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Goethes Italienische Reise, Rom

»Römische Elegien«

Begriffserklärungen

 

II.
 Ehret, wen ihr auch wollt! Nun bin ich endlich geborgen!
    Schöne Damen und ihr, Herren der feineren Welt;
 Fraget nach Oheim und Vettern und alten Muhmen und Tanten;
    Und dem gebundnen Gespräch folge das traurige Spiel.
 Auch ihr übrigen fahret mir wohl, in großen und kleinen
    Zirkeln, die ihr mich oft nah der Verzweiflung gebracht,
 Wiederholet, politisch und zwecklos, jegliche Meinung,
    Die den Wandrer mit Wut über Europa verfolgt.
 So verfolgte das Liedchen Malbrough den reisenden Briten
    Einst von Paris nach Livorn, dann von Livorno nach Rom,
 Weiter nach Napel hinunter; und wär’ er nach Smyrna gesegelt,
    Malbrough! empfing ihn auch dort, Malbrough! im Hafen das Lied.
 Und so mußt’ ich bis jetzt auf allen Tritten und Schritten
    Schelten hören das Volk, schelten der Könige Rat.
 Nun entdeckt ihr mich nicht sobald in meinem Asyle,
    Das mir Amor der Fürst, königlich schützend, verlieh.
 Hier bedecket er mich mit seinem Fittich; die Liebste
    Fürchtet, römisch gesinnt, wütende Gallier nicht;
 Sie erkundigt sich nie nach neuer Märe, sie spähet
    Sorglich den Wünschen des Manns, dem sie sich eignete, nach.
 Sie ergötzt sich an ihm, dem freien, rüstigen Fremden,
    Der von Bergen und Schnee, hölzernen Häusern erzählt;
 Teilt die Flammen, die sie in seinem Busen entzündet,
    Freut sich, daß er das Gold nicht wie der Römer bedenkt.
 Besser ist ihr Tisch nun bestellt; es fehlet an Kleidern,
    Fehlet am Wagen ihr nicht, der nach der Oper sie bringt.
 Mutter und Tochter erfreun sich ihres nordischen Gastes,
    Und der Barbare beherrscht römischen Busen und Leib.

   

„Das Gedicht, das aus der Nord-Süd-Beziehung lebt, faßt diesen Bezug auch in der Weise der alten Elegie: Römisches als Gegensatz zu Bergen, Schnee, hölzernen Häusern. […] Goethe kehrt das Motiv, da er selbst Nordländer ist, um und erweitert es um eine neue Gegensatzpaarung: Rom als Verkörperung von Geistes- und Sinnenfreiheit gegen die engen heimischen Zirkel, die nach Oheim, Vetter, alten Muhmen und Tanten fragen.“

(Wimmel 1958, S. 124)

 

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