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Goethes Italienische Reise, Rom

Johann Wolfgang Goethe: »Römische Elegien«

Lesung mit Veronika Faber & Kurt Weinzierl
Musik: Johannes Faber

 

Zwanzigste Elegie

Zieret Stärke den Mann, und freies mutiges Wesen,
   O so ziemet ihm fast tiefes Geheimnis noch mehr.
Städtebezwingerin, du Verschwiegenheit! Fürstin der Völker!
   Teure Göttin, die mich sicher durchs Leben geführt,
Welches Schicksal erfahr ich! Es löset scherzend die Muse,
   Amor löset, der Schalk! mir den verschlossenen Mund.
Ach! schon wird es so schwer der Könige Schande verbergen!
   Weder die Krone bedeckt, weder ein phrygischer Bund
Midas verlängertes Ohr, der nächste Diener entdeckt es
   Und ihm ängstigt und drückt gleich das Geheimnis die Brust;
In die Erde möchte’ ers vergraben, um sich zu erleichtern,
   Doch die Erde verwahrt solche Geheimnisse nicht;
Rohre sprießen hervor und rauschen und lispeln im Winde;
   Midas! Midas, der Fürst, trägt ein verlängertes Ohr!
Schwerer wird es nun mir ein schönes Geheimnis zu wahren
   Ach den Lippen entquillt Fülle des Herzens so leicht!
Keiner Freundin darf ichs vertrauen, sie möchte mich schelten,
   Keinem Freunde, vielleicht brächte der Freund mir Gefahr,
Mein Entzücken dem Hain, dem schallenden Felsen zu sagen
   Bin ich endlich nicht jung, bin ich nicht einsam genug.
Dir Hexameter, dir Pentameter sei es vertrauet
   Wie sie des Tags mich erfreut, wie sie des Nachts mich beglückt.
Sie von vielen Männern gesucht, vermeidet die Schlingen
   Die ihr der Kühnere frech, heimlich der Listige legt,
Klug und zierlich schlüpft sie vorbei und kennet die Wege
   Wo sie der Liebste gewiß lauschend begierig empfängt.
Zaudre Luna! sie kommt! daß sie der Nachbar nicht sehe,
   Rausche Lüftchen durchs Laub, niemand vernehme den Tritt.
Und ihr, wachset und blüht, geliebte Lieder und wieget
   Euch im leisesten Hauch lauer und liebender Luft,
Und, wie jenes Rohr geschwätzig, entdeckt den Quiriten
   Eines glücklichen Paars schönes Geheimnis zuletzt.

 

 

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