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Jutta Assel | Georg Jäger

»Märchenmotive auf Postkarten«
Eine Dokumentation

Moritz von Schwind:
Das Märchen von den sieben Raben

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Stand: Juni 2015

Der Prinz und seine Braut
(vgl. Abb. 2).
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Gliederung

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Einführung

Die Bilderfolge "Von den sieben Raben und der treuen Schwester" führte Schwind im Zeitraum eines Jahres, vom August 1857 bis Juli 1858, aus. "Schon in Wien hatte er als Jüngling an den Stoff gedacht, und bereits im Jahre 1844 beschreibt er von Frankfurt a. M. aus in einem Brief an [Bonaventura] Genelli die >etwas wunderliche Fabel< fast genau so, wie er sie später tatsächlich ausgeführt hat:

>Eine arme Mutter mit 7 Söhnen und einer Tochter läßt sich durch das Geschrei der Knaben nach Brot hinreißen, den Wunsch oder die Verwünschung auszusprechen, sie sollten lieber Raben geworden sein, worauf alle 7 als Raben zum Fenster hinausfliegen. Die Alte stürzt tot zu Boden, und das plötzlich verwaiste Mädchen läuft ihren geflügelten Brüdern in den Wald nach. Hier trifft sie eine Fee, die ihr sagt, sie könne ihre Brüder erlösen durch ein unverbrüchliches 7jähriges Schweigen. Nebenbei soll sie für jeden der Brüder ein Hemd aus Disteln spinnen, weben und nähen; was die Kleine (Zehnjährige) schwört. So weit das Titelblatt mit Schrift.

Sie schlägt nun ihre Wohnung in einem hohlen Baume auf, die Kleider fallen mit den Jahren ab, und sie ist am Ende in ihre langen Haare gehüllt, auf denen die Sage sogar Moos wachsen läßt. Im 6. Jahr findet sie in junger Fürst, der sich auf der Jagd verirrt. Er entführt sie ihrem Baum, bringt sie auf sein Schloß, heiratet sie, und sie bringt Zwillinge zur Welt, die alsobald als Raben zum Fenster hinausfliegen.

Als Hexe zum Feuertod verurteilt, vollendet sie im Kerker das letzte Hemd und wird den letzten Tag des 7. Jahres schweigend zum Scheiterhaufen geführt. Da kommen aus dem Walde 7 junge Ritter, angeführt von der Fee, die die beiden Kinder auf dem Arme trägt, und alles ist gut und aus.

Es klingt wunderlich, aber doch glaube ich, daß es der Form und den einzelnen Szenen nach etwas geben wird, das Leuten, die für Liebe und Treue und etwas ‚Zaubermacht' Sinn haben, gefallen kann.<".

Die Bilder wurden als Aquarelle, mit Wasserfarben getönte Federzeichnungen, ausgeführt. "Die >Sieben Raben< bilden ein schlichtes ununterbrochenes Hintereinander, einen Fries, der durch romanische Säulenstellungen gegliedert wird. In die Zwickel hat der Künstler die Bildnisse seiner Freunde gemalt und dabei auch der Toten nicht vergessen."

Die Bildfolge nahm "auf der großen deutschen Kunstausstellung, die am 18. Juli 1858 zur Feier des 700jährigen Jubiläums der Stadt München im dortigen Glaspalast eröffnet wurde, den Ehrenplatz ein." Der Großherzog von Sachsen-Weimar erwarb die Aquarelle für 7.000 Gulden für das Museum in Weimar.

Friedrich Haack: M. v. Schwind (Künstler-Monographien; 31) 6. Aufl. Bielefeld, Leipzig: Velhagen & Klasing 1924, S. 114-118.

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2. Postkartenserien

  • Ohne Titel auf Vorderseite. Verso: Moritz von Schwind: Das Märchen von den sieben Raben u. der treuen Schwester. I bis VI. Signet: Groszh. Sächs. Museum Weimar. K. Schwier, phot. Verlag, Weimar. Nr. 155750-155755. Nicht gelaufen. – Die Erklärungen auf der Rückseite werden den Bildern beigegeben.

  • M. v. Schwind, Das Märchen von den sieben Raben. I, II, IV, V. Verso: Deutsche Künstler-Postkarten Ser. VI, No. 2, 3, 5, 6. Verlag v. K. Ad. Emil Müller, Stuttgart. Nicht gelaufen.

 

Weitere Illustrationen werden auf der jeweilige Seite nachgewiesen.

 1. Abbildung  2. Abbildung  3. Abbildung
 4. Abbildung  5. Abbildung  6. Abbildung

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3. Mappenwerk

Publiziert wird folgendes Mappenwerk:

  • Das Märchen von den Sieben Raben und der treuen Schwester. Componirt von Moritz von Schwind. Jubiläums-Ausgabe. Stuttgart, Verlag von Paul Neff. – Die Erklärungen werden den Bildern beigegeben.

