Inhalt

 

Goethe, Schiller und die Goethezeit auf Google+

Goethes Italienische Reise, Rom

Yvette Deseyve

Künstler in Rom:
Christoph Heinrich Kniep

Stand: Dezember 2006

Christoph Heinrich Kniep

Christoph Heinrich Kniep
Selbstbildnis. Rötelzeichnung, ca. 1785

 

Gliederung

1. Kurzbiographie
2. Kniep und Goethe
3. Wichtige Werke Knieps aus Goethes römischer Zeit
4. Literatur und Weblinks
5. Rechtlicher Hinweis und Kontaktadresse

 

 

1. Kurzbiographie

Der vom Stuttgarter Kauffmann C.F.C. Haller herausgegebene und in Schorns Kunstblatt 1825 veröffentlichte Nachruf auf Kniep ist die wichtigste Grundlage zur Rekonstruktion der biografischen Fakten über das Leben und Werk des Zeichners Christoph Heinrich Kniep.

Um 1755 wurde Kniep geboren und am 29. Juli 1755 in Hildesheim getauft. Eine kurze Erwähnung im Nachruf lässt eine künstlerische Ausbildung in der Werkstatt eines verwandten Theatermalers vermuten, eine professionelle Akademieausbildung wurde Kniep mit aller Wahrscheinlichkeit nicht zuteil. Erstmals durch seine Werke fassbar wird Kniep zwischen 1778 und 1780 als Porträtzeichner in Hamburg. Aus dieser Zeit resultierte eine enge Freundschaft mit Christoph Daniel Ebeling (1741-1817), dem Herausgeber der Gesamtausgabe der Werke Klopstocks. Einfluss auf sein künstlerisches Werk, insbesondere im Antikenstudium und in der Antikenverwendung, übten vor allem die 1762 von Christian Ludwig von Hagedorn (1712-1780) publizierten „Betrachtungen über die Mahlerey“ aus. Auch mit den Ideen Winckelmanns (1717-1768), Sulzers (1720-1779), Lavaters (1741-1801) und Geßners (1730-1788) zeigte sich Kniep vertraut. Ab 1780 hielt sich er nachweislich in Berlin, in Hildesheim, in Kassel bei der Familie Tischbein und in Lübeck auf, bis ihm der polnische Fürstbischof und Schriftsteller Ignacy Krasicki (1735-1801) 1781 mit einer finanziellen Unterstützung die Romreise ermöglichte.

Bis Ende des Jahres 1785 blieb Christoph Heinrich Kniep zunächst in Rom und siedelte schließlich in die Gegend von Neapel über. Mit kurzen Unterbrechungen blieb er bis zu seinem Tod am 11. Juli 1825 in Neapel, dem „Eldorado“ für Landschaftszeichner.

Neapel, dieses leibhaftige Eldorado, diese unerschöpfliche Goldgrube für den Landschaftsmaler und Zeichner, war lange schon der Gegenstand von Knieps’s tiefster Sehnsucht gewesen.

(Nachruf 1825, zit. n. Striehl 1998, S. 6)

 

Neben Kniep hatten sich aus dem deutsch-römischen Künstlerkreis um Goethe auch Johann Heinrich Tischbein (1751-1829) und Jakob Philipp Hackert (1784-1862) in Neapel eingefunden, mit denen er einen intensiven Austausch pflegte. Auch der direkte Kontakt zu Goethe und die mit ihm 1787 unternommene Romreise unter Vermittlung Tischbeins statt.

Angesichts seiner spärlich überlieferten Werke, die sich zudem hauptsächlich auf das Gebiet der Zeichnung beschränken, ist diesem Zusammentreffen und der ausführlichen Erwähnung Knieps in Goethes Italienischen Reisebeschreibungen seine doch vergleichsweise hohe Bekanntheit zu verdanken. Daher verwundert kaum der Zusammenhang der kunsthistorischen Rezeption des Kniepschen Œuvres im Zuge der wissenschaftlichen Goethe-Forschung.

