Oeser mit
der Gestaltung von Gärten und Parkanlagen zu beauftragen, geht von der
Vorstellung des 18. Jahrhunderts aus, daß ein Landschaftsgärtner möglichst
selbst auch Landschaftsmaler sein müsse. Denn ein Maler verfährt bei der
Gestaltung eines Naturraums in derselben Weise wie ein Gärtner, indem er eine
Auswahl an geeigneten, besonders reizvollen Naturausschnitten trifft und diese
nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten auf dem Bild komponiert.
Daß Oeser an der Gestaltung der
Parkanlagen in Weimar als künstlerischer Berater und Landschaftsarchitekt
herangezogen wurde, wird in den meisten Besprechungen über Parks der zweiten
Hälfte des 18. Jahrhunderts oft nur am Rande erwähnt. Selbst in
Einzeldarstellungen bleibt es hierüber meist nur bei einer kurzen Bemerkung.
Eine umfassende Würdigung Oesers an der Mitgestaltung der Parkanlagen entlang
der Ilm in Weimar und in Tiefurt hat bislang noch nicht stattgefunden. Die
Tatsache, daß auch Goethe am Entstehen der Weimarer Parks beteiligt war,
verstellt bis hin zur jüngsten einschlägigen Gartenliteratur den Blick auf die
Stellung Oesers, so daß dessen Anteil bislang noch nicht entsprechend erkannt
und rekonstruiert wurde. Ein weiterer Grund für die einseitige Sichtweise mag
ferner darin zu suchen sein, daß die Gestaltung der englischen Landschaftsgärten
in ihrer Entwicklungsgeschichte verschiedenen Strömungen folgte und Oeser davon
nur die Form des sentimentalen englischen Gartens vertrat. Gerade dieser Typus
aber stieß im Zusammenhang mit der allgemeinen Kritik am Sentimentalismus gegen
Ende des Jahrhunderts immer mehr auf Ablehnung.
Im Verlauf des folgenden
Kapitels soll in einem Überblick die theoretische Grundlage für die Gartenkunst
der zweiten Hälfte des 18. Jahrhundert skizziert werden. Im Anschluß wird in
einem Exkurs ein Blick auf die damals zeitgenössische Literatur geworfen werden,
in der die zunehmend ablehnende Haltung gegenüber dem „empfindsamen“
Landschaftsgartens deutlich zum Ausdruck gebracht wird. Nach dem theoretischen
Überblick wird versucht, Oesers Bedeutung für die Parkgestaltung in Weimar
anhand chronologisch ausgewerteten Briefmaterials zu rekonstruieren. Die
zahlreichen von Oeser gestalteten Denkmale für Gärten in Weimar und in Leipzig
sollen in einem gesonderten Kapitel und unter einer eigenen Fragestellung
behandelt werden.
Die Geschichte des
Landschaftsgartens ist als Teil einer geistigen Neuorientierung, welche aus dem
18. ins 19. Jahrhundert führt, zu verstehen und verdankt
literarisch-philosophischen Impulsen nicht nur die geistigen Grundlagen, sondern
auch wesentliche formale Anregungen. Die Entwicklung des Naturgefühls, die
Betonung der Empfindung in der Einschätzung natürlicher Schönheiten und das
ästhetische Bedenken gegenüber unnatürlichen Formen sind ohne die Vorläufer der
Romantik und schließlich ohne eine romantische Grundeinstellung nicht denkbar.
Gemeinsames Ziel der neu
angelegten Gartenanlagen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts war eine
gestalterische und inhaltliche Überwindung des barocken Gartens, der als
Inbegriff des mittlerweile verpönten absolutistischen Herrschaftssystems galt.
Die auf einen Punkt ausgerichteten Sichtachsen, die Symmetrien, die coupierten
Hecken galten als unnatürlich. Paten für den neuen Gartentypus waren die
verbürgerlichten Länder, deren Kunst als nicht feudal bezeichnet werden konnte.
Diese Länder waren England, die Niederlande, die Schweiz, hinzu kam die
französische Aufklärung und die Antike und Renaissance Italiens. Zusätzlich
stellte noch die Asiensehnsucht als soziale Utopie den Traum einer heilen Welt
dar.
