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Jutta Assel | Georg Jäger

»Uhland-Motive auf Postkarten«
Eine Dokumentation

Der Wirtin Töchterlein.
Es zogen drei Burschen wohl über den Rhein ...

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Stand: August 2016

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Der erste, der schlug den Schleier zurück ... Im Bild signiert: P. Hey. Verso: Volksliederkarten von Paul Hey. Nr. 86: "Der erste, der schlug den Schleier zurück". Signet: UW im Kreis. Verlag des Vereins für das Deutschtum im Ausland, Wirtschaftsunternehmen G.m.b.H., Dresden. Graphische Kunstanstalten F. Bruckmann A.-G., München. – Paul Hey, geb. 1867 in München, gest. 1952 in Gauting bei München, Maler und Illustrator. Beliebter und produktiver Illustrator von Kinder- und Jugendliteratur, Märchen und Liedern.

 

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Gliederung

 

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1. Einführung

Das 1808 entstandene Gedicht von Ludwig Uhland "Der Wirtin Töchterlein", meist zitiert nach der Anfangszeile "Es zogen drei Burschen wohl über den Rhein", wurde im 19. Jahrhundert zum vielgesungenen und >zersungenen< Volkslied, dem eine ältere Volksweise unterlegt wurde (vgl. Melodie). Vertont wurde es u.a. durch Friedrich Silcher (1789-1860) und Johann Karl Gottfried Loewe (1796-1869). Das Gedicht wurde aufgenommen in das "Allgemeine Deutsche Kommersbuch", das Liederbuch für die studentische Kneipe, und somit auch zum Studentenlied.

Rezeptionsgeschichtlich reiht sich das Gedicht der Rheinromantik und der Gruppe der Rheinlieder ein, die den aufstrebenden Rhein-Tourismus begleiteten. Die Handlung wird im Burghof der Drachenburg bei Königswinter lokalisiert, wo "die einzige Tochter des damaligen Pächters im zarten Alter von 25 Jahren verstarb". Auch Bad Salzig, wo die "Rheingoldstraße" beginnt, nimmt das Lied für sich in Anspruch (vgl. die Seiten zum Drachenfels und zu Bad Salzig unter den Links). In seiner Motivik nimmt das Gedicht innerhalb der Rheinromantik, die geprägt ist durch >Wein, Weib und Gesang<, Mythen und Sagen sowie antifranzösischen Nationalismus, jedoch eine Sonderstellung ein.

 

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2. Postkarten

Die hier vollständig wiedergegebene Serie von sechs handkolorierten Fotopostkarten trägt den Herstellervermerk "F.M.K.", Serie 4613/1 bis 6. Die Karten sind 1912 gelaufen.

Zur Beachtung:
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Es zogen drei Burschen wohl über den Rhein,
Bei einer Frau Wirtin, da kehrten sie ein;

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Frau Wirtin, hat sie gut Bier und Wein?
Wo hat sie ihr schönes Töchterlein?

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Mein Bier und Wein ist frisch und klar;
Mein Töchterlein liegt auf der Totenbahr,
Und als sie traten zur Kammer hinein,
Da lag sie in einem schwarzen Schrein.

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Der Erste schlug den Schleier zurück,
Und schaute sie an mit traurigem Blick,
Ach, lebtest Du noch, Du schöne Maid!
Ich würde Dich lieben von dieser Zeit!

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Der Zweite deckte den Schleier zu
Und kehrte sich ab und weinte dazu;
Ach, dass Du da liegst auf der Totenbahr!
Ich hab' dich geliebet so manches Jahr!

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Der Dritte hob ihn wieder auf sogleich
Und küsste sie auf den Mund so bleich:
"Dich liebt' ich immer, Dich lieb' ich noch heut',
Ich werde Dich lieben in Ewigkeit!"

 

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3. Text des Gedichts

 

Es zogen drei Burschen wohl über den Rhein,
Bei einer Frau Wirtin, da kehrten sie ein,
Bei einer Frau Wirtin, da kehrten sie ein.
   
"Frau Wirtin, hat sie gut Bier und Wein?
Wo hat sie ihr schönstes Töchterlein?
Wo hat sie ihr schönstes Töchterlein?"
   
"Mein Bier und Wein ist frisch und klar;
Mein Töchterlein liegt auf der Totenbahr,
Mein Töchterlein liegt auf der Totenbahr."
   
Und als sie traten zur Kammer hinein,
Da lag sie in einem schwarzen Schrein,
Da lag sie in einem schwarzen Schrein.
   
Der Erste, der schlug den Schleier zurück
Und schaute sie an mit traurigem Blick,
Und schaute sie an mit traurigem Blick.
   
"Ach lebtest du noch, du schöne Maid!
Ich würde dich lieben von dieser Zeit,
Ich würde dich lieben von dieser Zeit."
   
Der Zweite deckte den Schleier zu
Und kehrte sich ab und weinte dazu,
Und kehrte sich ab und weinte dazu:
   
"Ach, dass du da liegst auf der Totenbahr!
Ich hab dich geliebet so manches Jahr!
Ich hab' dich geliebet so manches Jahr!"
   
