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Jutta Assel | Georg Jäger

Der Pfingstausflug

Pfingstgrüße
Folge 2

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Eingestellt: Mai 2016

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Die diesjährigen Pfingstgrüße haben nur ein Thema: den Pfingstausflug. Familien, kleine und große Gruppen, auch Einzelne sind unterwegs, strömen "in die Natur", hinaus aufs Land - alt und jung, groß und klein. Sie kommen zu Fuß, per Fahrrad, in der Pferdekutsche, im mit Birkenzweigen geschmückten großen Leiterwagen, dem Rösser vorgespannt sind. Die naturhungrigen Städter reisen an auch per Schiff, Eisenbahn und mit dem "Pfingstomnibus." Und die Dörfler schließen sich der bunten, feiertäglich gekleideten Menge an, wollen an diesem Festtag im vertrauten Kreis ebenfalls hinaus ins Freie, in Wiesen, Feld und Wald, in denen sie sonst nur arbeitend tätig sind.

Doch alle suchen und genießen sicher auch die Geselligkeit, das lockere, fröhliche Miteinander, das Wiederbegegnen mit Freunden und Verwandten, neue Bekanntschaften. Die Pfingstausflügler wandern eine meist kurze Strecke, lassen sich dann nieder am Seeufer, im Wald oder zwischen dem Eisenbahngeleise und der Straße. Manche trinken und essen, doch die meisten erholen sich beim Gehen, beim Rasten und Ruhen im Gras, beim Plaudern, Schauen und Scherzen in der sonnigen, blühenden Natur. Eingefügt in die Bildstrecke mit alten Postkarten sind wieder Gedichte und Textausschnitte.

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Oben: Fröhliche Pfingsten. Adressseite: 86/3. Gelaufen. Datum und Poststempel: 1907.
Mitte: Fröhliche Pfingsten. Adressseite: 90/11. Nicht gelaufen.
Unten: Fröhliche Pfingsten. Adressseite: Serie 510. Gelaufen. Poststempel 1909.

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Michael Georg Conrad
Was die Isar rauscht
(Roman 1888)

Und in zehn Tagen ist Pfingsten, das liebliche, lockende Fest mit seinen Ausflügen an die anmutigen Gelände des Starnberger Sees, an den lächelnden Kochel- oder den melancholischen Walchensee, hinein in die blauen Berge mit ihren Thälern und Schluchten und himmelanstarrenden Felsen, zu Wiese und Wald, zu Jägern und Adlern und Gemsen, zu allen Wundern der unaussprechlich reichen und schönen Hochlandswelt! Da steht man, der verlogenen, unheimlich widerspruchsvollen Kulturmaskerade entrückt, endlich wieder auf du und du mit dem ewigen Naturgeist, da badet man sich die bedrückte und bestaubte Seele rein und frisch im unverdorbenen Äther, der die Zinnen der Alpen umflutet wie an ihrem Schöpfungstag.

Quelle:
Deutsche Literatur von Luther bis Tucholsky. Großbibliothek (Digitale Bibliothek; 125) Berlin: Directmedia 2005, S. 90423.

Zum Schriftsteller Michael Georg Conrad (1846-1927) siehe den Eintrag in Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Georg_Conrad

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Oben: Fröhliche Pfingsten. [Über der Tür:] Bäckerei Bruno Bohne. Adressseite: Verlags- und Serienangabe überschrieben. Gelaufen. Poststempel 1908.
Mitte: Fröhliche Pfingsten. Adressseite: Serie 628. Gelaufen. Poststempel unleserlich.
Unten: Fröhliche Pfingsten. Adressseite: 73/1. Gelaufen. Poststempel 1907.

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Gottfried Keller
Berliner Pfingsten

Heute sah ich ein Gesicht,
Wonnevoll zu deuten:
In dem frühen Pfingstenlicht
Und beim Glockenläuten
Schritten Weiber drei einher,
Feierlich im Gange,
Wäscherinnen, fest und schwer!
Jede trug 'ne Stange.

Mädchensommerkleider drei
Flaggten von den Stangen;
Schönre Fahnen, stolz und frei,
Als je Krieger schwangen,
Blau und weiß und rot gestreift,
Wunderbar beflügelt,
Frisch gewaschen und gesteift,
Tadellos gebügelt.