Ohne hier die gesamte
Entwicklungsgeschichte des Landschaftsgartens aufzeichnen zu wollen, sollen die
wichtigsten theoretischen Impulse, die von England ausgingen, im folgenden kurz
dargelegt werden.
England war der Ausgangspunkt
des Sentimentalismus, der seinen besonderen Ausdruck in dem sogenannten
„Englischen Garten“ als einer Stätte eines „Naturkultes“ fand.
Der Sentimentalismus Englands war eng mit den gesellschaftlichen Umbrüchen des
Landes verbunden. Auf der Insel war der Emanzipationsprozeß des Bürgertums
weiter vorangeschritten als auf dem europäischen Kontinent. Mit der bürgerlichen
Revolution von 1697 und der Einführung der konstitutionellen Monarchie war
England das Vorbild für alle bürgerlichen, geistigen und kulturellen
Emanzipationsbestrebungen in Europa geworden. Das aus diesen Errungenschaften
erwachsene Selbstbewußtsein des englischen Bürgers spiegelte sich ebenso auch in
dem neu erwachten Naturgefühl wider. Der Landschaftsgarten verband sich eng mit
dem Gedanken der Freiheit. Der streng angelegte Barockgarten stand nun dem
geschlängelten Weg und dem unbeschnittenen Baum gegenüber.
Die theoretische Diskussion fand
unter Dichtern und Philosophen statt, von denen auch die wichtigste Literatur
zur Gartengestaltung ausgegangen war.
Gleichzeitig waren diese Programmschriften auch mit moral- und
gesellschaftskritischen Äußerungen verbunden. Einen ersten gedanklichen Vorstoß
unternahmen im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts Antony A. Cooper Earl of
Shaftesbury (1671-1713), Joseph Addison (1672-1719) und der Dichter Alexander
Pope (1688-1744). Auf Popes Anregung entstand einer der frühesten englischen
Landschaftsgärten in Twickham 1718. Richard Boyle Earl of Burlington
(1695-1753) und William Kent (1684-1748) gestalteten kurz darauf den Garten von
Chiswick. Kent wandte die Kompositionsregeln der Landschaftsmalerei auf die
Gestaltung seiner Anlagen an und verstand seine Gärten als eine Folge
dreidimensionaler malerischer Bilder, die er in der Natur entsprechend den
Vorbildern Lorrains, Poussins und Salvador Rosas (1615-1673) nachstellte.
Der aufgeklärte Adel Europas
orientierte sich bei der Gestaltung der eigenen Parkanlagen an den englischen
Vorbildern. Herausragendes Beispiel für Deutschland war hierfür der Park in
Wörlitz Leopold III. Fürst Friedrich Franz von Anhalt-Dessau (1740-1817). Für
die in der Folgezeit im deutschsprachigen Raum entstandenen Gartenanlagen galt
dieser Park als unerreichbares Vorbild. Die Wörlitzer Anlage verkörpert das
gesamte Weltbild der Aufklärung, indem es sämtliche geistesgeschichtlichen
Strömungen der Zeit in einer idealisierten Form zum Ausdruck brachte.
Pädagogik, Religion, Medizin, Landwirtschaft, Kunst und Philosophie vereinigen
sich hier zu einem Ideal einer künstlich geschaffenen Welt.
Den wichtigsten theoretischen
Beitrag zur Verbreitung des Landschaftsgartens in Deutschland lieferte die
„Theorie der Gartenkunst“ von Christian Cay Lorenz Hirschfeld.
Die Gedanken des Professors der Ästhetik und des Gartentheortikers werden
geleitet vom Sentimentalismus, den Emanzipationsbestrebungen des Bürgertums und
dem aufklärerischen Denken des Adels. Die Nachwirkungen seiner Schriften sind
im Landschaftsgarten von Wörlitz ebenso wie in den Gärten Weimars noch heute
spürbar. Voraussetzungen für Hirschfelds Arbeit waren die literarischen und
dichterischen Versuche, ein neues Bewußtsein des Menschen gegenüber der Natur zu
schaffen. Allen voran übte das arkadische Ideal, das Geßner über seine
Dichtungen, Idyllenzeichnungen und seine „Briefe über die Landschaftsmalerei“
vermittelte, großen Einfluß auf das neue Naturempfinden in Deutschland aus. Die
Landschaftsdarstellungen und die Gartenkunst der zweiten Hälfte des Jahrhunderts
bringen dies zum Ausdruck. Ein Nachhall davon ist auch in den Weimarer
Parkanlagen zu spüren.
