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Goethe, Schiller und die Goethezeit auf Google+

Goethes Italienische Reise, Rom

»Römische Elegien«

Begriffserklärungen

 

III.
 Laß dich, Geliebte, nicht reun, daß du mir so schnell dich ergeben!
    Glaub’ es, ich denke nicht frech, denke nicht niedrig von dir.
 Vielfach wirken die Pfeile des Amor: einige ritzen,
    Und vom schleichenden Gift kranket auf Jahre das Herz.
 Aber mächtig befiedert, mit frisch geschliffener Schärfe
    Dringen die andern ins Mark, zünden behende das Blut.
 In der heroischen Zeit, da Götter und Göttinnen liebten,
    Folgte Begierde dem Blick, folgte Genuß der Begier.
 Glaubst du, es habe sich lange die Göttin der Liebe besonnen,
    Als im Idäischen Hain einst ihr Anchises gefiel?
 Hätte Luna gesäumt, den schönen Schläfer zu küssen,
    O, so hätt’ ihn geschwind, neidend, Aurora geweckt.
 Hero erblickte Leandern am lauten Fest, und behende
     Stürzte der Liebende sich heiß in die nächtliche Flut.
 Rhea Silvia wandelt, die fürstliche Jungfrau, der Tiber
    Wasser zu schöpfen, hinab, und sie ergreifet der Gott.
 So erzeugte sich Mars zwei Söhne! – die Zwillinge tränket
    Eine Wölfin, und Rom nennt sich die Fürstin der Welt.

   

„Zitat und dichterischer Kommentar [mythologischer Stoffe] sind nicht neutral. Sie sollen vielmehr den Leser anstiften, die in ihnen geleistete Erinnerungsarbeit nachzuvollziehen und damit zur Wahrung des kulturellen Gedächtnisses beizutragen. Denn nur so sind menschliche Erfahrungen, die längst aus dem öffentlichen Bewußtsein abgesunken sind, oder solche, denen es sich kaum ja geöffnet hat, unter den Bedingungen einer literarisierten Gesellschaft aktueller Anschauung wieder zugänglich zu machen.“

(Witte 2000, S. 512)

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