Lustig blies der Wind, der Schuft,
Lenden auf und Büste,
Und von frischer Morgenluft
Blähten sich die Brüste!
Und ich sang, als ich gesehn
Ferne sie entschweben:
Auf und laßt die Fahnen wehn,
Schön ist doch das Leben!

Quelle:
Deutsche Literatur von Luther bis Tucholsky. Großbibliothek (Digitale Bibliothek; 125) Berlin: Directmedia 2005, S. 303859 f.

Zum Schriftsteller Gottfried Keller (1865-1910) siehe den Eintrag in Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Gottfried_Keller

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Fröhliche Pfingsten! Adressseite: 5278. Made in Austria. Gelaufen. Datiert 20.5.15. Poststempel 20.5.14.

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Oben: Herzinnigen Pfingstgruß. Adressseite: 5493. Nicht gelaufen.
Mitte: Fröhliche Pfingsten! Adressseite: 5496. Gelaufen. Feldpoststempel. Datiert 1917. Poststempel unleserlich.
Unten: Fröhliche Pfingsten. Adressseite: 110/VI. Gelaufen. Poststempel unleserlich.

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Hermann Lingg
Pfingsten

Schöne Zeit von Himmelfahrt
Bis zum nahen Pfingsten,
Wo der Geist sich offenbart
Groß auch im Geringsten.

Glockenklang erschallt vom Dom,
Und zur Lust des Maien
Wallt hinaus der Menschenstrom,
Alles will sich freuen!

Freue sich, wer Gutes tat,
Wer dafür gestritten,
Wer gestreut der Zukunft Saat,
Und auch wer gelitten!

Ja, ich weiß, es wird geschehn,
Was wir jetzt noch hoffen,
Daß zum Glück die Tore stehn
Allen einst noch offen.

Daß man nicht mehr sieht verirrt
Scharen Lebensmüder;
Keine Herde und kein Hirt,
Freie nur, nur Brüder!

Wenn kein Druck den Geist mehr dämpft,
Wenn ein zweites Eden,
Aber schöner, weil erkämpft,
Folgt auf unsre Fehden.

Eines Himmels Erdenfahrt
Und ein andres Pfingsten,
Wo der Geist sich offenbart,
Groß auch im Geringsten.

Quelle:
Deutsche Literatur von Luther bis Tucholsky. Großbibliothek (Digitale Bibliothek; 125) Berlin: Directmedia 2005, S. 356537 f.

Zum Schriftsteller Hermann Lingg (1820-1905) siehe den Eintrag in Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Hermann_Lingg

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Frohe Pfingsten. Adressseite: Signet (Schiff. E auf Segel) M.S.i.B. [Martin Schlesinger in Berlin] 413. Gelaufen. Poststempel unleserlich.

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Fröhliche Pfingsten [handschriftlich ergänzt:] und herzliche Grüße wünscht Dir Deine Gertrude. 10.6.1905]. Adressseite: Serie 200. Gelaufen. Poststempel 1905. Adressseite ungeteilt.

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Otto Julius Bierbaum
Josephine

Der Himmel ist blau, das Wetter ist schön,
Madame, wir wollen spazieren gehn!
Da ist sie dabei!
In den blühenden Mai
Aussegeln wie Frühlingsfregatten wir Zwei.
Wie Blütenschnee ihr Kleid so klar,
Ein Blumengarten ihr Strohhut war,
Ein moosgrün Band vom Hute hing,
Wie Wimpelwurf im Winde ging.
Recht wie ein schwarzer Würdebär
Ging neben der Fee mein Leibrock her.

Wie wunderbar
Der Maitag war!
So frisch, so hell, so kühn, so jung,
Wie Kinderglückserinnerung,
Und so voll Liebe und Heiligkeit;
Ach, kranke Welt, wie bist du weit,
Weit von uns fern mit deiner Gier,
Mit deinem Haß, mit deinem Streit, –
Wir seligen, seligen Kinder wir!

Quelle:
Deutsche Literatur von Luther bis Tucholsky. Großbibliothek (Digitale Bibliothek; 125) Berlin: Directmedia 2005, S. 51780.

Die ersten beiden Zeilen, humoristisch umgeformt, werden häufig zitiert:
    Der Himmel ist blau, das Wetter ist schön,
    Herr Lehrer, wir wollen spazieren gehn!