Allgemein gesprochen bildet der
Landschaftsgarten in der gegenständlichen Stilstufe, zusammen mit dem Schloß,
den Monumenten und kleinen Bauwerken mit ihren Symbolwerten ein Ort, an dem die
verschiedensten Gestaltungselemente mit ihren unterschiedlichsten Effekten
angebracht sind. Die emotionale Bandbreite reicht von der Erinnerung an das
Mysterium des Todes bis zum heiteren Spaß, von der Liebe zur heimatlichen
Tradition bis zur Überraschung von Exotischem. Den einzelnen Landschaftsmotiven
wurden die verschiedensten Gefühlswerte zugeordnet, die oft auf engstem Raum als
Gegensatzpaare angelegt wurden. Die Sinneseindrücke des ruhenden und fließenden
Wassers, der Weite und des Ausblicks, der Enge und der Abgeschiedenheit, der
sanften Schönheit und der heroischen Wildnis bilden einen gestalteten
Mikrokosmos für die Entfaltungen aller menschlicher Empfindungen.
In der Literatur taucht der
Begriff des „Empfindsamen Gartens“, nur einmal in der anonymen Schrift:
„Kurze Theorie der empfindsamen Gartenkunst, oder Abhandlung von den Gärten nach
dem heutigen Geschmack“ von 1786 auf.
Daß man sich ebenso wie in der bildenden Kunst bei Gärten, die auf
Empfindungswerte angelegt wurden, eine moralische Läuterung versprach, bemerkt
Sulzer unter dem Stichwort „Gartenkunst“. Er sieht aus den Gärten eine „sittliche
Kraft“ hervorgehen, die die „Gemüther“ positiv beeinflußt.
Auch Hirschfeld geht davon aus, daß eine „Landschaft im
Kleinen“
in erster Linie eine auf Empfindungen angelegte Landschaft sein muß, wie er sie
z.B. in den Eindrücken eines „Abendgartens“ beschreibt:
„Dies sind die Augenblicke der
lieblichsten Bilder und der süßesten Empfindungen: eine frohe Erholung der
erschöpften Kräfte, ein gelassenes Nachsinnen, eine sanfte Milde, die sich über
alle unsere Gedanken, alle unsere Empfindungen verbreitet, ein Gefühl von
Veränderung und Verschwindung der Scenen der Welt, das nicht schmerzhaft, nicht
niederschlagend ist, sondern das empfindsame Herz lehrreich unterhält. In diesen
Augenblicken fühlen wir uns so geneigt zum Genusse jeder Art von gemilderten
Empfindungen, zu Ergießungen vertraulicher Zärtlichkeit, zu ruhigen
Unterredungen über den Werth des Lebens, über seine Bestimmung und feine
Hoffnungen.
[...]
Wie beseligend ist nicht dieser Selbstgenuß in der Feyer des
Abends, wenn liebliche Gefühle und süße Phantasien mit ernsten Betrachtungen
wechseln, bald in der Unterredung mit einem weisen Freund, bald in der stummen
Unterhaltung der Einsamkeit ! Wie manche sanfte Seele findet nicht ihre
Empfindung in dieser Stille wieder.“
Goethe war bis zu seiner
Rückkehr aus Italien ein begeisterter Anhänger des englischen Gartens. Er teilt
in seinem Gartentagebuch, das er zwischen dem 17. und 24. Mai 1776 von seinem
Gartenhaus aus führte, seine Freude am Leben im Garten und seine
Naturverbundenheit mit:
„[...]
einen englischen
Garten gezeichnet. Es ist eine herrliche Empfindung dahausen im Feld allein zu
sitzen.“
Anhand der Äußerungen Sulzers,
Hirschfeld und Goethes ist zu erkennen, daß es bei der Anlage von Gärten nach
englischem Vorbild in erster Linie darum ging, Gefühlseindrücke hervorzurufen.