 

 

2. Kniep und Goethe

„Italien ohne Sizilien macht gar kein Bild in der Seele: hier ist erst der Schlüssel zu allem.“

In den letzten Tagen hat sich ein neues Verhältnis näher angeknüpft. […] Es ist Kniep, der sich eine Zeitlang in Rom aufgehalten, so dann sich aber nach Neapel, in das eigentlichste Element des Landschafters, begeben hatte. Schon in Rom hörte ich ihn als einen geschickten Zeichner preisen, nur seiner Tätigkeit wollte man nicht gleiches Lob erteilen. Ich habe ihn schon ziemlich kennen gelernt und möchte diesen gerügten Mangel eher Unentschlossenheit nennen, die gewiss zu überwinden ist, wenn wir eine Zeitlang beisammen sind. Ein glücklicher Anfang bestätigt mir diese Hoffnung, und wenn es nach mir geht, sollen wir auf geraume Zeit gute Gesellen bleiben.

(HA, Bd. 11, S. 212f., 33-18)

Die Kritik an Knieps künstlerischen Arbeiten mag auf seine langjährige stilistische Einheitlichkeit zurückzuführen sein, die durch eine Normierung der Formensprache verstärkt wird. Dabei sind in seinem erhaltenen Werkkomplex Bildwiederholungen mit nur leichten Variationen eine Selbstverständlichkeit. Das Primat der Kontur, die zeichnerische Akkuratesse, seine intensive Beschäftigung mit der Landschaftsdarstellung und der Antike wie auch letztlich seine topographische Genauigkeit und seine anmutigen Staffagen machten Knieps Zeichnungen zu einem beliebten „Souvenir“ für Italienreisende.

Nie sah’ ich solche Skizze, als die seinigen. Jede ist ein akademisches Meisterstück. Luft und Linienperspektive, Bäume, Verhältnisse der architektonischen Theile, Alles ist vollkommen, Alles mit der elegantesten Zierlichkeit vollendet. Seine eigenen Kompositionen sind voll Grazie; neugriechische Idyllen, mit reizenden Auftritten durchwebt. Er ist ein Vertrauter der Natur. Welch zartes Leben in der lieblichen Pflanzenwelt seines Vorgrundes, und welche karakteristische Wahrheit in seinen Vorbergen und Gebirgen, wo man immer die Steinart so gleich unterscheidet, und die Kalk- und Tuff-Felsen ihren Habitus so getreulich beyhalten, wie die Kastanie, die Eiche, die Sumpf- und Bergpflanze.

(Friederike Brun, zit. n. nach Striehl 1998, S. 12)

Nach Tischbein war dies auch für Goethe ein entscheidendes Argument, sich auf seiner Reise nach Sizilien von Kniep begleiten zu lassen:

Als er [Kniep] hörte, dass auch Goethe in Neapel sei, stieg seine Freude noch höher, und er ging gleich mit mir, um ihn zu sehen. Dem gefiel er und von nun an war er täglich bei uns. Goethe bestellte bei ihm Zeichnungen von neapolitanischen Gegenden, und ich riet ihm, statt meiner den Kniep mit nach Sizilien zu nehmen; der könnte ihm die schönsten Gegenden auf der Reise zeichnen, und so entstände daraus ein doppelter Vorteil: für Kniep wäre diese Reise ein Glück auf zeitlebens und Goethe erhielte durch die Zeichnungen ein sichtliches Andenken daran. Dies wurde denn auch beschlossen; und Kniep reiste mit.

(Tischbein, Aus meinem Leben, zit. n. 1989, S. 7)

Für Goethes Auseinandersetzung mit der Antike war die Reise nach Neapel und Sizilien äußerst wichtig, da ihm dort erst der griechische Einfluss der Antike fassbar wurde. Entsprechend begeistert berichtet er in seiner Italienischen Reise von Küsten, Vorgebirgen, Golfen, Buchten, Hügeln, fruchtbaren Feldern und dem umgebenden Meer, den Abwechselungen und Mannigfaltigkeiten, die ihm die Odyssee Homers lebendig erstehen lies (HA, Bd. 11, S. 323). Knieps Zeichnungen ermöglichten Goethe dabei nicht nur den Erhalt persönlicher Erinnerungen. Ein weiterer, pädagogischer Grund kann in der Vermittlung der Landschaft und ihrer Sehenswürdigkeiten gesehen werden. Der von Goethe mitgeführte Reisebericht Hermann von Riedesels ließ die bildliche Erschließung des Landes fast vollständig vermissen.