Der Dritte hob ihn wieder auf sogleich
Und küsste sie auf dem Mund so bleich,
Und küsste sie auf dem Mund so bleich:
   
"Dich liebte ich immer, dich lieb ich noch heut
Und werde dich lieben in Ewigkeit,
Und werde dich lieben in Ewigkeit."

 

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Der Wirthin Toechterlein. In: Richter-Bilder. Zwölf Holzschnitte nach älteren Zeichnungen von Ludwig Richter. Hrsg. von Georg Scherer. Leipzig: Georg Wigand (1877).

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4. Melodie (Volksweise)

 

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Am Rhein beim Wein! 45 ausgewählte deutsche Weinlieder mit vollständigen Texten für Gitarre oder Laute. Bearbeitet von Erwin Schwarz-Reiflingen. Illustriert von F[ranz] Stassen. Berlin: Drei Masken-Verlag AG (1926), S. 19. – Franz Stassen, geb. 1869 in Hanau, gest. 1949 in Berlin, Illustrator, Maler und Graphiker. Beliebter Illustrator von Kinder- und Jugendbüchern, Märchen- und Liederbüchern, Volksbüchern und Anthologien wie von Klassikern. (Thieme / Becker, Ries)

 

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Clemens Buscher: Es zogen drei Bursche wohl über den Rhein

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Clemens Buscher: Es zogen drei Burschen wohl über den Rhein.
Große Kunstausstellung Düsseldorf 1913.
In: Die Kunst, XIV. Jg., Heft 2, September 1913, S. 545.

Über den Bildhauer Clemens Buscher (1855-1916) siehe den Eintrag in Wikipedia:
http://de.wikipedia.org/wiki/Clemens_Buscher

 

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5. Kurzbiographie zu Uhland

[Faksimilierte Unterschrift:] Ludwig Uhland. Signet: GLCo. [Gustav Liersch & Co., Berlin] 2833/5. Verso: Im Briefmarkenfeld Signet: P.RA. im Kranz. Nicht gelaufen.

 

Uhland, Johann Ludwig, hervorragender Dichter und Literaturforscher, geb. 26. April 1787 in Tübingen, gest. daselbst 13. Nov. 1862, besuchte Gymnasium und Universität seiner Vaterstadt und studierte 1802-1808 die Rechte, neben diesem Studium das der mittelalterlichen Literatur, namentlich der deutschen und französischen Poesie, pflegend. Schon damals veröffentlichte er einzelne Gedichte. 1810 unternahm er eine mehrmonatige Reise nach Paris, wo er auf der Bibliothek dem Studium altfranzösischer und mittelhochdeutscher Manuskripte jedenfalls eifriger oblag als dem des Code Napoléon, das der ursprüngliche Zweck seiner Reise war. Heimgekehrt, widmete er sich dann, wenn auch halb mit innerm Widerstreben, in Stuttgart der Advokatur. Sein patriotischer Sinn jauchzte den Ereignissen der Befreiungskriege, die er als rheinbündischer Württemberger nur mit Wünschen und Hoffnungen begleiten konnte, freudig entgegen.

Bald darauf veröffentlichte er die erste Ausgabe seiner "Gedichte" (1815), die in den spätern Auflagen noch durch wertvolle Stücke bereichert wurde. Uhland erscheint hier als der Vollender der glücklichsten und heilsamsten Bestrebungen der jüngern Romantik. Nicht nur die Vorliebe für mittelalterliches Leben und das Beste der mittelalterlichen Anschauungen, nicht nur die nationale, sondern vor allem die echt volkstümliche Gesinnung übernahm er von dieser, und in der wunderbar tiefen und poetischen Erfassung des Volkstümlichen liegt vor allem das Geheimnis von Uhlands unvergänglicher Wirkung. Hiermit verband er eine einfache, höchst knappe Prägnanz der Form, die so wie er nur noch Goethe und Heine erreicht haben. Uhland ist aber keine so ausgeprägte Individualität wie diese Dichter; durch seine unbedingte Hingabe an das Denken und Fühlen der Gesamtheit sind die individuellen Züge zurückgedrängt; es fehlen die leidenschaftlichen Erschütterungen seines Ich; dafür aber fesselt er uns durch Geradheit, Treue und Klarheit des Charakters, die ihn als einen edlen Typus des germanischen Menschen erscheinen lassen; nur ist er, besonders in seiner Frühzeit, von einem gewissen Hinneigen zu altfränkisch spießbürgerlicher Rührseligkeit nicht freizusprechen. Mit all diesen Eigenschaften hängt es zusammen, daß Uhland ein viel größerer Romanzen- als Liederdichter ist. Seine Romanzen bilden einen der köstlichsten idealen Schätze unsers Volkes; seine Lieder sind knapp, tief, wahr, von zartem Naturgefühl durchweht, aber an Zahl und an Mannigfaltigkeit des Inhalts etwas spärlich. Als Dramatiker ist Uhland ohne größere Bedeutung. Seine beiden dramatischen Werke: "Ernst, Herzog von Schwaben" (1818) und "Ludwig der Bayer" (1819), denen bei allen dichterischen Vorzügen die Energie spannender, vorwärts drängender Leidenschaft abgeht, errangen nur einen mäßigen Erfolg.

