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Jutta Assel | Georg Jäger

Abenteuer des berühmten Freiherrn von Münchhausen
in Illustrationen von Martin Disteli 

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Sechstes Kapitel.
Wunderbare Begebenheiten mit einem Hirsche.

 

Sie haben unstreitig, meine Herren, von dem Heiligen und Schutzpatron der Weidmänner und Schützen, St. Hubert, nicht minder auch von dem stattlichen Hirsche gehört, der ihm einst im Walde aufstieß und welcher das heilige Kreuz zwischen seinem Geweihe trug. Diesem St. Hubert habe ich noch alle Jahre mein Opfer in guter Gesellschaft dargebracht und den Hirsch wohl tausendmal sowohl in Kirchen abgemalt als auch in die Sterne seiner Ritter gestickt gesehen, so daß ich auf Ehre und Gewissen eines braven Weidmanns kaum zu sagen weiß, ob es entweder nicht vorzeiten solche Kreuzhirsche gegeben habe oder wohl gar noch heutigestags gebe. Doch lassen Sie sich vielmehr erzählen, was ich mit meinen eigenen Augen sah.

Einst, als ich all mein Blei verschossen hatte, stieß mir, ganz wider mein Vermuten, der stattlichste Hirsch von der Welt auf. Er blickte mir so mir nichts, dir nichts ins Auge, als ob ers auswendig gewußt hätte, daß mein Beutel leer war. Augenblicklich lud ich indessen meine Flinte mit Pulver und darüber her eine ganze Handvoll Kirschsteine, wovon ich, so hurtig sich das tun ließ, das Fleisch abgezogen hatte. Und so gab ich ihm die volle Ladung mitten auf seine Stirn zwischen das Geweih. Der Schuß betäubte ihn zwar - er taumelte, machte sich aber doch aus dem Staube.

Ein oder zwei Jahre danach war ich in ebendemselben Walde auf der Jagd: und siehe! zum Vorschein kam ein stattlicher Hirsch, mit einem voll ausgewachsenen Kirschbaum, mehr denn zehn Fuß hoch, zwischen seinem Geweihe. Mir fiel gleich mein voriges Abenteuer wieder ein; ich betrachtete den Hirsch als mein längst wohlerworbenes Eigentum und legte ihn mit einem Schusse zu Boden, wodurch ich denn auf einmal an Braten und Kirschtunke zugleich geriet; denn der Baum hing reichlich voll Früchte, die ich in meinem ganzen Leben so delikat nicht gegessen hatte.

Wer kann nun wohl sagen, ob nicht irgendein passionierter heiliger Weidmann, ein jagdlustiger Abt oder Bischof, das Kreuz auf eine ähnliche Art durch einen Schuß auf St. Huberts Hirsch zwischen das Gehörne gepflanzt habe? Denn diese Herren waren ja von je und je wegen ihres Kreuz- und - Hörnerpflanzens berühmt und sind es zum Teil noch bis auf den heutigen Tag.

Anmerkung: Die Kirschtunke wird in der Illustration durch Kirschwasser ersetzt und dessen Zubereitung vorgeführt. (Nachwort von Gottfried Wälchli)

 

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