 

Titelillustration

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Im Bild signiert u. datiert: "R E Kepler. 82." – Richard Ernst Kepler, Illustrator und Maler, geb. 1851, gest. um 1930. Illustrierte zahlreiche Märchen, Sagen, Theaterstücke. (Ries)

 

 1. Abbildung  2. Abbildung  3. Abbildung
 4. Abbildung  5. Abbildung  6. Abbildung

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4. Eduard Mörike
An Moritz von Schwind

Ich sah mir deine Bilder einmal wieder an
Von jener treuen Schwester, die im hohlen Baum,
Den schönen Leib mit ihrem Goldhaar deckend, saß
Und spann und sieben lange Jahre schwieg und spann,
Die Brüder zu erlösen, die der Mutter Fluch
Als Raben, sieben Raben, hungrig trieb vom Haus.
Ein Kindermärchen, darin du die Blume doch
Erkanntest alles menschlich Schönen auf der Welt.
    
Von Blatt zu Blatt, nicht rascher als ein weiser Mann
Wonnige Becher, einen nach dem andern, schlürft,
Sog ich die Fülle deines Geistes ein und kam,
Aus sonnenheller Tage Glanz und Lieblichkeit
In Kerkernacht hinabgeführt von dir, zuletzt
Beim Holzstoß an, wo die Verschwiegne voller Schmach
Die Fürstin, ach, gebunden steht am Feuerpfahl:
Da jagt's einher, da stürmt es durch den Eichenwald:
Milchweiße Rosse, lang die Hälse vorgestreckt,
Und, gleich wie sie, die Reiter selber atemlos -
Sie sinds! Die schönen Knaben all und Jünglinge!
Ah, welch ein Schauspiel!- Doch was red ich dir davon?
"Hier", sagte lachend neulich ein entzückter Freund,
Ein Musiker, "zieht Meister Schwind zum Schlusse noch
Alle Register auf einmal, daß einem das Herz
Im Leibe schüttert, jauchzt und bangt vor solcher Pracht!"
    
– Wenn dort, ein rosig Zwillingspaar auf ihrem Schoß,
Die Retterin auftaucht und der Ärmsten Jammerblick
Sich himmlisch lichtet, während hier der König, sich
Auf das Scheitergerüste stürzend, hingeschmiegt das Haupt,
Die nackten Füße seines Weibes hold umfängt.
Wer fühlt den Krampf der Freuden und der Schmerzen nicht
In aller Busen staunend mit? Und doch zugleich
Wer lächelt nicht, wenn seitwärts dort im Hintergrund,
Vom Jubelruf des Volks erstickt, ein Stimmchen hell
Sich hören läßt, des Jüngsten von den sieben, der
Als letzter kommt geritten, mit dem einen Arm
Noch fest im Rabenflügel, auf die Schwester zu!
– Genug und schon zu viel der Worte, Teuerster!
    
Ich knüpfte seufzend endlich meine Mappe zu,
Saß da und hing den Kopf. - Warum? Gesteh' ich dir
Die große Torheit? Jene alte Grille war's,
Die lebenslang mir mit der Klage liegt im Ohr,
Daß ich nicht Maler werden durfte. Maler, ja!
Und freilich keinen gar viel schlechteren als dich,
Dacht' ich dabei. Du lachst mit Recht. Doch wisse nun:
Aus solchem Traumwahn freundlich mich zu schütteln, traf,
O Wunder! deine zweite Sendung (1) unversehns
Am gleichen Morgen bei mir ein! - Du lässest mich,
O Freund, was mir für mein bescheiden Teil an Kunst
Gegeben ward, in deinem reinen Spiegel sehn:
Und wie! - Davon schweig ich für heut. Nur dieses noch:
Den alten Sparren bin ich los für alle Zeit,
So dünkt es mich, - es wäre denn, daß mir sofort
Der böse Geist einflüsterte, dies Neuste hier
Sei meine Arbeit lediglich: die Knospe brach
Mit einemmal zur vollen Rose auf - man ist
Der großen Künstler einer worden über Nacht.

1: Jene zweite Sendung bestand in drei Sepiazeichnungen zu des Verfassers Gedichten: "Ach nur einmal noch im Leben"; – "Märchen vom sichern Mann"; – "Erzengels Michaels Feder".

