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Jutta Assel | Georg Jäger

Sagen-Motive auf Postkarten

Jakob Götzenbergers Freskobilder
in der Trinkhalle zu Baden-Baden

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Hohenbaden

Zu Ende des XV. Jahrhunderts wurde Deutschland und mit ihm auch das liebliche Baden durch eine schreckliche Seuche heimgesucht. Furchtbar waren die Verheerungen, welche die Krankheit unter den Menschen anrichtete, und fast furchtbarer noch als das irdische Sterben waren die vernichtenden Wirkungen auf alle edlen Gefühle der Menschenbrust. Alle Bande der Liebe und Pflicht waren gelöst, alle Leidenschaften entfesselt. Umsonst suchten Verbindungen fanatischer Büßer durch Gebete und Geißelung den Zorn des Himmels zu versöhnen und dem grausigen Würgengel Einhalt zu gebieten.

Auf Hohenbaden lebte damals eine verwitwete Markgräfin mit einem Sohne und einer Tochter, beide noch im zarten Alter. Wohl war ihre Familie von der Seuche verschont, aber der guten Fürstin ging das Elend ihres Landes sehr nahe. Einst war sie, wie fast täglich, mit ihren Kindern wieder auf die höchste Zinne ihres Schlosses gestiegen. Dort oben, dem Himmel so viel näher, erschloss sich ihre Seele am liebsten. Während die beiden Kinder schliefen, rang die Markgräfin in heißem Gebete und gelobte der Gottesmutter ihr Liebstes zu opfern, wenn ihr Gebet um Errettung Erhörung fände.

Plötzlich sah sie in einer Art von Verzückung, wie eine schaurige Gestalt auf schwarzen, rotdurchglühten Wolken dahinrauschte und vor einer sich nahenden Lichtgestalt die Flucht ergriff. Und jetzt schwebte, von himmlischer Glorie umflossen, die heilige Gottesmutter vor ihr. Mild auf sie niedersehend streckte sie eine Hand schützend über die Burg. Mit der andern aber segnete sie die Kinder und deutete zugleich auf das in der Ferne sichtbare Kloster Lichtenthal.

Als die Erscheinung entschwebte, wusste die Fürstin, dass ihr Gebet erhört sei. Die Pest verschwand bald darauf und alles atmete auf. Die Markgräfin aber erfüllte ihr Gelübde, indem sie ihr Töchterlein im Klosten Lichtenthal dem Dienste der Himmelskönigin weihte.

 

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