Hierzu waren die verschiedensten Mittel verwendbar. Sowohl die Gestaltung der
Landschaft als auch ihre Ausstattung mit Denkmalen, Grotten und auch kleinen
Staffagebauten waren dazu geeignet, der Landschaft eine neue Charakteristik zu
geben. Deren Bedeutung kann allerdings nur aus der Sicht des 18. Jahrhunderts
verstanden werden. Gerade die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts ist von einem
sich verschlingenden, kaum zu entwirrenden Geflecht geistiger und kultureller
Strömungen geprägt. So geraten bei der späteren Beurteilung dieser Parkanlagen
in erster Linie die auf Emotion bezogenen Partien in die Kritik. Dabei wird
wenig beachtet, daß es hierbei mehr um die Erziehung der Gefühle und um die
Anreicherung der Landschaft durch Bildungselemente geht, als nur um süße Träume
und Naturschwärmerei allein.
Zwischen den Jahren 1776 und
1785 wurde Oeser vom Weimarer Hof regelmäßig in Gartenfragen und zur
Landschaftsgestaltung konsultiert. Oeser schöpfte bei der Anlage der Parks aus
den Erfahrungen seiner in den Zeichnungen angelegten Landschaftsdarstellungen,
die dem Weimarer Hof schon seit langem bekannt waren und sich dort größter
Beliebtheit erfreuten. Seine Aktivität beschränkte sich in erster Linie auf den
Gartenpavillon im Garten des Wittumspalais, den Garten in Tiefurt bei Weimar und
vermutlich den Park zu Ettersburg.
Die Tiefurter Anlage war weitgehend unbeeinflußt von Goethe und kann durchaus
als eine eigene Schöpfung Oesers betrachtet werden, die ganz nach dem Ideal des
frühen sentimentalen englischen Landschaftsgarten geschaffen wurde (Abb. 56).
Über die Tätigkeit als Gartenfachmann hinaus entstanden von ihm auch einige
Gartendenkmale, die allerdings häufig nicht mehr genau rekonstruiert werden
können.
Das Tiefurter Schloß mit seinem
Garten wurde 1775 für die kleine Hofhaltung des Prinzen Constantin von
Sachsen-Weimar-Eisenach und seinen Erzieher Carl Ludwig von Knebel requiriert.
1781 übernahm die Herzogin Mutter Anna Amalia das Anwesen und verlegte ihren
Sommersitz von Ettersburg nach Tiefurt. So wurden Schloß und Park Stätten eines
unkonventionellen Rustizierens, eines kulturvollen heiteren geselligen Treibens
des Kreises um Anna Amalia, der sich besonders in der sogenannten Tafelrunde
zusammenschloß. Bleibendes literarisches Zeugnis dieser Zeit ist das „Tiefurter
Journal“, das in den Jahren 1781-1784 erschien.
Die Anfänge des Parks, der in
einem von Steilhängen begrenzten Bogen des Ilmflusses liegt, wurden von
1775-1780 von Knebel gemeinsam mit Oeser geprägt. Die Erweiterung auf den
heutigen Umfang erfolgte mit der Übernahme durch die Herzogin zwischen
1781-1788. Der Park entwickelte sich unter der Gestaltung Oesers zu einem der
bedeutendsten englischen Landschaftsparks in Deutschland.
Offenbar scheinen die Arbeiten
für die Umgestaltung der Wiesen und Äcker des ehemaligen Pachtgutes zu einem
englischen Landschaftspark kurz nach dem Einzug von Prinz Constantin in das
Schloß begonnen zu haben. Denn bereits 1775 holt Oeser bei Knebel Erkundigungen
„wegen der Bäume“ ein und kündigt zwei von den „chinesischen Gärten“
(vermutl. Gartenjournale) an, die er bereits von Leipzig abgesendet hatte.
Im selben Jahr hatte Oeser schon zahlreiche Pflanzen für den Garten in Tiefurt
nach Weimar geschickt, wofür sich Knebel bei Oeser bedankt, gleichzeitig war man
neben den Pflanzen auch sehr an Oesers Gartenplastiken aus weißem sächsischen
Marmor interessiert.
