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Jutta Assel | Georg Jäger

Antonio Canova
Werkauswahl in lithographierten Umrissen 

 

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Modell einer kolossalen Statue Pius VI.,
für die St. Peterskirche in Rom.
Ausgeführt in Marmor 1822.

 


Diess kolossale Bild ist von dem Künstler nicht ganz vollendet worden. Er bedauerte es noch in den lezten Augenblicken seines Lebens, nicht wesentliche Veränderungen damit vornehmen zu können, und starb in Laufe des Monats October 1822, der vom Nachfolger Pius VI. dazu bestimmt war, das Bild seines Vorfahrers [!] in der Peterskirche zu Rom bei der Treppe aufzustellen, die zur Gruft führt.

Die Geschichte wird sagen, in wie weit dieser Pabst eine Statue verdiente, dessen weiche Nachgiebigkeit für eine verderbliche Gesellschaft, deren Wiederherstellung unter seinem Nachfolger vorbereitet hat; aber dankbar wird sie sich erinnern, dass er die pontinischen Sümpfe ausgetrocknet.

Der Pabst Angelo Braschi besass persönliche Tugenden, und das Unglück seiner letzten Jahre empfiehlt sein Andenken. Aus dem Pallaste des Quirinal riss ihn ein Befehl des Directoriums, das nicht zufrieden war, den General Bonaparte geschickt zu haben, um sich der Hälfte der römischen Staaten zu bemächtigen, nicht zufrieden, 30 Millionen Thaler und die Abtretung der schönsten Gemälde erhalten zu haben, die das Museo Clementino schmückten. Mitten durch die Thränen und Gebete der Völker sah man einen ehrwürdigen Greis Italien und Frankreich durchziehen, jeden Tag den Ort seiner Verbannung wechselnd, nie seine Ueberzeugung. Ergeben in seinem Unglück und fest in seiner Weigerung erregte er bald das Erstaunen seiner Verfolger, bald demüthigte er sie, nie aber erregte er ihr Mitleid. In Siena überraschte ihn ein Erdbeben, das seinen Kerker erschütterte; in der Karthause von Florenz stiess er auf die Fürsten Sardiniens entthront wie Er. Nach Piacenza, Lodi, Turin geschleppt, ward er in strenger Jahreszeit an den Fuss der Alpen geführt, und musste auf einer Tragbahre, umstarrt von Gletschern und von furchtbaren Abgründen umringt, über den Berg Genevra reisen. Unsre Husaren boten ihm ihre Pelze an, um seine erstarrten Glieder zu bedecken. "Ich leide nicht, antwortete er, und fürchte nichts, meine Kinder!"

So gelangte er nach Briançon, dann nach Grenoble. Einige arme Bauern warfen sich im Schnee aufs Knie, um im Vorühergehen den Seegen des achzigjährigen Greisen zu empfangen, und zuweilen war es ein verkleideter Priester, der auf dem Boden des Exils die unerschöpfliche Milde Pius VI. erfahren hatte.

Er starb zu Valence im J. 1799. Vier und zwanzig Jahre lang hatte er die Kirche gelenkt. Seine Person flösste Ehrfurcht ein. Sein Wuchs war gross, seine Augen weit und ausdrucksvoll; alle seine Manieren edel und einfach. Die religiösen Ceremonien vollbrachte er mit seltener Würde. Canova hat nichts von seiner Einbildungskraft entlehnt, wenn er ihm den grossartigen Charakter gab, den man in diesem Bilde bemerkt. Zwei Schriftsteller, deren Lob unverdächtig ist, haben von diesen Eigenschaften gezeugt: ein deutscher Lutheraner, der ihn zu Wien das Hochamt halten sah, und ein englischer Schriftsteller, John Moore. Beide sprechen von dem Pabst in ihren Memoiren mit ehrerbietigem Enthusiasmus.

Hier erscheint der Pabst auf reichen Kissen knieend, in der Stellung einer vertrauensvollen Ergebung. Die Hände sind zum Gebet zusammengelegt; er hat die Tiare abgelegt, und seine gebleichte Miene ist nur mit dem Solideo bedeckt, dessen Namen sagen will, dass der Mensch, der es trägt, nur Gott allein die Ehre zu geben hat.

Lange Draperien bedecken, kunstreich angelegt, die ganze Figur; sie erhöhen noch den Ausdruck der Inbrunst und der Sammlung.

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