Nun hat sich das Verhältnis zu Kniep auf eine recht praktische Weise ausgebildet und befestigt. […] Die herrlichsten Umrisse sind gewonnen, ihn freut nun selbst dieses bewegte, arbeitsame Leben, wodurch ein Talent aufgeregt wird, das er sich selbst kaum zutraute. Hier gilt es resolut sein; aber gerade hier zeigt sich seine genaue und reinliche Fertigkeit. Das Papier, worauf gezeichnet werden soll, mit einem rechtwinkligen Viereck zu umziehen, versäumt er niemals, die besten englischen Bleistifte zu spitzen und immer wieder zu spitzen, ist ihm fast eine ebenso große Lust als zu zeichnen; dafür sind aber auch seine Konture, was man wünschen kann. […] Alle Konture gehören mein, damit aber nach unserer Rückkehr daraus ein ferneres Wirken für ihn entspringe, so führt er eine Anzahl auszuwählender Gegenstände bis auf eine gewisse bestimmte Summe für mich aus; da sich denn indessen bei seiner Geschicklichkeit, bei der Bedeutsamkeit der zu erobernden Aussichten und sonst wohl das Weitere ergeben wird.

(Goethe-HA Bd. 11, S. 218, 11-34)

Auf extrem langen und schmalen Papierstreifen fixierte Kniep mit wenigen exakten Linien die Landschaftsformen. Teils dienten sie ihm als großformatige Skizzen zur Umsetzung größerer Kompositionen, teils führte er sie weiter aus und kolorierte sie nachträglich. Das gesamte Konvolut der während der Reise entstandenen Zeichnungen befindet sich in Weimar. Zeigte sich Goethe von dem Wert von Knieps Arbeiten begeistert, so kann doch – im Gegensatz zu Kauffmann oder Hackert – kein Einfluss Knieps auf Goethes zeichnerisches Werk festgestellt werden. Auch eine über die Reise fortdauernde Beziehung ergab sich nach Striehl nicht.

 

 

3. Wichtige Werke Knieps aus Goethes römischer Zeit

 

Ischia, Capri und Kap Minerva

„Ischia, Capri und Kap Minerva“
(Nationale Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen Literatur, Weimar), 1787, Bleistift, 16,7x 62,2cm, bez.: Ischia d. 30ten Merz Capri e Capo di Minerva d. 30. März

 

Die Zeichnung Knieps mit der Aufschrift „Ischia […] Capri e Capo di Minerva“ ist durch das extreme Panoramaformat des Blattes gekennzeichnet. Das Breitformat wird durch eine gerade durchlaufende Horizontlinie zusätzlich betont, die die Zeichnung nahezu mittig teilt. Links erhebt sich eine mit Ischia überschriebene Inselformation, die durch eine von links nach rechts sanft aufsteigende Küstenlinie und schroff abfallende Felspartien im mittleren Küstenabschnitt charakterisiert wird. Durch eine Meerenge unterbrochen schließt sich die kleinere, steilere Insel Capri mit dem Cap Minerva an.

Meer und Himmel werden ebenso wenig durch Schraffuren angegeben wie auch sonst jegliche illusionistische Erzeugung von Hell-Dunkel sowie Körperlichkeit gänzlich vermieden wird. Einzig die Intensität der Linie variiert und gibt vage Anhaltspunkte für die Raumtiefe. Die Zeichnung zeigt exemplarisch Knieps „simple Linie“, mit der er Landschaftsveduten ausführte. Oft geht sie dabei über den Sehwinkel der Augen hinaus und erzeugt den Eindruck einer unendlichen Fortsetzbarkeit:

Hat man sich nicht ringsum vom Meere umgeben gesehen, so hat man keinen Begriff von Welt und von seinem Verhältnis zur Welt. Als Landschaftszeichner hat mir diese große, simple Linie ganz neue Gedanken gegeben.

(HA, Bd. 11, S. 230f, 37-2)

 

 

Segesta

Bleistiftzeichnung: „Segesta“, (Nationale Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen Literatur, Weimar), 1787, Bleistift, 38,5x 54,3cm, bez. und sign.: Kniep 1787 Tempel von Segest mit unfruchtbarer Umgebung

 

 

Sepiazeichnung: „Segesta“ (Wien, Albertina), 1788, Sepia, 40,5x55,4 cm, bez. und sign.: C.H. Kniep Napoli 1788

 

Die Reiseroute führte Kniep und Goethe über Monreale und Alcamo nach Segesta. Der Tempel von Segesta und seine einzigartige landschaftliche Lage wurde Gegenstand weiterer Skizzen Knieps.