Oesers
mehrfach bekundete Interesse für die Chinamode zeigt, daß er sich an dem
Landschaftsgartentypus des „Jardin Anglo Chinois“ orientierte,.
zu dessen Ausstattung auch künstliche Grotten gehörten. Oeser waren in Leipzig
die wichtigsten und modernsten Schriften zur ausländischen Gartenkunst
zugänglich, die er vielmals, wie die Quellen belegen, für den Weimarer Hof
abonnierte.
Gemäß dem Zeitgeschmack wird aus dem Briefwechsel immer wieder Oesers Sympathie
für die Chinamode des 18. Jahrhunderts deutlich, die er in Weimar zu etablieren
suchte. Offenbar plante er auch für Tiefurt chinesische Elemente anzubringen.
Einer der stärksten Befürworter der Orientierung an den chinesischen Gärten war
Sulzer; er sah in den chinesischen Gärten ähnlich wie Hirschfeld eine
„Landschaft im Kleinen“, die es besonders nachzuahmen galt.
Vorbild für die meisten
englischen Gärten in Deutschland war, wie schon gesagt, der Wörlitzer Park. Aus
der Begeisterung für diese Anlagen begann man auch in Weimar ähnliche Gärten
anzulegen.
Daß Oeser sich den Wörlitzer Garten als Vorbild für Tiefurt nahm, gilt für die
damalige Zeit als selbstverständlich. Über seinen Aufenthalt in Wörlitz schreibt
er 1776:
„Ich war vor kurzem bey Sr.
Durchlaucht dem fürtrefflichen Fürsten von Dessau in Wörlitz und alles schöne
und unvermutliche, was ich da fand wünschte ich zu Ihrer liebenswürdigsten
Prinzessin nach Tiefurt, wann ich in Ihre Gegend komme, so wollen wir uns
bemühen alles, wenn es nicht schon ist, in ein Elysium zu verwandeln.“
Goethe war ebenso von Wörlitz
angetan. An Frau von Stein berichtet er:
„Hier ist es jetzt unendlich
schön, mich hat´s gestern abend, als wir durch die Seen, Kanäle und Wäldchen
schlichen, sehr gerührt, wie die Götter dem Fürsten erlaubt haben, einen Traum
um sich herum zu schaffen. Es ist, wenn man so durchzieht, wie ein Märchen das
einem vorgetragen wird, und hat ganz den Charakter der Elysischen Felder
[...]“
Die gesamte Anlage in Wörlitz
galt als Inbegriff eines aufgeklärten Weltbildes. Ein „Elysium“, das auf
das Jenseits der Seligen in der griechischen Mythologie anspielt, sollte nun
nach Ideen griechischer Hirtengedichte von Oeser auch in Weimar etabliert
werden.
Der Tiefurter Park wurde nicht
nur vom Prinzen allein genutzt, sondern gleichzeitig auch von seiner Mutter der
Herzogin Anna Amalia. Noch bevor sie endgültig ihre Sommerresidenz von
Ettersburg nach Tiefurt verlegte, versuchte sie sich über zahlreiche Journale
und aktuelle Literatur über den „Englischen Garten“ zu informieren und sich
zusammen mit Oeser über die Gestaltung ihrer Gärten zu beraten. Auch das 1777
von Oeser angekündigte Lustgebäude, das er der Herzogin im Tiefurter Park
errichten wollte, dürfte aus Anregungen solcher spezieller Gartenliteratur
hervorgegangen sein.
Oeser schickte hierzu Entwürfe, die heute nicht mehr erhalten sind. Offenbar
sollte das Gebäude in Sichtweite des Tiefurter Schlößchens liegen, eingebettet
in Wiesen nach englischem Vorbild. Bei diesem Projekt könnte sich Oeser ebenso
auch an Hirschfeld orientiert haben, der, obwohl er gegen die Überfüllung von
Gärten mit kleinen Baulichkeiten Stellung nimmt, auch Staffagegebäude behandelt.
Der Gartentheoretiker trägt damit auch zu einer weitverbreiteten Kenntnis der
Baugeschichten kleiner romantischer Bauten und Monumente bei.