Seit 1816 begannen die politischen Kämpfe und die ausgebreiteten wissenschaftlichen Forschungen den Dichter von größern Schöpfungen abzuziehen, und verhältnismäßig früh erlosch sein dichterisches Schaffen vollständig. Uhland beteiligte sich an dem Ringen um die württembergische Verfassung und gehörte später als Abgeordneter zur Ständekammer der freisinnigen Partei an. Seine Schrift über "Walter von der Vogelweide" (1822) bekundete ihn als so feinsinnigen Kenner und Forscher der mittelalterlichen Literatur, daß bei vielen der Wunsch immer lebhafter wurde, ihn auf einem Lehrstuhl für seine Lieblingswissenschaften zu erblicken. Mit seiner 1829 erfolgten Ernennung zum Professor der deutschen Literatur an der Universität Tübingen ward dieser Wunsch erfüllt. Uhlands Lehrtätigkeit erfreute sich der reichsten Wirkung. Aber bereits 1832, als ihm die Regierung den Urlaub zum Eintritt in die Ständekammer verweigern wollte, legte er seine Professur nieder.

Vor äußern Lebenssorgen namentlich auch seit seiner sehr glücklichen Ehe mit Emilie Vischer völlig gesichert, teilte er fortan seine Zeit zwischen der ständischen Wirksamkeit und seinen wissenschaftlichen Arbeiten. 1839 legte er sein Mandat als Abgeordneter nieder, und erst die Bewegungen des Jahres 1848 rissen ihn wieder aus seiner frei erwählten Zurückgezogenheit. Als Abgeordneter zur ersten deutschen Nationalversammlung der Linken angehörig, stimmte er gegen das Erbkaisertum, hielt auf seinem Posten bis zur Auflösung der Nationalversammlung aus und begleitete noch das Rumpfparlament nach Stuttgart. Von 1850 an zog er sich wieder nach Tübingen zurück, eifrig mit der Vollendung jener wissenschaftlichen sagen- und literaturgeschichtlichen Arbeiten beschäftigt, als deren Zeugnisse die Schriften "Über den Mythus von Thor" (1836) und "Alte hoch- und niederdeutsche Volkslieder" (1844; 3. Aufl. 1893) hervorgetreten waren.

Alle äußern Ehrenbezeigungen konsequent ablehnend, in der schlichten Einfachheit seines Wesens und der fleckenlosen Reinheit seines Charakters von allen Parteien hochgeachtet, verlebte Uhland ein glückliches kräftiges Alter. Seine poetischen Werke wurden wiederholt als "Gedichte und Dramen" (Jubiläumsausgabe 1886), seine wissenschaftlichen als "Schriften zur Geschichte der Dichtung und Sage" (1866-1872, 8 Bde.) herausgegeben. Die letztern brachten zum erstenmal jene vorzüglichen Tübinger Vorlesungen, die Uhland zwischen 1829 und 1832 über die "Geschichte der altdeutschen Poesie", die "Geschichte der deutschen Dichtung im 15. und 16. Jahrhundert" und die "Sagengeschichte der germanischen und romanischen Völker" gehalten hatte. Alle diese Arbeiten lassen beim höchsten wissenschaftlichen Ernste den Dichter erkennen, der neben der wissenschaftlichen Methode und dem Forschereifer das künstlerische Verständnis und die feinste Mitempfindung für Volks- und Kunstdichtung, für den Zusammenhang von Dichtung und Mythe besaß.

Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Aufl. 1905-1909, Bd. 19, S. 872f. Digitale Bibliothek 100, S. 201535-201540. Redigiert, Absätze eingefügt und gekürzt.

 

 

Tübingen. Uhlanddenkmal. Verso: No. 1342. Verlag u. Eigentum von Fritz Schimpf. Königl. Hoflieferant, Tübingen. Gelaufen. Datiert 1921. Poststempel unleserlich.

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6. Links und Literaturhinweise

* Hermann Bausinger (Hrsg.): Ludwig Uhland. Dichter - Politiker - Gelehrter. Tübingen: Attempto 1988.

* Artikel "Ludwig Uhland" im Wikipedia, der freien Enzyklopädie, URL: de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Uhland.

Das Gedicht "Der Wirtin Töchterlein" ist mehrfach im Netz verfügbar, z.B.
* in der Freiburger Anthologie, die herausgegeben wird vom "Projekt Klassikerwortschatz" der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg;
* im Volksliederarchiv des Müller-Lüdenscheidt-Verlags in Bremen;
* im Portal The Leader in Lieder mit Midi Melodies.

Von Rheinseiten nehmen auf das Lied Bezug:
* die Drachenfels-Seite von Martin Schreiber in Königswinter;
* die Seite Bad Salzig: "Im >Zollhof<, der später >Zum goldenen Stern< hieß, soll Ludwig Uhland sein Lied >Es zogen drei Burschen wohl über den Rhein< verfasst haben."

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Kontaktanschrift:
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Ludwig-Maximilians-Universität München
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Schellingstr. 3
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