Zum Schriftsteller Otto Julius Bierbaum (1865-1910) siehe den Eintrag in Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Julius_Bierbaum

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Oben: Fröhliche Pfingsten. Adressseite: 175/I. Im Briefmarkenfeld: Rose. Nicht gelaufen.
Mitte: Fröhliche Pfingsten! Adressseite: Signet [Dr. Trenkler Co, Leipzig] Series 1246. Gelaufen. Datiert 1907. Poststempel unleserlich.
Unten: Herzliche Pfingstgrüße. Adressseite: Signet. 6450/V. Datierung u. Poststempel unleserlich.

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Otto Julius Bierbaum
Pfingstomnibus

Zwei dicke Isabellen,
Die ziehn das Räderhaus,
Darinnen sieht's von hellen
Pfingstkleidern lustig aus.

Der Kutscher auf dem Bocke
Sitzt zwischen Zweigen grün;
Wunder! An seinem Rocke
Zwei Fliederbüsche blühn.

Die Peitsche läßt er wehen
Wie linden Wimpelschwung,
Die dicken Gelben gehen
Heut wie zwei Fohlen jung.

Als wenn sie heut zu Ehren
Dem Frühlingsfeiertag
Silberbeschlagen wären,
Klingt ihrer Hufe Schlag.

In hellen Resonnanzen
Tönts wider der Asphalt,
Klipp-klapp von Liebe und Tanzen
Ein Lied empor mir schallt:

Ein lieber Junge ist der Mai,
Er sitzt mit grünem Kranze
Auf einer buschigen Linde frei
Und spielt uns auf zum Tanze.

Hat Augen grade so wie du,
Die wie zwei Sonnen scheinen,
Er spielt und schwingt den Takt dazu
Mit seinen nackten Beinen.

Komm, Mädel, gieb mir deine Hand,
Wir wollen einen drehen,
Wie ihn der Mai, der Musikant,
Sein Lebtag nicht gesehen.

Nicht nach der Ueberzarten Art
Wolln wir im Kreise schleichen,
Wir tanzen heute Himmelfahrt
Und nach des Maien Geigen.

Drum fassen wir uns fest und warm
Und wirbeln uns verwegen,
Hopp, Mädel, komm! In meinen Arm
Kannst du dich ruhig legen.

So hoch des Maien Geige singt,
So hoch will ich dich heben:
Wer tanzend in die Liebe springt,
Der springt ins ewige Leben.

Quelle:
Deutsche Literatur von Luther bis Tucholsky. Großbibliothek (Digitale Bibliothek; 125) Berlin: Directmedia 2005, S. 51943.

Zum Schriftsteller Otto Julius Bierbaum (1865-1910) siehe den Eintrag in Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Julius_Bierbaum

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Fröhliche Pfingsten.
Adressseite: 250/VI. Gelaufen. Poststempel unleserlich.

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Hermann Claudius
Im Mai
(1771)

Tausend Blumen um mich her,
   Wie sie lachend stehn!
Adam hat nicht lachender
   Sie am Phrat gesehn.
Hier, die schöne grüne Flur,
Hier, der Wald, und der Waldgesang!
   O Natur, Natur,
   Habe Dank!

Quelle:
Matthias Claudius: Werke in einem Band. München: Winkler Verlag o.J., S. 87.

Zu Matthias Claudius (1740-1815) siehe den Eintrag in Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Matthias_Claudius

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Siehe auch Folge 1
Im wunderschönen Monat Mai ...
http://www.goethezeitportal.de/index.php?id=6785

Folge 3
Pfingstgrüße
http://www.goethezeitportal.de/index.php?id=6874

Folge 4
Maikäfer
http://www.goethezeitportal.de/index.php?id=6901

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Literaturhinweise

* Glückwünsche auf Postkarten. Altonaer Museum in Hamburg 1978. Pfingstpostkarten Nr. 166-200.
* Otto May: Pfingsten, liebliches Fest ...? Pfingstpostkarten in Deutschland 1897-1945. Begleitheft zur Ausstellung im Kloster Marienrode. Tharax Verlag im Verlag Franzbecker, Hildesheim, Berlin 2008. ISBN 978-3-88120-901-4
* Peter Leuter: Frohe Pfingsten. In: Ak-Express, Nummer 131, 2009, S. 4-13.
* Fritz Franz Vogel: Kitsch per Post. Das süße Leben auf Bromsilberkarten von 1895 bis 1920. Köln: Böhlau Köln 2014, Pfingstkarten S. 311f. ISBN: 978-3-412-22432-5

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