Über die Leipziger Messe hatte
Oeser auch beste Kontakte zu Händlern, die mit heimischen und exotischen
Pflanzen handelten. Er war für den Weimarer Hof nicht nur als Vermittler von
Pflanzen zuständig, sondern gleichzeitig auch als Berater bei der Auswahl der
Pflanzen, welche sich für die Anlagen am besten eignen würden. 1777 erkundigte
sich Oeser nach der Ankunft der bereits geschickten Bäume und sprach eine
Empfehlung aus, „wilden Wein“ zu pflanzen. Die Absicht war ganz auf
dessen Empfindungswerte ausgerichtet: „[...]
Ich weiß für das ganze Auge den ganzen Sommer durch, aber besonders im Herbst
nichts reizenderes; und wächst auch ganz geschwinde.“
Oeser
plante für die Herzogin gegenüber dem Schloß einen sogenannten „Pont de vue“ zu
errichten. Sichtbeziehungen konnten in englischen Parks als schmale Durchblicke,
als gestaltete, begrenzte räumliche Bilder und in Form von Gartenszenen,
Denkmälern oder kleineren Gebäuden auftreten. Unabhängig davon sollten bestimmte
Sichten, Bilder, Szenen oder Situationen beim Betrachter bewußte Stimmungen
anregen. Stimmungsbilder stellen in Tiefurt ein typisches Gestaltungsmerkmal
dar. Oeser kannte sich genauestens mit der Gartenthematik aus. Nicht nur als
Theoretiker konnte er Empfehlungen aussprechen. Seine Beratungen waren durchaus
auch praktischer Natur und gingen über die Lehre hinaus.
Für die Gartengestaltung schien
Oeser neben aktuellen Gartenjournalen das Werk Hirschfelds unentbehrlich
gewesen zu sein, dessen vierten Band, „welcher von dem Herrn Hofrat Wieland
in seinem Merkur gut besprochen wurde“, er sich von seiner Tochter extra hat
nach Tiefurt schicken lassen.
Zwar ist Hirschfelds Werk sehr material- und gedankenreich, es lassen sich aber
daraus keine Handlungsanweisungen gewinnen.
So oblag es Oeser, wie die Briefe zeigen, diese Handlungsanweisungen als
Landschaftsarchitekt selbst zu geben.
Oeser war
nicht nur der Hauptverantwortliche bei der Gestaltung des Tiefurter Parks,
sondern manchmal auch für die Unterhaltung des Tiefurter Kreises zuständig.
Gelegentlich illuminierte er den Garten stimmungsvoll in „Rembrandtscher Magie“,
um beim kunstliebenden Publikum der Zeit erhabene Empfindungen zu erregen.
Knebel schrieb über einen solchen Augenblick an seine Schwester Henriette von
Knebel (1755-1813):
„Abends war Illumination, [...]
Oeser ließ noch in dem gegenüber etwas erhaben liegenden Hölzchen einige
Reisigbündel anzünden, welches eine herrliche Erleuchtung gab, zumal da er
einige große Figuren in Form von Statuen, die er dazu gemacht hatte,
hineinsetzen ließ.“
Der unweit von Weimar gelegene
Landschaftspark Tiefurt entstand in seiner heutigen Ausdehnung in drei
Entwicklungsphasen. Oeser gestaltete den ersten Abschnitt der Anlage unter
Mithilfe Knebels zwischen den Jahren 1775-1785. Der Park mit seinen Denkmalen
und den von Oeser ausgewählten Pflanzungen wurde aus dem im Geist der
Empfindsamkeit geschaffen und zählt heute noch zu den bedeutendsten englischen
Landschaftsgärten in Deutschland.
Innenraumgestaltungen mit
Landschaftsdarstellungen und symbolhaften Naturbezügen entwickelten sich ab ca.
1760. Landschaftsmalereien mit trompe-l´oeil- Motiven wurden zu einem wichtigen
Bestandteil für Innendekorationen. Gartenraumgestaltungen oder gemalte Ausblicke
in eine phantastische Landschaft erfreuten sich großer Beliebtheit.
