsinn und Tastsinn verschmelzen gewissermaßen zu einer einzigen Wahrnehmung, wobei die beiden letzteren dominieren.

Der Mondschein taucht die Landschaft in ein milchiges Licht. Er versetzt das lyrische Ich in einen traumartigen Zustand, der eine Herausforderung für alle Sinne darstellt. Tief im Unterbewusstsein vergrabene Wünsche und Bedürfnisse treten an die Oberfläche. Das lyrische Ich assoziiert "eine Wiedervereinigung getrennter Gegensätze bei sternklarer Mondnacht" (Mühlher 1960, S. 193) und erlebt eine Verschmelzung aller seiner Sinne zu einem einzigen, alles umfassenden.

Unter dem Einfluss des unscharfen Mondlichts verwischen die Konturen. Die Erde scheint im Blütenschimmer (Z. 3) zu erstrahlen und begegnet dem Himmel im mythischen Brautkuss, "dem keine Erfahrung entsprechen kann" (Krabiel 1973, S. 45). Die Wahrnehmung des lyrischen Ich verändert sich wie im Traum. Indem es die Natur und die Nacht mit allen Sinnen gleichzeitig erfährt, wird das Unmögliche möglich - selbst "die Befreiung von irdischer Schwere und Bitterkeit" (Frühwald,  S. 405) und die Heimkehr der Seele in ihre "himmlische Heimat" " (Kayser, S. 70).  

 


Jasmin Jobst und Christine Kerler: Synästhesie und Intermedialität in der Lyrik der Romantik. 02.12.2002.

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