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Friedrich Bodenstedt:
Album deutscher Kunst und Dichtung.
Auswahl aus einem Prachtwerk der Gründerzeit

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Wilhelm Müller: Dein ist mein Herz

Ich schnitt' es gern in alle Rinden ein,
Ich grüb' es gern in jeden Kieselstein!
Ich möcht' es sä'n auf jedes Beet
Mit Kressensamen, der es schnell verräth,
Auf jeden weißen Zettel möcht' ich's schreiben:
Dein ist mein Herz und soll es ewig bleiben.
 
Den Morgenwinden möcht' ich's hauchen ein,
Ich möcht' es säuseln durch den ganzen Hain;
O leuchtet' es aus jedem Blumenstern!
Trüg' es die Luft zu ihr von nah und fern!
Ihr Wogen, könnt ihr nichts als Räder treiben?
Dein ist mein Herz und soll es ewig bleiben.
 
Ich möcht mir ziehen einen jungen Staar,
Bis daß er spräch' die Worte rein und klar,
Bis er sie spräch' mit meines Mundes Klang,
Mit meines Herzens vollem heißem Drang;
Dann säng' er hell durch ihre Fensterscheiben:
Dein ist mein Herz und soll es ewig bleiben.
 
Ich meint', es müßt' in meinen Augen stehn,
Auf meinen Wangen müßt' man's brennen sehn,
Zu lesen wär's auf meinem stummen Mund,
Ein jeder Athemzug thät's laut ihr kund,
Und sie merkt nichts von all dem bangen Treiben:
Dein ist mein Herz und soll es ewig bleiben!

 

Kurzbiographie Robert Beyschlag

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