Hirschfeld hat in seiner Theorie der Gartenkunst den Darstellungen von
Landschaftsbildern im Innern der Lustschlösser den ersten Platz zugedacht und
gerade die empfindungsmäßige Einheit von wirklicher und dargestellter Natur
hervorgehoben:
„Landschaftsgemälde
[...]
können in den Landhäusern den ersten Platz verlangen. Die reiche und
manigfaltige Natur, auch wenn wir sie täglich vor Augen haben, sättigt nicht so
sehr, dass sie uns nicht in einer glücklichen Nachahmung wieder gefallen
sollte.
[...] In Zimmern,
mit schönen Landschaftsgemälden bereichert, athmet alles um uns her die
liebliche Luft des Landes. Kein Widerspruch der Eindrücke von aussen, keine
Befürchtung des Missfälligen, wenn wir aus dem Freyen hereintreten; sondern eine
Harmonie der Wohnung mit der Landschaft
[...].“
Gerade am Raumtyp Pavillon soll
an einer Zimmerwand durch Illusionsmalerei eine Wandeinfassung vorgetäuscht
werden und die Wandöffnung den Blick in die exotische Landschaft ermöglichen.
Das Erlebnis besteht darin, daß sich die Natur öffnet und die Landschaft in den
Raum scheinbar eindringen läßt.
Das spezielle Interesse Oesers
für asiatische Kunst mag bei den Ausmalungen des sogenannten „Roten Turmes“ in
Weimar eine Rolle gespielt haben. 1776 pachtete die Herzogin ein weiteres
Grundstück zum englischen Garten ihres Wittumspalais hinzu. Auf dem Gelände
befand sich ein ehemaliger Wehrturm, auf dessen Grundmauern ließ Anna Amalia
einen Gartenpavillon im chinesischen Stil errichten (Abb. 57). Die sechs
Wandfelder und der Plafond wurden von Oeser 1776/77 ausgemalt.
Oeser
bedient sich bei seinen Ausmalungen dem Mittel der Scheinarchitektur mit
Durchblicken. Die jeweils im Vordergrund agierenden Personen, die auf fremde
Kulturen und Landschaften „hinausweisen“, sind der Chinamode verpflichtet (Abb.
58).
Die allseitige Natursehnsucht
war eine bestimmende Strömung ab der zweiten Jahrhunderthälfte. Mit seinen im
Roten Turm geschaffenen Ausblicken in chinesische Ideallandschaften kam Oeser
diesem Bedürfnis nach, sein äußeres Mittel des Illusionismus diente der
„Wahrheit“ der abgebildeten Natur. Die Landschaften staffeln sich von den
jeweiligen Personen im Vordergrund ausgehend direkt zu einem Fernblick auf eine
Stadt oder Gebirge, der Mittelgrund fehlt völlig. Oeser scheint hier weniger an
der Empfindung einer klassischen Landschaft interessiert gewesen zu sein, statt
dessen wollte er den Illusionismus der Wiedergabe betonen. Dieses Zeitempfinden
verband ein für die Aufklärung typisches Interesse an der ethnographischen
Wirklichkeit mit der Sehnsucht nach romantischen Naturerlebnissen. Die Bilder
sind so angelegt, daß der Betrachter einbezogen wird. Der tiefe Horizont erzeugt
eine utopische Erweiterung, die gleichzeitig als „geistige“ Öffnung des
Innenraums zu verstehen ist.
Die Chinoiserie, die sowohl am “extremen Naturalismus“ als auch am
„allgemeinen Illusionismus“ der Zeit beteiligt war, stellt gemeinsam mit der
Antike die „ideale Natur“ dar.
Wie bereits im Kapitel über die
„Kritik an der Empfindsamkeit“ gezeigt wurde, richteten sich die Vorwürfe
lediglich gegen eine übersteigerte und damit oberflächliche Empfindung. Ganz
speziell richtete sich die Ablehnung gegen den „empfindsamen“ Landschaftsgarten.
Verantwortlich dafür wurden die inhaltslosen Stilelemente und Auswüchse bei der
Gestaltung der Landschaftsgärten fern jeder Vernunft gemacht.