Zur einer Bleistiftskizze, die Kniep mit „Tempel von Segest mit unfruchtbarer Umgebung“ überschrieb, verwahrt die Albertina in Wien eine großformatige Sepia-Ausführung. Die Ausführung entstand nach Knieps Rückkehr in Neapel im Jahre 1788. Ein unmittelbarer Vergleich der beiden Blätter verdeutlicht die zeichnerische Qualität von Knieps Umrisszeichnungen, die trotz ihrer starken Reduktion dem Vedutenanspruch Goethes gerecht wurden.

Während in der Bleistiftzeichnung die Leerstellen im Vordergrund eine sanfte Hügellandschaft angeben, die sich nach hinten staffelt und zum rechten Bildrand ansteigend zugleich alle Landschaftsgründe verzahnt, ist die Ausführung von einer starken Ausformung des Vorder-, Mittel- und in der Ferne verblassendem Hintergrunds geprägt. Zusätzlich verstärkt wird dieser Eindruck der Sepia-Ausführung durch das Hinzufügen einer Staffagegruppe mit Pferden und detailliert ausgeführtem Buschwerk im Vordergrund. Der Tempel von Segesta, der in der Umrissskizze durch Felsformationen nahezu verdeckt ist, wird in der Ausführung fast vollständig auf dem Felsplateau gezeigt. Dadurch erhält er eine hervorgehobene Stellung im Bild und betont den Erinnerungswert des abgebildeten Ortes

 

 

4. Literatur und Weblinks

Literatur:

ADB 1980
Jäger, Hans-Wolf: Christoph Heinrich Kniep, in: Historische Kommission der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (Hrsg.): Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 12, Berlin 1980, S. 181f.

Kruft 1970
Kruft, Hanno-Walter: Goethe und Kniep in Sizilien. Jahrbuch der Sammlung Kippenberg, Bd. 2, Düsseldorf 1970, S. 201-327.

Striehl 1992
Striehl, Georg: Christoph Heinrich Kniep – Zeichner an Goethes Seite. Zwischen Klassizismus, Realismus und Romantik, Hildesheim 1992.

Striehl 1998
Striehl, Georg: Der Zeichner Christoph Heinrich Kniep (1755-1825). Landschaftsauffassung und Antikenrezeption, Hildesheim 1998.

 

Weblinks:

Überblick über Grandtour Reisende mit einigen Abbildungen Knieps:
http://www.istitutomazzini.napoli.it/lingue/comenius/attivita/traccenapoli/grandtour.htm

Goethe und Kniep in Sizilien:
http://archiv.ub.uni-marburg.de/diss/z1999/0069/html/schirmer21.htm

 

 

5. Rechtlicher Hinweis und Kontaktadresse

Alle Vorlagen entstammen einer privaten Sammlung. Die private Nutzung und die nichtkommerzielle Nutzung zu bildenden, künstlerischen, kulturellen und wissenschaftlichen Zwecken ist gestattet, sofern Quelle (Goethezeitportal) und URL (http://www.goethezeitportal.de/index.php?id=rom_kniep) angegeben werden. Die kommerzielle Nutzung oder die Nutzung im Zusammenhang kommerzieller Zwecke (z.B. zur Illustration oder Werbung) ist nur mit ausdrücklicher schriftlicher Genehmigung der Verfasser gestattet. Dem Goethezeitportal ist kein Urheberrechtsinhaber bekannt; sollte noch ein Urheberrecht bestehen, bitten wir um Nachricht.

Kontaktanschrift:
Prof. Dr. Georg Jäger
Ludwig-Maximilians-Universität München
Institut für Deutsche Philologie
Schellingstr. 3
80799 München

E-Mail: georg.jaeger@germanistik.uni-muenchen.de.

 

zurück zum Anfang

Gefördert vom Bayerischen Staatsministerium
für Wissenschaft, Forschung und Kunst
KULTURFONDS BAYERN

Das Fach- und Kulturportal der Goethezeit