Eduard Mörike: Sämtliche Werke. Hg. von Herbert G. Göpfert. 4. Aufl. München: Carl Hanser 1972, S. 270 f. Vgl. Mörike als Zeichner. Sechzig Abbildungen nach Zeichnungen des Dichters im Schiller-Nationalmuseum in Marbach. Hg. von Otto Güntter (Veröffentlichungen des Schwäbischen Schillervereins; 13) Stuttgart, Berlin: J. G. Cotta Nachf. 1930.

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Weitere Seiten zu Schwind
im Goethezeitportal

Moritz von Schwind
Aschenbrödel. Bilderzyklus
http://www.goethezeitportal.de/index.php?id=6749

Moritz von Schwind, Ritter Kurts Brautfahrt
nach der gleichnamigen Ballade von Goethe
(mit Kurzbiographie Schwinds)
http://www.goethezeitportal.de/index.php?id=6354

Graf von Gleichen
und seine Doppelehe
(mit Kurzbiographie Schwinds)
http://www.goethezeitportal.de/index.php?id=6355

Eduard Mörike
Die Historie von der schönen Lau
mit den Illustrationen von Moritz von Schwind
http://www.goethezeitportal.de/index.php?id=6446

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Bilder zur Zauberflöte im Opernhaus zu Wien
http://www.goethezeitportal.de/index.php?id=6751

Moritz von Schwind
Herr Winter
Münchener Bilderbogen Nro. 5
http://www.goethezeitportal.de/index.php?id=6833

Moritz von Schwind
Die sieben Werke der Barmherzigkeit
der heiligen Elisabeth
http://www.goethezeitportal.de/index.php?id=6845


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5. Weblinks

Zu den weit verbreiteten Märchen vom Typus Die Schwester sucht ihre Brüder vgl. das Märchenlexikon des Verlages edition amalia (Grenchen b. Solothurn Schweiz). – Zum Märchen der sieben Raben heißt es:

    Ähnlichkeit hat das Märchen von den sechs Schwänen (KHM 49), und das Märchen von den zwölf Brüdern (KHM 9). Wir unterscheiden folgende Teile: A. Die Mutter oder der Vater verwünscht die Söhne ihrer Naschhaftigkeit oder einer andern Unart wegen in Raben; B. das Schwesterchen will sie aufsuchen und fragt Sonne, Mond und Sterne nach ihnen; C. es findet sie auf dem Glasberg, und damit ist meist die Erlösung vollbracht; D. bisweilen aber muss die Schwester noch Jahre lang stumm sein und Hemden anfertigen, verliert ihre Kinder und ist nahe daran, von Henkershand zu sterben, ganz wie in KHM 9 und 49. (KMH = Grimms Kinder- und Hausmärchen)

Dem Märchen von den sieben Raben und der treuen Schwester hat die Universitätsbibliothek Augsburg zum 200.Geburtstag von Moritz von Schwind 2004 eine kleine Ausstellung gewidmet. Mit einer informationsreichen Seite von Peter Stoll, u.a. zu Reproduktionen in Photo- und Lichtdruckmappen.

Die Gesamtausgabe von Josef Gabriel Rheinberger im Carus-Verlag enthält als Band 11: Die sieben Raben. op. 20. Oper in drei Akten. Libretto von Franz Bonn.

    Rheinbergers erste Oper beruht zwar im Wesentlichen auf den Märchen "Die sieben Raben" und "Die sechs Schwäne" der Gebrüder Grimm, die Anregung zu seinem Werk empfing der Komponist allerdings durch den großen Aquarellzyklus "Von den Sieben Raben" des Malers Moritz von Schwind (1804-1871), mit dem er freundschaftlich verbunden war.
          Am 23. Mai 1869 fand unter der Leitung des Komponisten die erfolgreiche Uraufführung am Königlichen Hof- und Nationaltheater in München statt. Nach der zweiten Aufführung in München am 8. September 1869 schrieb die Augsburger Allgemeine Zeitung: "Der Zauberreiz des Märchens, seine stimmungsvolle Einfachheit und tiefe Empfindung wusste der Komponist mit großem Geschicke zum Ausdruck zu bringen und die lyrischen Stellen der Oper sind die glücklichsten Beweise für Rheinberger's Talent." Möglicherweise wurde Engelbert Humperdinck, der von 1877 bis 1879 Schüler Rheinbergers in München war, durch Die sieben Raben zur Komposition seiner Märchenoper Hänsel und Gretel (1893) angeregt, die die Gattung dann zu großem Erfolg führte.

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Einen Überblick über die Märchen- und Sagenmotive
im Goethezeitportal finden sie hier.

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6. Rechtlicher Hinweis und Kontaktadresse

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Kontaktanschrift:
Prof. Dr. Georg Jäger
Ludwig-Maximilians-Universität München
Institut für Deutsche Philologie
Schellingstr. 3
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E-Mail: georg.jaeger07@googlemail.com

 

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