Die Kritik an den englischen Gärten richtet sich nicht gegen die eigentliche
Form dieser Gartengestaltung, sondern nur gegen die übertriebene Verfremdung der
Natur und deren Verunstaltung durch effektvolle Staffageausstattungen. Christian
Felix Weiße schreibt 1772 in einem Gedicht:
„Auf einen zu künstlichen
Garten“
„Der Garten ist sehr schön
geschmückt!
Hier Statuen und dort Cascaden;
Die ganze Götterzunft, hier Faune, dort Najaden,
Und schöne Nymphen, die sich baden:
Und Gold vom Ganges hergeschickt,
Und Muschelwerk und goldne Vasen,
Und Porzellan auf ausgeschnittnem Rasen,
Und buntes Gitterwerk, und - Eines such ich nur
Ist´s möglich, daß was fehlt? Nichts weiter - die Natur.
Goethe, der selbst ab 1778 an
der Gestaltung des Ilm-Parks in Weimar mitwirkte, fügt in seinem 1787
veröffentlichten Schauspiel „Triumpf der Empfindsamkeit“ das Melodram
„Proserpina“ bei. In diesem Stück wird der empfindsame Garten deutlich
kritisiert und abgelehnt: Der Hofgärtner des Stücks stellt ironischerweise
seinem Prinzen einen Garten vor, wie er nicht mehr sein sollte. Goethe läßt
sämtliche Attribute, die zu einem englischen Landschaftsgarten gehören, auf
verspottende Art aufzählen und macht somit ein weiters Mal deutlich, daß er sich
von der Empfindsamkeit distanziert hat.
„[...]
Zum vollkommenen
Park
Wird uns wenig mehr abgehn.
Wir haben Tiefen und Höhn,
Krumme Gänge, Wasserfälle, Teiche,
Pagoden, Höhlen, Wiesschen, Felsen und Klüfte,
Eine Menge Reseda, und andere Gedüfte,
Weimutsfichten, babylonische Weiden, Ruinen,
Einsiedler in Löchern, Schäfer im Grünen,
Moscheen und Türme mit Kabinetten,
Von Moos sehr unbequeme Betten,
Obelisken, Labyrinthe, Triumphbogen, Arkaden,
Fischerhütten, Pavilons zum Baden,
chinesisch-gotische Grotten, Kiosken, Tings,
maurische Tempel und Monumente,
Gräber, ob wir gleich niemand begraben-
Man muß es alles zum Ganzen haben.“
Ebenso kritisch gegenüber der
künstlich angelegten Natur äußerten sich auch der Leipziger Ästhetiker Jacobi
und Friedrich Schiller.
Jacobi wandet sich 1819 unmißverständlich gegen die allgemeine Formulierung
„daß der Garten eine Landschaft im Kleinen“
sein soll. Ihm mißfiel, daß mit künstlichen also widernatürlichen Effekten,
Emotionen erzeugt wurden, die selbst nicht natürlich sein konnten. Auch Schiller
kritisierte 1799 die mit künstlichen Mitteln erzeugte Effekthascherei in den
englischen Gärten. Für ihn stehen Kunst und Natur in einem unüberwindbaren
Gegensatz zueinander und lassen sich nicht miteinander vereinbaren. Konkret
richtete sich seine Kritik an die Gärten im Seifersdorfer Tal bei Dresden und
den Park um das Schwetzinger Schloß. Beide, Jacobi wie Schiller, plädierten
gegen das Künstliche und für das Natürliche eines Gartens, denn nur ein
natürlicher Garten kann auch natürliche Emotionen frei von Affekten und
jeglicher Form von übertriebener Empfindelei auslösen.
Oesers
Anteil an der Gartengestaltung in Weimar war größer als bisher bekannt. Die
Ursache, daß Oeser als Gartengestalter seither keine ausreichende Würdigung
zukam, mag unter anderem darin zu finden sein, daß er nur die frühe und
vergleichsweise kurze Periode des „empfindsamen Gartens“ der gesamten
Entwicklungsgeschichte des Landschaftsgartens vertrat. Die später einsetzende
Kritik an der „Trivialisierung“ der Gartengestaltung, führte zu einer
allgemeinen ablehnenden Haltung gegenüber dem „empfindsamen Garten“ und Oesers
künstlerische Leistungen in der Parkgestaltung wurden kaum mehr erkannt.